1. FC Union beim Blindenfußball: Ohne Sinn, mit Verband
Im Rahmen der Kampagne "Wir wollen die Spiele" treten drei Profis des 1. FC Union Berlin ohne sehendes Auge vor den Ball. Gespielt wird mit fünf Spielern der Blindenmannschaft des FC Viktoria 89
Der Ball rollt und rasselt, ziemlich laut sogar, denn sehen kann ihn keiner. Auch nicht die drei Spieler des 1. FC Union, die für ein außergewöhnliches Experiment nach Tempelhof gekommen sind. Torwart Mohamed Amsif, Mittelfeldspieler Michael Parensen und Verteidiger Björn Kopplin versuchen sich im – Blindenfußball! Im Rahmen der Kampagne „Wir wollen die Spiele“ treten die Profis ohne sehendes Auge vor den Ball. Gespielt wird mit fünf Spielern der Blindenmannschaft des FC Viktoria 89. Doch bevor der Kick beginnt, müssen die drei das Laufen und Dribbeln noch einmal neu lernen, nämlich mit verbundenen Augen.
Trainer Moritz Klotz verteilt Augenmasken, damit die Spieler tatsächlich nichts erkennen. Die Unioner bekommen ein erstes Gefühl dafür, wie es ist, ohne Sehsinn über den Platz zu rennen. Danach bringt Trainer Klotz den Ball mit der Rassel ins Spiel. Der Ball muss stets zwischen den Füßen tänzeln, denn wenn er nicht mehr rollt, ist er nur schwer wiederzufinden.
Blindes Dribbeln und Laufen klappt bei den Unionern ganz gut, auch dank ihrer technischen Versiertheit. Weiter geht es mit dem Strafstoß. Er wird beim Blindenfußball aus sechs Metern abgegeben. Als Erste versuchen sich Parensen und Kopplin. Der Ball wird mit einer Hand leicht festgehalten. Hinter dem Tor klopft der Trainer gegen den rechten, dann gegen den linken Pfosten, danach gibt er ein Zeichen aus der Mitte des Tores. Das muss dem Sechsmeterschützen als Orientierung genügen. Es folgt ein erster Schuss. „Gar nicht so schlecht“, sagt Klotz, aber es darf schon noch ein bisschen präziser sein. Der Torhüter, der einzig sehende Mitspieler auf dem Platz, hat keine Probleme, den Ball abzuwehren.
Die gelernten Blindenfußballer sind deutlich überlegen, schneller und ballsicherer
Nach einigen Anläufen klappen aber auch die Strafstöße. Das Spiel kann beginnen. Gespielt wird in gemischten Mannschaften, vier gegen vier. Die Regeln des Blindenfußballs gleichen denen des Futsals. Nur das Spielfeld wird von Banden begrenzt. Wichtig sind die Kommandos durch Trainer und Torguide. Außerdem sind die Spieler angehalten, „voi!“ zu rufen, sobald sich Gegenspieler und Ball nähern. Das dient der Orientierung und beugt Zusammenstößen vor.
Die Umsetzung fällt den Unionern schwer. Ein flüssiges Spiel kommt kaum zustande. Die gelernten Blindenfußballer sind deutlich überlegen, schneller und ballsicherer. Seit 2007 bietet Viktoria Blindenfußball an. Die Abteilung zählt zehn Mitglieder, fünf von ihnen stehen regelmäßig auf dem Platz. In dieser Saison besteht zudem eine Kooperation mit Eintracht Braunschweig. Zusammen spielt die Kombination sogar in der Bundesliga.
„Das war schon eine tolle Erfahrung“, sagt Michael Parensen. „Du hast kaum ein Gefühl für Räume und weißt nicht, wo Gegner und Mitspieler stehen.“ Besonders beeindruckt sind die Profis von der Schnelligkeit der Blindenfußballer. „Das Einschätzen der Entfernungen ist mir überhaupt nicht gelungen“, sagt Kopplin. „Man fühlt sich richtig hilflos.“ Den Ball zu treffen ist schwierig genug, und dann sind da noch die Anweisungen, mit denen die Profis ihre Probleme haben. Torhüter Amsif formuliert es selbstironisch: „Eine Rechts-Links-Schwäche ist nicht unbedingt von Vorteil.“
Anna Ullrich