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Tadaaaaaa! Der Weltranglistenerste Novak Djokovic präsentiert den Pokal. Er ist nicht nur Familienvater geworden, sondern hat auch innere Ruhe gefunden. Foto: Imago
© imago/Colorsport

Mit Coach Boris Becker: Novak Djokovic ist raus aus der Krise

Novak Djokovic gewinnt zum dritten Mal Wimbledon und zieht mit seinem Coach Boris Becker gleich - weil die mentale Widerstandskraft des Serben enorm gewachsen ist.

Er liegt nur etwa fünf Fußwegminuten vom All England Club entfernt, der Buddhapadipa Temple. Und der buddhistische Tempel hatte in den vergangenen drei Wochen einen prominenten Gast, der die Stätte einige Male besuchte, um zu meditieren. Novak Djokovic ist eigentlich Christ, doch der Serbe sagt, „dass wir ja alle zu demselben Gott beten“. Und er wolle auch gar nicht Buddhist werden, doch er nutzt nun schon seit einiger Zeit den Tempel als eine Rückzugsstätte, um Kräfte und Konzentration zu sammeln. Die Stunden in der Stille des Tempels hatte er zuletzt dringend gebraucht, musste der Weltranglistenerste doch einen Tiefschlag verkraften. Das verlorene Finale der French Open in Paris schmerzte Djokovic sehr, nie zuvor war die Fallhöhe für ihn größer gewesen. Wann würde er wieder aufstehen?

Gestern, nur vier Wochen später, tat er es und hielt auf dem Centre Court von Wimbledon den goldenen Challenge Cup in Händen. An jenem Ort, der für viele das Mekka des Tennissports ist, hatte Djokovic ein wenig die buddhistische Lehre adaptiert, die die Überwindung des Leidens durch Einsicht anstrebt. Für ihn war die Leidenszeit vorbei. Djokovic hatte aller Welt bewiesen, dass seine mentale Widerstandskraft inzwischen seine größte Stärke geworden ist.

„Im Tennis muss man sich sehr schnell erholen“, sagte der 28-Jährige aus Belgrad, „innerhalb weniger Wochen musst du dich wieder motivieren und sammeln, um dann wieder auf dem höchsten Level beim nächsten Grand Slam zu spielen.“ Djokovic hatte das geschafft, seinen Titel verteidigt und ihn zum dritten Mal in Wimbledon gewonnen. So hat er nun gleichgezogen mit seinem Trainer Boris Becker, der vor 30 Jahren zum ersten Mal auf dem heiligen Rasen triumphierte. „Boris war auch in den schweren Zeiten für mich da“, fügte Djokovic hinzu, „er hat mich unterstützt und aufgebaut, wie das ganze Team. Wir haben einen echten Zusammenhalt.“

Der war auch nötig nach der härtesten Krise, die Becker mit seinem Schützling bisher durchleben musste. Djokovic sagte, sein Herz sei gebrochen gewesen. „Paris musste Novak erst einmal richtig abhaken“, erklärte Becker, „kein Tennis, nur bei der Familie sein und sich erholen.“ Dass die Rasensaison in diesem Jahr um eine Woche verlängert wurde, spielte da keine Rolle. Djokovic verzichtete erneut auf die Vorbereitungsturniere. „Novak war einfach noch nicht bereit für Rasen“, erklärte Becker weiter. Erst in der Woche vor Wimbledon absolvierten sie die ersten Trainingseinheiten auf den Plätzen des All England Clubs und redeten viel. „Die Erwartungen waren enorm“, sagte Djokovic, „von mir selbst, von meinem Team, von anderen. Und dann die vielen Fragen, das hat auch Energie gekostet.“

Es hatte viele Störfeuer im Turnierverlauf gegeben, in fast jeder Pressekonferenz stand Djokovic unter Beschuss. Mal musste er sich für den verbalen Patzer Beckers rechtfertigen, der leichtfertig zugab, seinem Schützling während der Matches eigentlich untersagte Zeichen zu geben. Dann hielt man Djokovic nach einem Wutausbruch auf dem Platz in unmittelbarer Nähe eines Ballmädchens für einen Kinderschreck. „Ich bin eben sehr emotional, und leider drücke ich das manchmal auf negative Art aus.“

Leicht hatte es Djokovic sicher nicht gehabt in Wimbledon. Auch nicht mit den Zuschauern, die im Finale wieder geschlossen hinter Roger Federer standen. Doch auch das handhabte Djokovic souverän, genauso wie den dramatischen Tiebreak im zweiten Satz, als er sechs Satzbälle nicht nutzen konnte. „Ich wusste, dass ich gegen Roger jeden Punkt verdienen muss, wenn ich die Trophäe will“, meinte der Serbe, „er verliert das Match nicht, ich muss es gewinnen.“ Während Federer bereits im Halbfinale gegen Andy Murray das Optimum gezeigt hatte und nun ein paar Prozent nachließ, spielte Djokovic erst im Endspiel in Bestform – gegen den besten Rasenspieler, gegen das Publikum, gegen die eigenen Dämonen. Djokovic blendete alles aus, wandelte die Widerstände in innere Stärke um. Das konnte sein Trainer einst auch ziemlich gut. Jetzt ist Becker der ruhende Pol auf der Tribüne, und er strahlt über seinen Schützling. Fast wie Buddha.

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