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Die Großen gewinnen. Thomas Bach (l.) mit dem Botschafter der chinesischen Bewerbung, Ex-Basketballstar Yao Ming.
© dpa/Ismail

Winterspiele 2022 in Peking: Olympia schmilzt

Peking wird die erste Stadt sein, die olympische Sommerspiele und Winterspiele ausrichtet. Nach dem Zuschlag für Beijing 2022 hagelte es allerdings Kritik von allen Seiten.

Tausende Pekinger Bürger strömten am Abend zum Tiananmen-Platz, Autohupen tönten, Nationalfahnen ragten in den Abendhimmel. „Lang lebe das Mutterland“, riefen Studenten, die auf einen Ampel geklettert waren, andere stimmten gar ein altes Propaganda-Lied an: „Ohne die Kommunistische Partei gäbe es kein neues China“. So begeistert hatte Peking vor 14 Jahren den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2008 gefeiert. Am Freitag aber, nach der zweiten Vergabe von Olympischen Spielen an Peking, sah man im Vergnügungsviertel Sanlitun kaum feiernde Chinesen. „Wir sind nicht so enthusiastisch, weil es nur um Winterspiele geht“, erklärt der Pekinger Wu Xiaowen der „New York Times“, „wir machen diese Sportarten nicht und schauen uns diese Spiele auch nicht an.“

Die Olympischen Winterspiele 2022 werden also in einer Stadt stattfinden, die kaum Schnee hat, kaum Wasser und keine Wintersporttradition. Dass sich die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees in Kuala Lumpur trotzdem für Peking entschieden hat, lag auch daran, dass die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) nach den Absagen von Stockholm, Oslo, Krakau oder München keine echte Wahl hatten.

Peking wird die dritte ostasiatische Stadt in Folge sein, die Olympische Spiele ausrichtet

Die kasachische Stadt Almaty als einzig verbliebener Konkurrent war als Außenseiter ins Rennen gegangen, konnte aber immerhin auf echten Schnee, existierende Sportstätten und Wintersporterfahrung verweisen. „Keeping it real“ war der folgerichtige Slogan der kasachischen Bewerbung. Am Ende wurde Almaty in einer von technischen Schwierigkeiten überschatteten Abstimmung mit 40 zu 44 Stimmen nur knapp geschlagen.

Die Mitglieder des Pekinger Bewerbungskomitees sprangen jubelnd auf, als IOC-Präsident Thomas Bach das Schild „Beijing 2022“ in die Kameras hielt. Die Spiele werden „das unglaubliche Potenzial des Wintersports in unserem Land, in Asien und der ganzen Welt fördern“, versprach „Beijing 2022“ in einer ersten Stellungnahme. Die guten sportlichen Erfahrungen aus dem Jahr 2008, die Finanzkraft der chinesischen Regierung und die großen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten, die China dem Wintersport bieten kann, waren die zentralen Pluspunkte der chinesischen Bewerbung. Rund 300 Millionen Chinesen in Nordchina könnten durch die Winterspiele vom Wintersport begeistert werden, hatte Peking versprochen. Die chinesische Bewerbung war 2013 als Versuchsballon gestartet und hatte erst durch den Rückzug der europäischen Mitbewerber an Ernsthaftigkeit gewonnen.

Peking wird nun die erste Stadt sein, die Sommerspiele und Winterspiele ausrichtet. Zudem wird die chinesische Hauptstadt nach Pyeongchang 2018 und Tokio 2020 die dritte ostasiatische Stadt in Folge sein, die Olympische Spiele ausrichtet. In dieser Region gilt die Ausrichtung der Spiele offenbar noch als Ausdruck nationaler Stärke, während in vielen westlichen Ländern die Bevölkerung vor den hohen Kosten zurückschreckt. Wie zuletzt auch mit dem Rückzug Bostons als Bewerberstadt für 2024 zu beobachten war. Das IOC hat aus diesem Grund die Reformagenda 2020 aufgelegt, die unter anderem mehr Nachhaltigkeit und weniger Kosten bringen soll. Peking aber kann das nur bedingt gewährleisten.

Die Stadt kämpft mit Luftverschmutzung und Verkehr

Zwar wird Beijing 2022 sechs Sportstätten wiederverwenden, die für die Sommerspiele 2008 gebaut wurden. Unter anderem werden die Eröffnungs- und Schlussfeier im Vogelnest stattfinden. Doch Bob- und Rodelbahn sowie die alpinen Wettbewerbe werden im 70 Kilometer entfernten Yanqing stattfinden, Biathleten, Langläufer oder Snowboarder müssen ins 140 Kilometer nordöstlich von Peking gelegene Zhangjiakou fahren. Ein noch zu bauender Hochgeschwindigkeitszug mit Medienarbeitsraum, so warb Peking, wird die Olympiastätten verbinden. Mit drei Milliarden Dollar sind die Kosten für Beijing 2022 niedrig veranschlagt, verglichen mit den 50 Milliarden Dollar, die Sotschi 2014 gekostet haben soll. Doch in den Pekinger Berechnungen sind noch nicht die Infrastrukturkosten etwa für den Hochgeschwindigkeitszug und die olympischen Straßen nach Zhangjiakou enthalten.

Zudem sind die kritischen Themen, die Peking 2008 überschattet haben, aktueller denn je. Die Stadt kämpft mit Luftverschmutzung und Verkehr, die Menschenrechtslage in China hat sich drastisch verschlechtert, zuletzt ließ die autoritäre Regierung über 200 Menschenrechtsanwälte und Aktivisten festnehmen. Im Pressefreiheitsindex von „Reporter ohne Grenzen“ sank China von Platz 167 (2008) auf Platz 175 (2014), weiterhin wird das Internet massiv zensiert.

Menschenrechtler kritisieren die Wahl Pekings. Sie sei „ein Schlag ins Gesicht“, sagte Sophie Richardson, die China-Direktorin von Human Rights Watch. „Das olympische Motto 'Höher, schneller, stärker' ist die perfekte Beschreibung für den Angriff der chinesischen Regierung auf die Zivilbevölkerung.“ Für die Tibet Initiative Deutschland habe das IOC „die falsche Botschaft an die falschen Leute zur falschen Zeit gesendet“.

Dennoch hat das IOC dem Versprechen der Pekinger Organisatoren vertraut, „exzellente Spiele“ abliefern zu wollen. Für den fehlenden echten Schnee stünden genügend Wasser und Kunstschneemaschinen bereit, sagten sie. Prompt mussten Pekings Werber auf Twitter Scherze über das Fälschen lesen, was die Chinesen ja besonders gut könnten. Die Winterspiele in Peking 2022 aber, könnten sie nun entgegen, die sind seit Freitag Realität.

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