Anti-Doping-Gesetz: Oberstaatsanwalt Frank: "Es gibt ein Kartell des Schweigens"
Oberstaatsanwalt Christoph Frank soll Doping-Sündern auf die Spur kommen. Im Interview verrät er, worauf es ankommt und wo die größten Probleme liegen.
Herr Frank, seit der Einführung des Anti-Doping-Gesetzes vor einem Jahr sind in Baden-Württemberg 14 Verfahren gegen Spitzensportler eingeleitet worden, eine Anklage ist noch nicht erhoben worden. Klingt bisher noch nicht nach dem großen Wurf?
Die Umsetzung des Gesetzes braucht Anlaufzeit. Seit ihrer Errichtung im April 2012 hat die Schwerpunktstaatsanwaltschaft jährlich ca. 500 Verfahren wegen Dopingverstößen geführt und zahlreiche Verurteilungen, auch zu langjährigen Haftstrafen, erreicht. Das im Dezember in Kraft getretene Antidopinggesetz sieht mit dem Verbot des Selbstdopings und des Verbots des Besitzes auch kleiner Mengen von Dopingmitteln neue Straftatbestände für Spitzensportler vor. Dies erfordert auch neue Ermittlungskonzepte, die sicherstellen, dass die Staatsanwaltschaft auch aus dem Bereich des Sport selbst alle erforderlichen Informationen erhält.
Die von der Politik geweckten hohen Erwartungen können nur erfüllt werden, wenn die Ermittlungsbehörden mit Spezialisten in ausreichender Zahl ausgestattet werden.
Können Sie das näher erläutern?
Nur in München und Freiburg gibt es auf Dopingverfahren spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Das Modell hat sich bewährt und soll wohl für andere Bundesländer übernommen werden. Wir ermitteln in einem für uns oft unbekannten Umfeld der Sportler, nehmen eine wichtige Beraterfunktion in der Justiz und für die Ermittlungsbehörden wahr und sehen es als unsere Aufgabe an, die im Antidopinggesetz erweiterten Möglichkeiten des Informationsaustauschs, etwa mit der Nada und den Sportverbänden, aktiv zu nutzen. Für all dies brauchen wir ausreichendes und qualifiziertes Personal.
Zumal der Sport bislang nicht mit Ihnen kooperiert.
Da stehen wir noch am Anfang. Die Staatsanwaltschaft hat eine besondere Aufgabe im Gesamtkonzept des Antidopingkampfes. Wir benötigen die Informationen aus dem Inneren des Sports. Da wir bislang aus den Verbänden selbst Anzeigen nicht erhalten haben, gehen wir auf die Sportverbände mit ihren Dopingbeauftragten aktiv zu, um die Rolle der Strafverfolgung deutlich zu machen, zu erklären, dass Strafverfolgung strikt nach rechtsstaatlichen Regeln, die den Sportlern alle Schutzrechte eines Beschuldigten sichern, erfolgt. Es sollte im ureigenen Interesse des organisierten Sports liegen, die Integrität des Sports durch Anzeigenerstattungen und Aufklärungshilfe zu schützen. Ich bin sicher, dass die große Mehrheit auch der Spitzen- und Berufssportler diese Haltung als wichtiges Signal begrüßen würde.
Sie bekommen also keine Hinweise aus den Sportverbänden, wie sieht es mit Whistleblowern aus?
Die NADA hat ein System entwickelt, das anonymen Hinweisgebern die Möglichkeit eröffnet, vertraulich Informationen zu Dopingverstößen zu geben. Die Nada gibt die Hinweise an die Staatsanwaltschaften weiter, wenn der Verdacht strafbaren Verhaltens besteht. Den Ermittlungsbehörden werden auch direkt Gerüchte zum Dopingverhalten von Sportlern zugetragen. Ein Ermittlungsverfahren können wir jedoch nur einleiten, wenn durch die Mitteilung konkreter zureichender Anhaltspunkte der Anfangsverdacht einer Straftat besteht. Nach elf Monaten kann man sagen, dass wir mit einer größeren Zahl solcher Hinweise gerechnet hätten.
Warum bekommen Sie, abgesehen von der "Verweigerungshaltung" der Sportverbände, so wenig Hinweise?
Das hat bestimmt etwas mit der Scheu, andere Sportler zu belasten, aber auch mit der Unwissenheit über die Aufgaben der Staatsanwaltschaft zu tun. Wir kriminalisieren nicht Sportler, sondern verfolgen - wie in anderen Bereichen auch - bereits begangene Straftaten. Und es gibt, das haben unsere früheren Ermittlungen im Radsport gezeigt, ein Kartell des Schweigens in besonders dopingbelasteten Sportarten.
Sportorganisationen wie der DOSB fürchten zudem, dass Schadenersatzansprüche durch das Anti-Doping-Gesetz auf den Sport zukommen könnten.
Die Nada bietet den Verbänden ein professionelles Ergebnismanagement an, das Sicherheit gegenüber solchen Forderungen bietet. Solange Dopingvergehen zugleich von der Sportgerichtsbarkeit und der staatlichen Justiz verfolgt werden, kann es immer wieder zu divergierenden Entscheidungen kommen. Während bei Ermittlungen nach der Strafprozessordnung die Unschuldsvermutung gilt und der beschuldigte Sportler ein Schweigerecht hat, treffen ihn im Sportrecht Mitwirkungspflichten, bei deren Verletzung Sperren verhängt werden können. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nur möglich, wenn ein Gericht die volle Überzeugung von der Schuld des Sportlers gewonnen hat. In der Sportgerichtsbarkeit reichen auch abgestufte Überzeugungen aus. Ein staatliches Gericht wird, wenn letzte Zweifel, etwa im Bereich der Analytik, bestehen, den Athleten nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ freisprechen. Es wird spannend sein, wie dies durch die Rechtsprechung aufgelöst wird.
Wie groß ist der Ermittlungsdruck angesichts der Tatsache, dass die Nada einen Sportler sieben Tage nach einer positiven A-Probe informiert.
Im Fall positiver Dopingproben durch die Nada sind wir auf schnelle Information angewiesen, um innerhalb dieses engen Zeitfensters alle gebotenen Ermittlungsmaßnahmen durchführen zu können. Regelmäßig werden richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse zu erwirken und schnellstmöglich Zeugenbefragungen durchzuführen sein. Meist entscheidet sich in dieser Phase, ob die Ermittlungen später erfolgreich abgeschlossen werden können.
Angesichts all der Probleme, glauben Sie, dass das Anti-Doping-Gesetz nachhaltig etwas bewirken kann?
Ich bin überzeugt, dass sich das Konzept, die Strategien der Verfolgung von Doping strafrechtlich zu erweitern, bewähren wird. Aber ich sage auch: Das Strafrecht ist nicht das Allheilmittel, um das Dopingproblem als gesellschaftliches Problem und Problem des autonomen Sports zu lösen. Das Antidopinggesetz wird auf manche abschreckend wirken, kann aber eine möglichst früh einsetzende Präventionsarbeit bei Kindern und Jugendlichen und deren Betreuern nicht ersetzen.
Christoph Frank ist Oberstaatsanwalt und Leiter der Schwerpunktabteilung Dopingkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Freiburg.