Kasachstan bewirbt sich um Olympische Winterspiele 2022: Olympia im Geiste Putins
Vom Außenseiter zum Favoriten: Kasachstans Metropole Almaty hat gute Chancen, im Winter 2022 Olympia auszutragen. Doch mit der alten Sowjetrepublik Kasachstan hätte das IOC wieder eine Menschenrechtsdebatte.
Bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi eröffnete das kasachische Komitee ein nicht zu klein geratenes Besucherzentrum. Im noblen Foyer warben die Veranstalter mit kulinarischen Köstlichkeiten und folkloristischen Darbietungen für ihr Land. Attraktive Hostessen servierten Kurt, eine Art Snack, im Hintergrund ertönte Volksmusik, an der weiß getünchten Wand im Karomuster prangte ein Schriftzug. „Almaty 2022“, stand da in großen Lettern geschrieben.
Die ehemalige kasachische Hauptstadt hat sich für die Austragung der olympischen Winterspiele im Jahr 2022 beworben. Auch Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), schaute vorbei, schüttelte Hände mit den kasachischen Funktionären und attestierte Almaty gute Chancen bei der Bewerbung. Der kasachische Nachrichtendienst Kazinform zitiert ihn mit den Worten: „Das Team ist sehr gut und sehr stark. Sie sind mit Begeisterung für den Wintersport erfüllt. Und das ist ein weiterer Grund, warum wir glücklich sind, dass Kasachstan einen Antrag auf die Olympischen Winterspiele im Jahr 2022 gestellt hat. Der Erfolg Ihrer Athleten und Sportorganisationen macht diese Bewerbung sehr stark.“
Geld spielt in Kasachstan keine Rolle
Neben Almaty haben noch Oslo und Peking ihre Kandidatur eingereicht. Andere Städte wie München, Krakau oder Lwiw zogen nach ersten Interessensbekundungen wieder zurück. Von den drei verbliebenen Bewerbern gilt Oslo als Favorit, doch die große Unbekannte ist der Rückhalt in der Bevölkerung. Bei durchgeführten Umfragen gab es nur eine hauchdünne Mehrheit für Winterspiele. Zudem hat die norwegische Hauptstadt Probleme, die nötigen Finanzgarantien von der Regierung zu bekommen. Peking werden nur Außenseiterchancen eingeräumt, auch weil die Stadt bereits 2008 die Sommerspiele ausrichten durfte. Der solideste Kandidat ist also plötzlich Almaty.
Die kasachischen Organisatoren werben mit dem Argument, die Infrastruktur stünde bereit, die Kosten könnten mithin klein gehalten werden. Auf rund fünf Milliarden Dollar wurde das Budget veranschlagt. Das ist sicher ziemlich optimistisch kalkuliert, doch verglichen mit den 51 Milliarden US-Dollar, die Russlands Präsident Putin für die Spiele in Sotschi ausgab, noch immer eine geringe Summe. Und selbst wenn: Geld spielt im ölreichen Kasachstan kaum eine Rolle.
Hinter der Bewerbung steht ein Staatsfonds mit schier endlosen Möglichkeiten: Samruk-Kazyna besitzt unter anderem Kasachstans Bahn, Post und Fluglinie sowie die staatliche Öl- und Urangesellschaft. Kasachstans Präsident, der autokratisch regierende Nursultan Nasarbajew, hat in der Steppe die neue Hauptstadt Astana aus dem Boden stampfen lassen. Die Stadt beeindruckt ihre Besucher mit modernen Luxustempeln und futuristisch anmutenden Gebäuden, erbaut aus dem gigantischen Ölreichtum des Landes.
Zweifelhafte Imagepflege
Doch hinter der glitzernden Fassade zeigt sich die hässliche Fratze des Regimes. Nasarbajew regiert das Land mit harter Hand und lässt Demonstrationen brutal niederknüppeln. Bei der Präsidentschaftswahl 2005 wurde sein Gegenkandidat und einstiger Minister Zamanbek Nurkadilow tot aufgefunden. Die Justiz sprach von einem Selbstmord. Für politische Beobachter gibt es jedoch keinen Zweifel daran, dass Nasarbajew seinen Widersacher kaltblütig ermorden ließ.
Der „Wolf von Astana“, wie er genannt wird, hat seit seinem Amtsantritt 1990 ein milliardenschweres Vermögen angehäuft. Die Herrscherclique ist heillos korrupt, wichtige Posten werden mit Familienmitgliedern besetzt. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert Kasachstan auf Platz 140 von 177. Die Frage ist: Soll man die Olympiade erneut an ein Land vergeben, in dem Menschenrechte derart missachtet werden? Auch wenn das IOC betont, die Olympischen Spiele seien politisch neutral, so ist eine Politisierung kaum zu vermeiden. Die alte Sowjetrepublik stünde im Brennpunkt der Öffentlichkeit.
Nasarbajew, der sich neuerdings als „Elbasi“, Haupt des Volkes, anreden lässt, will das Land von den Fesseln der Vergangenheit lösen und ihm ein neues Image verpassen. Vor kurzem schlug er vor, sein Land in „Kasach Eli“, Land der Kasachen, umzubenennen. Man wolle nicht mehr in einen Topf mit den von Gewalt und Terror erschütterten Ländern Afghanistan und Pakistan geworfen werden. Zur Imagepflege gehört offenbar auch, Austragungsort der Olympischen Winterspiele zu werden. Zweimal schon scheiterte die Bewerbung. Diesmal soll es klappen.
„Wir sind ein demokratisches Land“
Die beiden Männer, die diesen Wunsch realisieren sollen, sind Pawel Nowikow, der Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees für Kasachstan, ein beinharter Militär in Uniform, sowie der ehemalige Eiskunstläufer Andrej Krukow, der mit seinem maliziösen Grinsen bisweilen etwas unseriös wirkt. In einem fensterlosen Pressesaal von Sotschi trug Krukow im Februar ein paar Fakten über den Standort Almaty vor. Die Stadt sei das wirtschaftliche Zentrum Kasachstans, von Bergen umgeben und daher ideal für Wintersport geeignet. Die Sätze, die Krukow vom Blatt ablas, klangen in ihrem holprigen Englisch wie sowjetische Staatspropaganda. Der Funktionär betonte, wie tolerant die multiethnische und multireligiöse Bevölkerung mit Minderheiten umgehe und dass alles friedlich sei. Die Demonstration von 200 Studenten in Almaty Tage zuvor, die gegen die Olympiabewerbung protestiert hatten, spielte er herunter.
„Wir sind ein demokratisches Land“, behauptete Krukow, „die Menschen sprechen mit der Regierung und gehen auf die Straßen, das ist normal.“ Dass dieser Dialog des Öfteren mit dem Polizeiknüppel beendet wird, verschwieg er aber. Auch über die Luftverschmutzung in der 1,3-Millionen-Einwohnerstadt Almaty verlor er natürlich kein Wort. Einen Volksentscheid wie in München hält das kasachische Komitee so oder so nicht für nötig, die Bevölkerung stehe außer ein paar Unbelehrbaren geschlossen hinter dem Projekt. Der linientreue Eiskunstläufer Denis Ten, dessen Bronzemedaille-Erfolg in Sotschi mit 75 000 Dollar Prämie vergoldet wurde, trommelt fleißig für die Bewerbung seiner Heimatstadt.
Almaty war bereits Austragungsort der Asiatischen Winterspiele 2011. Die meisten Sportstätten stehen bereit, die Sprungschanzen liegen mitten in der Stadt, die alpinen Rennen würden im Hochgebirge des Tien Shan, einem Ausläufer der Berge von Tibet, stattfinden. Almaty benötigt nur noch eine Bobbahn, ein überdachtes Eisstadion sowie ein Olympisches Dorf. Dass diese Bauwerke in Gigantomanie und Größenwahn enden, ist nicht ausgeschlossen. Gleichwohl muss auch die Staatsführung die Kosten im Blick behalten.
Gute Aussichten bei der IOC-Vergabe
Die Lage der Banken in Kasachstan ist desolat, die Landeswährung befindet sich nach wiederholten Abwertungen durch die Notenbank im Sturzflug. Immer wieder musste die Regierung Gelder aus dem Nationalen Erdölfonds anzapfen, um die Währung und Wirtschaft zu stabilisieren.
Als Kostentreiber könnte sich auch die grassierende Korruption im Land erweisen. Laut Tengri News soll Aidar Musin, Organisator der Asiatischen Winterspiele 2011, beim Bau einer Skisprungschanze drei Millionen US-Dollar veruntreut haben. Diese Art von Wirtschaftsverständnis ist gewiss kein Hindernis für die Vergabe der Olympischen Spiele. Doch die Korruption könnte sich selbst als Stolperstein für das Regime erweisen.
Die Entscheidung über die Vergabe fällt das IOC in genau einem Jahr, am 31. Juli 2015. Nicht auszuschließen, dass die Spiele nach Almaty gehen.
Adrian Lobe