Holländische Eisschnelllauf-Dominanz: Oval in Oranje
Die Welt reibt sich wegen der Dominanz der holländischen Eisschnellläufer verwundert die Augen. Am Ende könnten sie erfolgreicher sein als das komplette deutsche Olympiateam.
Es ist natürlich eine Schande, dass die Blaskapelle „Kleintje Pils“ erst am vergangenen Wochenende in Sotschi angekommen ist. Immerhin finden ja hier die „Offenen Niederländischen Meisterschaften im Eisschnelllaufen“ statt, im Rest der Welt auch als Olympische Winterspiele bekannt. Sechs von acht Wettbewerben und 16 Medaillen, darunter fünf goldene, haben die holländischen Rundendreher bisher eingefahren, das ist schon jetzt absoluter Rekord. Und es kommen ja noch die Langstrecken und die Staffeln. Zumindest zwei Goldmedaillen sollten den Holländern da noch sicher sein, von Silber und Bronze ganz zu schweigen, schließlich besetzten sie schon drei Mal das komplette Podium.
Am Ende könnte es für über 20 Medaillen reichen, mit denen der Königlich Niederländische Eislaufverband aller Voraussicht nach ganz im Alleingang das gesamte deutsche Olympiateam im Medaillenspiegel hinter sich lassen wird. Wer hätte das gedacht? Die US-Sprinterin Jilleanne Rookard jedenfalls will sich schon nach den holländischen Olympiaausscheidungen gefragt haben: „Sind die mit Ventilatoren gelaufen oder was geht da vor sich?“ Und ihre Teamkameradin Heather Richardson sagte: „Die Holländer müssen so stark um ihren Platz im Team und um Sponsoren kämpfen, dass sie immer im Wettkampf stehen. Das ist ein Vorteil.“
Die Amerikaner sind in dieser Sache unfreiwillig Experten, denn sie bilden in der Kühlbox der Adler-Arena den Gegenpol zu den Holländern. In Zahlen ausgedrückt: null Medaillen, ein Debakel für die Heimat von Eric Heiden. Bleibt nur die Frage, ob die USA, mit mehreren Weltmeistern und mit Weltcup-Spitzenreitern wie Richardson angereist, den Saisonhöhepunkt verschlafen haben. Oder ob sie sich im Vertrauen auf eine vermeintliche Geheimwaffe verkalkuliert haben.
Die US-Amerikaner versuchten es mit einem Wunderanzug - vergeblich
Kurz vor Olympia enthüllte der Verband USA Speedskating nämlich einen völlig neuen Wunderanzug, den vorher noch niemand gesehen hatte. Drei Jahre lang von einem amerikanischen Sportartikel-Hersteller und einem Rüstungskonzern entwickelt, am Computer entworfen, im Windkanal getestet – mit einem Wort: revolutionär. Zum Glück hatten die Amerikaner aber noch ein paar alte Anzüge in Sotschi dabei.
Nachdem Shani Davis, der Olympiasieger von 2006 und 2010, über 1000 Meter nur Elfter wurde, streiften die US-Athleten mit Sondererlaubnis des IOC ihre neuen Skinsuits wieder ab. Und Davis stellte öffentlich in Frage, ob die Anzüge wirklich so geheim gehalten werden mussten, dass die Athleten sie nicht ein einziges Mal unter Wettkampfbedingungen testen konnten. „Wenn wir wegen eines neuen Anzugs einen schlechten Tag bei einem Weltcup haben, dann ist das okay. Aber doch nicht bei Olympischen Spielen.“ Hinzuzufügen wäre allerdings, dass die Amerikaner in den gewohnten Anzügen auch nicht viel besser waren.
Andere Eisschnelllauf-Nationen gingen auf ihre Weise mit der holländischen Überlegenheit um. Die Norweger, die Langläufer wie Johann Olav Koss hervorbrachten, sagten wegen Chancenlosigkeit über 10 000 Meter ab. Die Südkoreaner haderten mit dem schweren, harten Eis, weil es leichtgewichtige Sportler benachteiligt. Claudia Pechstein sprach schlicht vom „holländischen Eis“. Dass die Holländer nicht unbezwingbar sind, bewies indes der Pole Zbigniew Brodka, der die 1500 m im Zielfoto-Entscheid gegen Koen Verweij gewann – obwohl es in Polen überhaupt keine Eisschnelllaufbahn gibt.
Dirk Schmidtke