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Ein neuer Missbrauchsskandal erschüttert die Turner-Szene.
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Aktuelle Fälle und die Studie "Safe Sport": Neuer Skandal in den USA: Hunderte Athleten meldeten sexuellen Missbrauch

Ein Missbrauchsskandal erschüttert die amerikanische Turnszene. Auch in Deutschland wurden und werden sexuelle Übergriffe im Sport angezeigt.

Es ist erst wenige Wochen her, als ein ehemaliger englischer Profifußballer Missbrauchsvorwürfe öffentlich machte, die sich zu einem immer größer werdenden Skandal ausweiteten. Nun könnte auf das US-amerikanische Turnen Ähnliches zukommen. Laut einem Bericht der US-Zeitung "Indianapolis Star" haben in den vergangenen 20 Jahren insgesamt mindestens 368 junge Athleten sexuellen Missbrauch durch ihre Trainer, die Inhaber von Sportzentren oder andere Verantwortliche in den Stätten gemeldet. Die Zeitung stützte sich bei ihren Behauptungen auf eine neunmonatige Recherche.

Das Thema sexualisierte Gewalt im Sport ist aktueller denn je, nachdem vor wenigen Wochen der ehemalige englische Fußballprofi Andy Woodward Missbrauchsvorwürfe öffentlich geäußert hat. Woodward beschuldigte seinen früheren Jugendtrainer Barry Benell, ihn in den achtziger Jahren mehrfach vergewaltigt zu haben.

Benell sitzt inzwischen in der Untersuchungshaft. Hunderte von Betroffenen haben sich in Großbritannien seitdem bei den Behörden und dem Kinderschutzbund gemeldet, darunter der frühere Nationalspieler Matthew Le Tissier. Die britische Polizei teilte am vergangenen Freitag mit, dass sie nach mehr als 600 eingegangenen Hinweisen gegen insgesamt 83 Verdächtige ermittle, sie sprach von rund 350 potenziellen Opfern. Fast 60 Klubs sollen in den Skandal verwickelt sein. Betroffene sollen als Kinder und Jugendliche meist in den achtziger und neunziger Jahren von Trainern, Betreuern oder Scouts auch großer Klubs sexuell missbraucht worden sein.

Matthew Le Tissier 1994
Matthew Le Tissier 1994
© imago sportfotodienst

Sehr hohe Dunkelziffer

Auch in Deutschland wurden und werden immer wieder sexuelle Übergriffe im Kontext des Sportvereins angezeigt. Das wahre Ausmaß von sexuellem Missbrauch lässt sich aufgrund der sehr hohen Dunkelziffer schlecht erkennen. Die Dunkelziffer ist bei den an Kindern begangenen Missbrauchshandlungen besonders hoch. Schätzungen zufolge sind etwa acht- bis zehnmal mehr Kinder betroffen, als bekannt wird.

Die deutschen Sportverbände, vor allem die Deutsche Sportjugend und die Landessportbünde mit ihren Sportjugenden, leisten seit mehr als sechs Jahren konkrete Präventionsmaßnahmen. Die Landessportbünde sind dabei auch in der Bearbeitung von Vorfällen und Verdachtsfällen im Sport aktiv. Seit 2010 wurden sie in mehr als 200 Fällen sexualisierter Gewalt kontaktiert, bei gut einem Drittel der Interventionen wurden auch die Strafverfolgungsbehörden eingebunden. Dennoch herrscht eine große Diskrepanz in der Sensibilisierung für das Thema. Vor allem die rund 90 000 Sportvereine gehen die Problematik nur zögerlich an.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) und des Universitätsklinikums Ulm haben nun mit ihrem Forschungsprojekt „Safe Sport“ erstmals für Deutschland Daten zu sexualisierter Gewalt im organisierten Sport vorgelegt, und zwar sowohl für die Häufigkeiten und Formen von sexualisierten Gewalterfahrungen bei Sportlerinnen und Sportlern als auch für den Umsetzungsstand von Präventions- und Interventionsmaßnahmen im organisierten Sport. Befragt wurden 1800 Kadersportlerinnen und -sportler und 13 000 Vereine.

Die DSHS leitet zudem das von der Europäischen Union geförderte VOICE-Projekt, an dem sich Universitäten aus sieben weiteren Ländern beteiligen. Darin können Betroffene von sexualisierter Gewalt über ihre Gewalterfahrungen in vertraulicher Form berichten. In Deutschland wird das Projekt unterstützt von der Deutschen Sportjugend, als Dachverband der Jugendorganisationen im Sport, und dem Deutschen Kinderschutzbund. (mei)

www.voicesfortruthanddignity.eu

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