Der neue Formel-1-Champion: Nico Rosberg, Weltmeister der Akribie
Die Anerkennung musste er sich hart erarbeiten. Doch selbst der nörgelnde Formel-1-Chef findet, dass Nico Rosberg ein würdiger Weltmeister ist. Ein Porträt.
Jetzt hat er es also tatsächlich geschafft: Nico Rosberg ist der dritte deutsche Weltmeister in der Geschichte der Formel 1, nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel. Und von den dreien derjenige, der es am schwersten hat, unter den Formel-1-Fans, aber auch in der breiten Öffentlichkeit die verdiente Anerkennung zu bekommen. Der Mann ohne Ecken und Kanten, der Angepasste, der Brave, der, dem seine Herkunft alle Tore öffnete, dem deshalb auch auf der Strecke der letzte Biss fehle – all das musste er sich jahrelang immer wieder anhören, gerade auch im Vergleich mit seinem Mercedes-Stallrivalen Lewis Hamilton.
Sicher, sein Karrierestart war einfacher als der des Briten, auch die Verbindungen seines Vaters Keke, 1982 selbst Weltmeister, halfen natürlich. Aber das machte es andererseits viel schwieriger, Respekt für die eigene Leistung zu bekommen. Vielleicht ist es gerade die unterschiedliche Herkunft, die dafür sorgt, dass Hamilton heute die absolute Selbstdarstellung braucht, die Dauerpräsenz in den sozialen Medien, die große Glitzerwelt auch außerhalb der Formel 1. Weil er etwas kompensieren muss, was bei Rosberg von Anfang an an immer da und selbstverständlich war: ein gesichertes Umfeld, das ihm sein Vater Keke und seine deutsche Mutter Sina boten, eine gewisse gesellschaftliche Anerkennung, das Wissen, dazuzugehören.
So braucht er jetzt eben die ständige Präsentation in der großen Öffentlichkeit nicht. Obwohl er sich in ihr bestens präsentieren kann, fließend in fünf Sprachen. Allerdings nicht auf Finnisch, die Muttersprache seines Vaters hat er nie gelernt. Aber seine Familie mit Frau Vivian und der einjährigen Tochter Alaia ist ihm viel wichtiger. So verbringen die Rosbergs ihre Zeit am liebsten eher zurückgezogen, entweder in Monaco oder vor allem im Sommer oft auf Ibiza, wo auch Keke Rosberg immer noch teilweise lebt und Vivian eine Eisdiele besitzt.
Dieser im Vergleich zu Hamilton wenig actionreiche Lebensstil ist es auch, der Bernie Ecclestone zum wiederholten Mal zu der Aussage verleitete, ein Weltmeister Rosberg würde der Formel 1 nichts bringen. Fairerweise stellte der Formel-1-Geschäftsführer zumindest fest, dass Rosberg den Titel rein sportlich gesehen schon verdient hätte. Das lässt sich bei objektiver Betrachtung auch nicht abstreiten. Extrem technisch versiert und detailversessen war Rosberg schon vorher.
In dieser Saison hat der 31-Jährige vor allem dort noch einmal zugelegt, wo er bisher ein bisschen hinter Hamilton herhinkte. 2016 zeigte er mehr Entschlossenheit, mehr Zweikampfhärte und auch mehr Selbstsicherheit als früher. Selbst eine starke Phase seines Kontrahenten und der Verlust der WM-Führung im Sommer brachten ihn nicht aus dem Konzept. Den reinen Speed von Hamilton wird Rosberg wahrscheinlich nie erreichen, zumindest nicht auf Dauer. Aber um heute Formel-1-Weltmeiser zu werden, braucht es eben mehr als nur Geschwindigkeit und eine kompromisslose Fahrweise.
Mit der gleichen Akribie wie rund ums Auto arbeitet er übrigens auch in andern Bereichen. Sein Trainer Daniel Schlösser, der seit acht Jahren mit ihm zusammenarbeitet und ihn nicht nur als seinen Chef, sondern „gleichzeitig auch als einen richtigen Freund“ sieht, weiß: „Nico ist ein Mensch, der vieles hinterfragt und alles verstehen möchte. Es ist selten so, dass ich etwas vorgebe und er es dann macht.“ Rosberg habe sich so sehr mit dem Thema Triathlon und Trainingswissenschaft beschäftigt, „dass er fast mehr Ahnung davon hat als ich“.
Schlösser weiß auch, dass Rosberg sehr wohl Ecken und Kanten hat. Doch er versucht sie hinter einem Schutzschild zu verbergen, um nicht unnötig Energie an Nebenschauplätzen zu verlieren. Selbst im Kampf gegen Hamilton vermied er bewusst eine Eskalation. Das Verhältnis der beiden Rivalen, die in Monaco im gleichen Apartmentblock zu Hause sind, war trotz des harten WM-Kampfs selten offen feindselig – zum Missfallen Ecclestones, der aus Vermarktungszwecken mehr Animositäten bevorzugt hätte. Aber Rosberg war klug genug, die Kämpferqualitäten Hamiltons nicht noch zusätzlich zu befeuern. So hielt er das Verhältnis „normalerweise neutral“, wie er selbst immer betonte.
Rosberg spricht davon, dass der Respekt zwischen den beiden Streithähnen immer da gewesen sei. „Das hat auch mit unserer gemeinsamen Vergangenheit zu tun. Irgendwie habe ich das Gefühl, schon mein ganzes Rennsportleben gegen ihn zu kämpfen.“ Schon im Kart traten Rosberg und Hamilton gegeneinander an. „Ich erinnere mich, dass wir im Jahr 2000 mal gemeinsam im Urlaub waren und zusammen in einem Restaurant saßen und träumten: Stell dir vor wenn wir mal beide im besten Team der Formel 1 fahren und um den WM-Titel kämpfen. Und jetzt ist genau das passiert.“ Diesmal – nach zwei vergeblichen Versuchen – mit dem besseren Ende für Nico Rosberg.