Paralympics in Pyeongchang: Nord- und Südkorea: Unter Nachbarn
Wie die Paralympischen Winterspiele in Pyeongchang Nord- und Südkorea einander näher bringen.
Keine Interviews, keine Fotos. Die Nordkoreaner müssen sich aufs Anfeuern konzentrieren. Da hat man keine Zeit. Nicht für irgendwen und erst recht nicht für Journalisten. „Sie wollen nicht“, sagt ein Aufpasser. „Nach dem Wettkampf“, sagt ein anderer, während beide versuchen jeden, der nicht zur Delegation gehört, abzuschirmen. Fragt man über die Köpfe der Bewacher hinweg, antwortet eine Frau, etwas zögerlich und in schlechtem Englisch: Sie sei zum ersten Mal in Südkorea und ja, sie sei auch sehr aufgeregt. Dann ist wirklich genug. „Enough! Enough! Later!“ Später, nach dem Spiel werden sie sofort weg sein. Aber allein, dass sie da waren, war schon Zeichen genug.
Die 22-köpfige nordkoreanische Delegation ist an diesem sonnigen Wintertag in das Alpensia Zentrum in Pyeongchang gekommen, um ihre zwei Athleten bei den Paralympics anzufeuern. Kim Jong- hyon, 17 Jahre, Langlauf 1,1 Kilometer Sprint sitzend, und Ma Yu-chol, 27, gleicher Wettkampf, gleiche Gruppe. In der Geschichte der Paralympischen Winterspiele sind sie die ersten, die für das Land antreten. Chancen auf Medaillen haben sie nicht. Aber eigentlich ist das auch nicht wichtig.
Wie bei Olympia stehen die Zeichen der Paralympics auf Politik.„Alles beginnt mit einem Traum“, hatte Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees bei der Eröffnungsfeier gesagt. Die Spiele, so heißt es, könnten Gesellschaften öffnen und den inklusiven Gedanken im Gastgeberland vorantreiben. Doch dieses Mal sollen sie mehr als das sein. Als Friedensspiele sollen sie Grenzen überwinden und Nord- und Südkorea einander näher bringen. Während die Olympischen Spiele vor allem durch Präsenz und Inszenierungen für Neuigkeiten sorgten, ist hier Platz für Begegnungen. „Man kann mit weniger protokollarischen Zwängen leichter Gesprächskanäle öffnen“, sagt etwa Stefan Samse, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul.
Er traf während der Spiele Vertreter der Behindertensportverbände aus Nord- und Südkorea und glaubt, dass beide Seiten einer weiteren vorsichtigen Annäherung im Sport offen gegenüber stünden. Vielleicht, so seine Idee, sei ein gemeinsames Treffen mit Sportlern und Delegierten in Deutschland möglich. Schon im deutschen Ost-West-Konflikt habe es immer wieder zivilgesellschaftliche Kommunikationskanäle gegeben – und gebraucht. Sportdiplomatie, davon ist er überzeugt, könne enorme Auswirkungen haben. Eine Annäherung wäre nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch auf individueller Ebene für Nordkoreaner mit Behinderung von großer Bedeutung.
Keine falschen Fragen
Während Nordkoreas Athleten in Pyeongchang als Helden gefeiert werden, gelten Menschen mit Behinderung bei Präsident Kim Jong-un als Beleidigung für das Regime, werden Berichten zufolge aus der Gesellschaft ausgeschlossen und gefoltert. Gesprochen wird darüber nicht. Keine falschen Fragen, bloß keine falschen Antworten.
„Die Nordkoreaner haben die Lage der Menschen mit Behinderung kaum auf dem Schirm. Dabei gehört das zu den Menschenrechten“, sagt Kwak Haegon, Generalsekretär des Sportverband für Menschen mit Behinderung in Seoul. Seit längerem versucht er über chinesische Kontakte mit Verantwortlichen im Norden in direkten Kontakt zu treten. Ohne Erfolg. Jetzt hofft er auch auf die Hilfe von deutscher Seite. „Wir wollen Nordkorea überzeugen, sich zu öffnen. Wir sind bereit, unsere Erfahrungen zu teilen und sie zu unterstützen“, sagt er. Sein Ziel: Ein Austauschprogramm zwischen Sportlern beider Hauptstädte. Ein Projekt, das er nach den Paralympics angehen will. Im Sinne der sportliche Inklusion und im Sinne der Wiedervereinigung.
Im Alpensia Zentrum hat sich neben dem Block der nordkoreanischen Delegation ein Meer aus blau-weißen Fähnchen gebildet, auf denen das vereinte Land zu sehen ist. Die südkoreanischen „Inter Korean Supporters“ sind da, um beide koreanische Teams anzufeuern, haben Liedtexte und eine Choreographie mitgebracht. Perfekte Inszenierung für den Traum der Wiedervereinigung. „Alle Leute, Schwestern und Brüder, es ist toll euch zu treffen“, singen sie. „Der Tag der Wiedervereinigung ist nicht fern.“
Mitten unter ihnen: Choi Moon-soon, der Bürgermeister von Pyeongchang. „Es ist wichtig, dass wir nicht gegeneinander kämpfen. Die Politiker müssen einen Kompromiss bei den Nuklearwaffen finden. Dann gibt es keinen Grund getrennt zu bleiben“, sagt er und wedelt wild mit dem Fähnchen. Er hoffe, dass der Geist von Pyeongchang noch lange erhalten bleibe. Aber wie er schon sagte: Neben all den Träumen, ist da eben auch noch die große Politik.