Wichtiges EM-Spiel gegen Spanien: Paul Drux ist ein Phänomen auf dem Handballfeld
Füchse-Spieler Paul Drux kann vor allem kämpfen. Bei der Handball-Europameisterschaft soll er die deutsche Mannschaft nun zusätzlich dirigieren.
Paul Drux ist mutig. Paul Drux ist unberechenbar. Paul Drux ist ein Phänomen auf dem Handballfeld. Wenn er an den Ball kommt, dann passiert etwas. Dann stürmt der 24-Jährige auf seine Gegenspieler zu. Mit dem Kopf voran der Abwehrmauer entgegen, den Bollwerken aus Hünen, Brechern, Ochsen. Zersprengt sie. Durchdringt sie.
Die Gegenspieler umschlingen seinen Hals, umklammern seine Hüften, greifen ihm in die Arme. Auf Fotos, den Momentaufnahmen seines furchtlosen Spiels, schreit sein Gesicht vor Schmerz, füllt all der Mut seine Wangen, versteinert, angsteinflößend, zu allem bereit. „Paul interpretiert das Wort Leidenschaft, wie ich es liebe“, sagt Bob Hanning: „Mit dem Wort ,Leiden’ integriert.“ Paul Drux geht dahin, wo es wehtut.
Bei der Europameisterschaft, die für die deutschen Handballer am Donnerstag mit einem 34:23-Erfolg gegen die Niederlande begann, liegt viel Last auf den Schultern des Spielers von den Füchsen Berlin. Nach etlichen verletzungsbedingten Absagen für die Spielmacherposition zeigte sich schließlich Drux bereit, von seiner angestammten Position Halblinks in die Mitte zu wechseln. Er ist jetzt nicht mehr nur der Kämpfer, er soll bei dem Turnier in Norwegen, Österreich und Schweden nun auch der Dirigent sein.
Hanning kennt den gebürtigen Gummersbacher schon seit vielen Jahren. Der Manager der Füchse ist es selbst gewesen, der den damals 16-Jährigen zu einem Wechsel nach Berlin bewegen konnte. Drux besuchte zusammen mit Fabian Wiede, dem anderen außergewöhnlichen Spieler, der es bei den Füchsen aus der eigenen Jugend bis in die Nationalmannschaft schaffte, das Sportinternat in Hohenschönhausen. Eigentlich war ebenjener Wiede für die Spielmacherposition bei der EM vorgesehen. Auch Wiede kam eine Verletzung dazwischen.
Drux soll einmal Hannings Nachfolger werden
Hanning muss nicht lange überlegen, welche Rolle er in der steilen Karriere von Paul Drux spielt. Entdecker? Ziehvater? Mentor? „Alle drei zusammen!“ Die Leben des 51-Jährigen und des 24-Jährigen sind wohl bis in alle Ewigkeit verwoben. „Bob hat früher nie locker gelassen, da wäre wohl manch anderer längst verzweifelt. Er hat uns getriezt, uns aufgebaut. Er hat uns den Weg in den Profihandball überhaupt erst ermöglicht“, sagt Drux.
Aus dem Mund des Älteren klingt das naturgemäß etwas anders. „Schule, Leistungsdruck, Nationalmannschaft, Verein, Erwartungshaltung, Internatsleben“, zählt Hanning auf, „das sind so viele Baustellen, die wir gemeinsam durchlebt haben. Bei einer besonderen Beziehung wie mit Paul oder Fabi lebt man die ja zum Teil auch richtig mit.“ Es war die Zeit der „Mutti-Zettel“, wie Wiede einmal erzählte, als die Internatsbewohner noch Hanning fragen mussten, ob sie auswärts schlafen dürfen. Das sind heute nur noch lustige Anekdoten. Der Erfolg schweißte sie mit den Jahren zusammen.
Bereits mit den Jugendmannschaften gewann Drux so ziemlich alles, was man gewinnen konnte, wurde mit den Füchsen mehrfach Deutscher Meister, mit der Nationalmannschaft zweifacher Europameister und WM-Dritter. Bei den Profis folgte der Pokalsieg, der Europapokalsieg, der Weltpokalsieg, bei Olympia holte er mit der deutschen Mannschaft in Rio die Bronzemedaille.
Sowohl im Verein als auch in der Nationalmannschaft genießt Drux eine große Wertschätzung. „Paul hat eine hohe Sozialkompetenz“, weiß Hanning: „Er ist sehr ruhig, sehr bedacht, sehr kontrolliert.“ Gemeinsam arbeiten sie gerade am nächsten Entwicklungsschritt. „Er lernt jetzt den kaufmännischen Teil neben dem handballerischen.“ Drux hat vor kurzem ein eigenes Label für Sportswear gegründet. Unter seiner Marke erscheint in den nächsten Tagen auch ein von Hanning selbst designter Pullover. Für den Manager nur ein Spaß. Im neuen Interessensfeld seines Spielers sieht er möglicherweise aber schon den Grundstein für dessen Zukunft im Verein. „Ich kann mir Paul sehr gut mal als meinen Nachfolger vorstellen“, sagt Hanning: „Er hat jetzt schon die Skills, die für diesen Bereich hilfreich sind.“
Gegen Spanien will Drux den nächsten Sieg holen
Doch daran denkt Drux wohl noch nicht. Zumindest jetzt gerade nicht. Der Kämpfer, Dirigent, er will mit seiner Mannschaft an diesem Samstag gegen Spanien (18.15 Uhr, live in der ARD) den nächsten Sieg holen. Und dann den nächsten. Er will ins Halbfinale, Finale, er will erneut zu den Olympischen Spielen, für die sich der Titelträger automatisch qualifiziert. Paul Drux hat noch viel vor. Paul Drux hat gerade erst begonnen.
Wenn man dem 1,92 Meter großen Athleten bei der Arbeit auf dem Handballfeld beobachtet, erlebt man einen wahren Sportsmann. Drux ist kein Kind von Traurigkeit. Er ist nicht zimperlich, eher nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir. Was er vorne einsteckt, teilt er hinten aus. Dieses stille Einverständnis unter den Handballspielern macht das Ringen und Kämpfen um Raum und Tore so edel.
Drux wirkt dabei wie ein Footballspieler, der zum Touchdown losrennt. Unterschied: Er kann seinen Körper dabei nicht mit den Armen schützen – er führt den Ball an der Hand seines ausgetreckten Arms, mit offener Seite stürzt er sich also voran, seinen Gegenspielern entgegen, den Hünen, Brechern, Ochsen. Es wirkt manchmal wie ein Autounfall, den Paul Drux erst einmal überstehen muss.
Und dann steht da ja auch noch ein Torwart im Kasten. Oft geht der Ball rein. Und wenn nicht, nimmt ihm das niemand krumm. Meistens gibt es dann sowieso Siebenmeter.