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Voller Einsatz. Vedad Ibisevic erzielt in dieser Szene die Führung für Hertha BSC. Später verletzte sich der Bosnier schwer.
© imago/Sebastian Wells

Hertha BSC nach 2:2 gegen Hannover 96: Pal Dardai: "Das lasse ich mir nicht schlechtreden"

Nach dem 2:2 gegen Hannover 96 herrscht leichte Anspannung bei Hertha BSC - und das nicht nur wegen einer Kopfverletzung von Stürmer Vedad Ibisevic.

Ob Arthur Abraham diesen Treffer ohne größere Folgen weggesteckt hätte? Dummerweise gehört der WBO-Weltmeister ja nicht zum Kader von Hertha BSC, zudem verdingt er sich dieser Tage anderweitig in Las Vegas. Trotzdem erinnerte die Szene, die sich am Freitagabend um kurz vor neun im Olympiastadion ereignete, eher an einen Boxkampf als an ein Fußballspiel.

Wie der Kopf von Vedad Ibisevic nach einem Zusammenprall mit dem Hannoveraner Alexander Milosevic um ein paar Zentimeter zur Seite gedrückt wurde, tat schon beim Zuschauen in Echtzeit weh, von der Wiederholung ganz zu schweigen. Immerhin konnte Ibisevic, Herthas Torschütze zum zwischenzeitlichen 1:0, noch bis zum Ende durchspielen. Die konkrete Diagnose folgte am Tag nach dem 2:2-Unentschieden gegen den Tabellenletzten: Demnach hat sich der Bosnier eine Fraktur der linken Kieferhöhle zugezogen, eine recht schmerzhafte Angelegenheit. Nächsten Samstag, gegen seinen alten Klub in Hoffenheim, so ließ Ibisevic nach eingehender Untersuchung mitteilen, will Herthas zweitbester Torschütze der laufenden Saison aber unbedingt wieder dabei sein. Zur Not auch mit entsprechender Schutzmaske. An einer Operation und einer längeren Pause ist der Stürmer glücklicherweise noch einmal vorbeigeschrammt.

Am Ende einer durchwachsenen Woche war das noch die beste Nachricht aus Sicht von Hertha BSC. Nach der Klatsche in Mönchengladbach (0:5) und dem Remis gegen 96 haben die Berliner der Bundesliga-Konkurrenz ab Tabellenplatz vier die Chance eröffnet, den Rückstand zu verkürzen. Mönchengladbach (0:1 in Ingolstadt) und der FSV Mainz (1:1 in Wolfsburg) machten davon am Samstag zwar nur bedingt Gebrauch, am Sonntag aber können Leverkusen (in Köln) und Schalke (gegen Dortmund) aufschließen. Fünf Spieltage vor dem Saisonende verspricht das Fernduell um die Europapokalplätze drei bis sechs mindestens so spannend zu werden wie der Abstiegskampf, und Hertha ist neuerdings mittendrin statt vorn dabei. „In der Kabine waren wir natürlich niedergeschlagen, der Heimsieg war eingeplant“, sagte Julian Schieber, der Vorbereiter des 2:2-Ausgleichs durch Salomon Kalou. „Jetzt müssen wir den Fokus wieder nach vorn richten“, ergänzte der nach langer Verletzung genesene Angreifer, „das Trainerteam hat die richtigen Worte gefunden.“ Jedenfalls intern.

„Dieser Punkt kann später vielleicht noch wichtig sein“, sagt Dardai

In der externen Kommunikation dagegen ist Trainer Pal Dardai beim Auslaufen am Samstag ungewöhnlich dünnhäutig aufgetreten, unter anderem legte er den Berichterstattern einen Besuch beim Psychologen des Vertrauens nahe. Champions League, Europa League, „das sind alles Dinge, die uns nicht belasten, das ist nicht die Realität von Hertha BSC“, schimpfte der Ungar. „Egal, was noch passiert, wir haben schon etwas erreicht, und das lasse ich mir nicht schlechtreden“, ergänzte er noch. „Wir lassen uns jetzt nicht von außen kleinreden oder größer machen, wir machen einfach weiter unser Ding“, sagte Schieber.

Auf der anderen Seite muss die Frage schon erlaubt sein, wie es denn nun fünf Spiele vor Schluss um die Ambitionen des Berliner Bundesligisten bestellt ist. Machen sie sich bei Hertha nicht unglaubwürdig, wenn sie jetzt nicht langsam mal das Ziel Europapokal ausgeben? „Uns ist sehr wohl bewusst, dass wir im Moment Dritter sind und die Spiele weniger werden“, sagt Schieber. Allerdings verweist der 27-Jährige auf Herthas überaus anspruchsvolles Restprogramm. „Vor uns liegen fünf unheimlich schwere Spiele“, sagt Schieber – in chronologischer Reihenfolge Hoffenheim, Bayern München, Bayer Leverkusen, der SV Darmstadt und Mainz 05. Im Gegensatz zu Hannover 96 steht für fast alle besagten Teams mehr auf dem Spiel als die Ehre, nämlich die Qualifikation für den Europapokal sowie der Verbleib in der Bundesliga.

Komplett unberechtigt war der Ärger von Pal Dardai wiederum auch nicht, und das lag an einem in dieser Saison äußerst seltenen Phänomen im Olympiastadion, das am Freitagabend zu beobachten war. „Mittlerweile sind wir ja schon so weit, dass das Publikum bei einem Querpass beleidigt ist oder pfeift, wenn wir zur Halbzeit nicht führen“, sagte Dardai.

Herthas Trainer hat sogar eine „ganz andere Fußball-Kultur“ bei der Gegnerschaft ausgemacht, wenn sie gegen sein Team spielt. Am Freitagabend bestand sie aus Hannoveraner Sicht vor allem darin, sich die Lunge aus dem Leib zu rennen. Dardai, ein bekennender Freund der Statistik, berichtete am Tag danach von einer Gesamtlaufleistung von über 120 Kilometern im Team des designierten Absteigers aus Niedersachsen, ein Spitzenwert. „Deshalb kann ich meiner Mannschaft nichts vorwerfen, die Moral war absolut in Ordnung“, sagte Dardai, „dieser Punkt kann später vielleicht noch wichtig sein.“ Richtig hart erkämpft war er in jedem Fall.

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