Fußball-Bundesliga: Niedersachsen-Derby: Nicht schön, aber kurios
Der VfL Wolfsburg und Hannover 96 trennen sich 1:1. Martin Harnik trifft mit einem "Eier-Tor" und Mario Gomez verletzt sich beim Torschuss.
Auch mehrere Stunden nach Spielende war die korrekte Vokabel noch nicht gefunden. Von einem Eier-Tor wurde abfällig gesprochen. Oder voller Ehrfurcht von einem Treffer in Gerd-Müller-Manier. Und ein echter Kullerball war natürlich auch gesehen worden. Was Martin Harnik in dieser 75. Minute mit dem Rücken zum Tor vollbracht hatte, war in jedem Fall die Szene des Tages mit hohem Stammtisch-Unterhaltungswert. Sein Treffer zum 1:1 (0:0)-Endstand hatte Hannover 96 im Niedersachsen-Derby der Fußball-Bundesliga einen Punkt beschert. Harnik mogelte den Ball mit der Hacke durch die Beine von zwei Gegenspielern des VfL Wolfsburg. Ihm war der Höhepunkt einer Partie mit mehr Kuriosem als Vorzeigbarem gelungen.
Die Hoheit über die Schlagzeilen gehörte unter dem Strich nicht dem vermeintlichen Favoriten aus Wolfsburg. Es ist dieser freche Aufsteiger aus Hannover, der gar nicht wie ein potenzieller Absteiger spielt und alle Kritiker eines Besseren belehrt. „Es ist schwer, sich gegen uns Torchancen zu erspielen. Unser Saisonstart ist sehr passabel“, sagte 96-Cheftrainer André Breitenreiter nach einer hart umkämpften Partie. Wolfsburg war vor 27.312 Zuschauern kurz nach der Halbzeit durch einen Freistoß von Daniel Didavi in Führung gegangen. Aber statt des ersten Heimsieges in dieser Saison für den VfL gab es einen frechen Gast zu bestaunen, der nach drei Spieltagen immer noch ungeschlagen ist. „Wir können in dieser Liga mithalten. Aber wir wollen jetzt nicht ausflippen“, sagte Hannovers Sportdirektor Horst Heldt zur Beruhigung der Lage. Sein diebisches Grinsen verdeutlichte, wie groß die Genugtuung auf Seiten eines Vereins ist, der vor der Saison vielfach zum allerersten Kandidaten auf den Abstieg gekürt worden war.
„Ein Spieler ist verantwortlich für seine Hose“
Unter all die Merkwürdigkeiten einer spielerisch eher mittelmäßigen Partie hatte sich neben Harniks Tor viel Sonderbares gemogelt. Auf Wolfsburger Seite galt es zu beklagen, dass sich Torjäger Mario Gomez in der 40. Minute auf dem Weg zu einem möglichen Treffer selbst ein Bein gestellt und dabei verletzt hatte. Der Nationalspieler verließ das Stadion mit Hilfe von Unterarmstützen und musste als Symbol für ein Team des Gastgebers herhalten, das in der neuen Saison noch nach Halt und Balance sucht.
Auch wenn Neuzugänge wie der Belgier Divock Origi und der Brasilianer William ihre Klasse andeuten konnten: Am Ende überwogen die Ausrutscher auf Wolfsburger Seite. Dem Missgeschick von Gomez folgte auf der Auswechselbank des VfL die Peinlichkeit, dass Nany Landry Dimata erst einmal zwei Minuten lang eine Hose suchen musste, mit der er das Spielfeld als Einwechselspieler betreten durfte. „Ein Spieler ist verantwortlich für seine Hose“, sagte Wolfsburgs Sportdirektor Olaf Rebbe. Gelacht hat er bei diesem lustig klingenden Satz nicht.
Dass eine Mannschaft wie Hannover 96 trotz einer defensiven Transferstrategie weit oben in der Tabelle steht, mutet auf den ersten Blick merkwürdig an. Tatsächlich ist es Heldt und Breitenreiter gelungen, eine eingespielte Mannschaft mit relativ wenig Geld effektiv zu verstärken. Das geniale Tor von Harnik hatte der schnelle Ihlas Bebou vorbereitet, der von Zweitligist Fortuna Düsseldorf nach Hannover kam. Er gehört zu jenen Spielern mit Perspektive, von denen viele Manager träumen und die vor allem auch der VfL Wolfsburg gerne unter Vertrag haben möchte.
Mit Felix Uduokhai von 1860 München hat auch der VfL ein hoffnungsvolles Talent verpflichtet. Der 19 Jahre alte Neuzugang hatte ein starkes Spiel gemacht und war doch am Ende sehr unglücklich. Denn vor dem Ausgleich für Hannover hatte Uduokhai darauf verzichtet, den Ball im eigenen Strafraum einfach mit Gewalt aus der Gefahrenzone zu befördern. Das Spielgerät landete stattdessen auf Umwegen bei Harnik, und der Rest der Geschichte ist bekannt. Hannovers Torjäger gilt als äußerst abgezockt und routiniert. Dass sein Treffer mehr nach Tipp-Kick rückwärts als Profifußball vorwärts aussah, störte ihn nicht.