Festgespielt bei Hertha: Nico Schulz und die Gelassenheit der Jugend
Bis zum vergangenen Samstag hatte Nico Schulz noch nie ein Tor im Profifußball erzielt, gegen Bochum gelang ihm nun endlich die Premiere. Doch nicht nur deshalb ist der Mittelfeldspieler inzwischen eine feste Größe bei Hertha.
Berlin - Kurz nach der Pause erlebte Nico Schulz einen erstaunlichen Moment der Muße. Der Mittelfeldspieler von Hertha BSC lief allein auf das Bochumer Tor zu, und weil die Verteidiger des VfL einen höflichen Abstand einhielten, konnte er sich in aller Ruhe einen Überblick über die Situation verschaffen. Neben ihm war kein Spieler im blau-weißen Trikot mehr zu sehen. „Dann muss ich ihn alleine machen“, dachte Schulz. Es war – seltsamerweise – ein Gedanke, der bei ihm keinerlei Versagensängste oder ähnliche Regungen auslöste. Bis zum vergangenen Samstag hatte Schulz noch nie ein Tor im Profifußball erzielt, trotzdem löste er die Situation mit großer innerer Ruhe. Sein Treffer zum 2:0 unmittelbar nach Beginn der zweiten Halbzeit war die frühe Entscheidung in einem einseitigen Zweitligaspiel.
Toreschießen gehört nicht unbedingt zur Kernkompetenz des Mittelfeldspielers, der schon mit 17 Jahren in Herthas Profimannschaft debütiert hat – als linker Außenverteidiger. Doch dass Schulz gegen die Bochumer traf, ist ein Indiz für die aktuelle Verfassung, in der er sich befindet. „Er ist richtig gut, er ist richtig stark und ein fantastischer Tempodribbler“, sagte Jos Luhukay, der Trainer des Berliner Zweitligisten, über den jungen Mann, der Ostermontag seinen 20. Geburtstag gefeiert hat. Das Tor hatte Schulz tief im Mittelfeld selbst eingeleitet. Einem Doppelpass mit Ronny ließ er einen Doppelpass mit Peer Kluge folgen, ehe er sein Solo mit einem Linksschuss zum 2:0-Endstand abschloss.
Schulz ist ein Spieler, wie Luhukay ihn mag. Schon zu Saisonbeginn hatte sich der Holländer lobend über den Jungen aus dem eigenen Nachwuchs ausgelassen: „Er hat eine große Dynamik, einen großen Willen.“ Am Samstag nun stand Schulz zum fünften Mal hintereinander in der Startelf. Es sieht so aus, als hätte sich der Linksfuß im offensiven Mittelfeld festgespielt, nachdem Luhukay im Laufe der Spielzeit auf dieser Position einige Varianten ausprobiert hatte.
Sechs verschiedene Spieler sind im Laufe der Saison links in der offensiven Dreierreihe zum Einsatz gekommen, darunter auch durchaus prominente Namen wie der israelische Nationalspieler Ben Sahar oder Änis Ben-Hatira. Für eine dauerhafte Anstellung konnte sich keiner von ihnen empfehlen. Bis Nico Schulz kam. Der Junioren-Nationalspieler bringt einiges für diese Rolle mit: Er ist schnell, ballsicher und hat eine gute Technik. Luhukay hatte Schulz schon in der Hinrunde auf einem guten Weg gesehen, doch dann verletzte er sich im November am Sprunggelenk und fiel insgesamt drei Monate aus.
„Du kriegst Selbstbewusstsein, wirst sicherer und verstehst dich immer besser mit deinen Nebenleuten“, sagt Schulz über seine aktuelle Entwicklung. Die Gewöhnung an die neue Rolle ist weitgehend abgeschlossen; theoretisch wäre er auch ein Kandidat für die Position links in der Viererabwehrkette, die zurzeit vom 35 Jahre alten Lewan Kobiaschwili besetzt wird. Weiter vorne kommt Nico Schulz jedoch besser zur Geltung. Nicht nur, weil er in der Defensive noch einige Schwächen hat. Sondern vor allem, weil seine Stärken deutlich in der Offensive liegen. Den letzten noch fehlenden Beweis hat er am Samstag erbracht, kurz nach der Pause.
Stefan Hermanns