Berliner Sechstagerennen: Ohne Livemusik und Legenden
In einer Woche startet im Velodrom das 104. Berliner Sechstagerennen. Die Veranstaltung hat mit vielen Problemen zu kämpfen, ihre Zukunft ist ungewiss.
Die Erleichterung ist Reiner Schnorfeil anzumerken: „Jens, ich freu mich, dass du da bist“, unterbricht sich der Geschäftsführer der Berliner Sixdays GmbH selbst, als der ehemalige Radrennfahrer Jens Voigt etwas verspätet doch noch zur Pressekonferenz erscheint. Schnorfeil ist gerade dabei, aufzuzählen, welche prominenten Fahrer beim 104. Berliner Sechstagerennen nicht teilnehmen werden: Im vergangenen Jahr hatten schon die Publikumslieblinge Franco Marvulli und Robert Bartko ihre Karrieren beendet. Zuletzt fiel noch Sprinter Robert Förstemann wegen eines Bandscheibenvorfalls aus. Als nun Jens Voigt durch den Saal eilt, applaudieren einige der anwesenden Journalisten, Sponsoren und Mitarbeiter im Publikum.
Doch wenn in einer Woche der Regierende Bürgermeister Michael Müller den Startschuss gibt, wird Voigt fehlen: Eigentlich wollte er sich im Velodrom vom aktiven Radsport verabschieden, doch das hat er nun schon im vergangenen Sommer getan. Nach seinem letzten Auftritt im Sommer 2014 in der Schweiz sei „einfach Schicht im Schacht“ gewesen, sagt Voigt. „Ich war einfach ausgebrannt. Wenn ich in Berlin schon starte, dann will ich auch konkurrenzfähig sein und nicht mit 50 Runden Rückstand hinterherfahren.“
Die Vorzeichen für die 104. Auflage des Berliner Traditionsrennen könnten besser sein. Nach dem Aus für die Livemusik im Velodrom wegen zu hoher Gema-Gebühren musste das Programm umgebaut werden. Mit neuen Laser- und Pyroshows soll das abgefangen werden, und weil dem Traditionsrennen allmählich die Stars ausgehen, wird in Zukunft auf den Nachwuchs gesetzt. So wurde das U-23-Nachwuchsrennen ins Hauptprogramm genommen. Auch, um die Lücken, die Frank Zander und Co. hinterlassen haben, zu füllen. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt Schnorfeil und versucht zu lachen. Aber so recht gelingt es ihm nicht.
Tradition mit Zukunft lautet das Motto des Berliner Sechstagerennens. Doch das mit der Zukunft ist so eine Sache. Seitdem das Sechstagerennen 1997 im Velodrom wiederbelebt worden ist, haben sich die Bedingungen grundlegend verändert. „Damals haben wir noch keine fünf Großklubs und keine O2-Arena gehabt“, sagt Schnorfeil, „dieses Alleinstellungsmerkmal haben wir nicht mehr. Aber welche Daseinsberechtigung hätte denn das Velodrom noch ohne Sechstagerennen?“ Andere Sportveranstaltungen wie das Istaf im Olympiastadion oder der Beachvolleyball-Grand-Slam würden vom Land Berlin unterstützt. „Warum wir nicht?“, fragt er. „Wir müssen alles über Sponsoren finanzieren.“ Er wolle nicht herumjammern, sondern das als ernsten Hilferuf verstanden wissen.
Ein Erfolg ist zumindest, dass das Berliner Sechstagerennen in die Kategorie 1 des Radsportweltverbandes UCI aufgenommen wurde, sodass die Fahrer nun auch um Weltranglistenpunkte kämpfen.
Bis 2017 stehen die Termine mit dem UIV, dem Internationalen Radrennbahn-Verband, fest. Die weitere Zukunft entscheidet sich in den kommenden Monaten. Bis Mitte dieses Jahres kann Schnorfeil die Option ziehen, das Berliner Sechstagerennen bis 2022 zu verlängern. Nächste Woche beginnt erst einmal der Kampf um die Gegenwart. Reiner Schnorfeil sagt: „Wir müssen diese Talfahrt überstehen. Das Schlimmste wäre für mich, diese Veranstaltung hier irgendwann absagen zu müssen.“
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