Skandale im American Football: Nach Ray Rice und Adrian Peterson steht die NFL selbst unter Anklage
Football, häusliche Gewalt und Kindesmisshandlung: Die National Football League und Roger Goodell sind in Bedrängnis. Am vergangenen Spieltag wurden sogar Flugzeuge gechartert, um die Liga und ihren Chef anzugehen.
Roger Goodell verzichtete am Sonntag darauf, ins Stadion zu gehen. Eigentlich hatte der Chef der National Football League (NFL) vor langer Zeit angekündigt, das erste Heimspiel der San Francisco 49ers in ihrem neuen Stadion zu besuchen, den öffentlichen Auftritt wollte er sich dann wohl lieber ersparen. Am Fernseher wird der 55-Jährige aber mit Sicherheit die Spiele seiner Liga verfolgt haben – und die Proteste gegen seine Person. Viele Zuschauer hatten Plakate mitgebracht, auf denen sie den NFL-Commissioner kritisierten. Und über mehreren Stadien kreisten von einer Frauenrechtsorganisation gecharterte Flugzeuge, die Spruchbänder im Schlepptau hinter sich herzogen. Ihre Botschaft: „Goodell must go.“ Goodell muss weg.
Nach Ansicht vieler Beobachter in den USA hat die NFL die schlimmste Woche ihrer Geschichte hinter sich. Dem Skandal um Ray Rice von den Baltimore Ravens, der seine damalige Verlobte und heutige Ehefrau im Februar in einem Casino-Fahrstuhl k. o. geschlagen hatte, folgte die nächste schlechte Nachricht für Goodell. Adrian Peterson, einem der besten Running Backs der Liga, wird Kindesmisshandlung vorgeworfen. Der Profi der Minnesota Vikings hat zugegeben, einen seiner Söhne mit einer Gerte geschlagen zu haben, das Kind musste im Krankenhaus behandelt werden. Peterson wurde zunächst in Polizeigewahrsam genommen und später gegen eine Kaution von 15 000 US-Dollar freigelassen.
Wie die Entschuldigung eines Grundschülers, der Hund habe seine Hausaufgaben gefressen
Roger Goodell wird vorgeworfen, vor allen Dingen im Fall Ray Rice viel zu spät gehandelt zu haben – auch der Vorwurf der Vertuschung steht im Raum. Nicht nur Frauengruppen fordern den Rücktritt des Ligachefs. Goodell hat in seiner achtjährigen Amtszeit schon viele Skandale weggesteckt. Ob es um illegale Hundekämpfe, Kopfverletzungen, Spionage zwischen Teams oder Kopfgelder ging, die Trainer für die Verletzung gegnerischer Spieler aussetzten – stets richteten sich die Vorwürfe gegen Profis oder Klubs. Nun aber steht die Liga selbst unter Anklage. Weil sie womöglich bereits vor Monaten Kenntnisse über den Gewaltausbruch von Rice hatte, den Profi aber zunächst nur für zwei Spiele sperrte und erst auf unbestimmte Zeit suspendierte, als das Video des Angriffs Anfang vergangener Woche im Internet auftauchte. Goodell beteuerte, die NFL habe versucht, an das Überwachungsvideo zu kommen, sei aber gescheitert. Der einflussreiche US-Journalist Bill Simmons nannte diese Erklärung so glaubhaft wie die Entschuldigung eines Grundschülers, der Hund habe seine Hausaufgaben gefressen.
Die unabhängige Untersuchung im Fall Rice erscheint gar nicht so unabhängig
US-Kommentatoren vergleichen Roger Goodell bereits mit dem ehemaligen Präsidenten Richard Nixon und die Rice-Affäre mit dem Watergate-Skandal. Anders als Nixon wird Goodell aber kaum zurücktreten. Die NFL hat zwar eine unabhängige Untersuchung unter der Leitung des ehemaligen FBI-Direktors Robert S. Mueller angekündigt. Wie unabhängig und ernsthaft Mueller allerdings tatsächlich ermitteln wird, bleibt umstritten. Der 70-Jährige arbeitete zuletzt für eine Anwaltskanzlei, die für die NFL einen lukrativen Fernsehdeal aushandelte. Zudem sollen zwei alteingesessene Teambesitzer die Untersuchung überwachen. Die NFL-Teams haben wenig Grund, den für sie wirtschaftlich sehr erfolgreichen Goodell zur Rechenschaft zu ziehen. Jerry Jones, der Besitzer der Dallas Cowboys, sagte am Sonntag: „Ich weiß, dass er die hundertprozentige Unterstützung aller Teameigner hat.“
Außerhalb dieses elitären Zirkels ist Roger Goodell weitaus weniger populär. Nun fühlen sich auch noch die Cheerleader der Buffalo Bills um ihren Lohn betrogen. Die Bills gingen am Sonntag erstmals seit 1967 ohne ihre Cheerleader aufs Feld, weil diese wegen vermeintlicher Ausbeutung vor Gericht ziehen.
Noch so ein Fall für Roger Goodell, der nicht nur bei Frauenrechtlerinnen schlecht ankommen wird.
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