Illegale Müllkippen: Müllskandale überfordern die Brandenburger Gerichte
Die Polizei hat eine Vielzahl von illegalen Müllkippen entdeckt – doch bislang musste sich noch kein Täter für die Machenschaften verantworten.
Trotz zahlreicher Müllskandale in Brandenburg – deutschlandweit Zentrum illegaler Entsorgung – stand bislang kein Tatverdächtiger vor Gericht. Ihnen drohen hohe Haftstrafen bis zu zehn Jahren, aber die Gerichte sind überlastet, angesetzte Prozesstermine werden verschoben.
Im Sommer hatte die für Wirtschaftkriminalität zuständige Schwerpunkt- Staatsanwaltschaft Potsdam Anklage gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für die beiden bislang größten Fälle erhoben. Insgesamt sechs Personen sollen sich vor dem Landgericht Potsdam wegen besonders schwerer Umweltstraftaten verantworten. Es geht um mindestens 400 000 Kubikmeter Müll, der in Altdeponien und ehemaligen Kiesgruben versenkt worden ist. Im Mittelpunkt steht der als „Müllpate“ bekannt gewordene Ex-Polizist Bernd R. aus Belzig (Potsdam-Mittelmark), er ließ laut Staatsanwaltschaft 270 000 Kubikmeter Abfall verschwinden. Dabei sollte seine Entsorgungsfirma ausgediente Deponien und einen Kiestagebau renaturieren.
Im anderen Fall sind der Ex-Chef einer Recyclingfirma aus Jüterbog (Teltow-Fläming), Thomas K., und drei Komplizen angeklagt. Sie sollen 2006 und 2007 rund 130 000 Kubikmeter Haus-, Gewerbe- und Bauabfälle in einer Kiesgrube in Markendorf vergraben haben. Allein für die vorgeschriebene Entsorgung veranschlagte die Staatsanwaltschaft mindestens 90 Millionen Euro.
Ein Sprecher des Landgerichts Potsdam sagte, bislang sei nicht absehbar, wann den sechs Männern der Prozess gemacht wird. „Solche Umweltstrafsachen sind sehr umfangreich, es geht um komplexe Sachverhalte.“ Die Strafkammern des Gerichts seien derzeit mit „vielen Haftsachen befasst. Diese sind vorrangig zu behandeln“. Die wegen Müllverklappung angeklagten Männer seien hingegen auf freiem Fuß. Überhaupt liegt erst in wenigen Fällen eine Anklage vor. „Einige Ermittlungsverfahren“ seien noch nicht abgeschlossen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Die haben große Probleme“, kommentierte ein Ermittler.
Deutlich zeigt das ein Fall aus Marienthal (Oberhavel), im Jahr 2006 einer der ersten aufgedeckten Müllskandale in Brandenburg, in dem im April 2008 erstmals auch Anklage vor einem Landgericht erhoben wurde. Der Präsident des Landesbergbauamtes, Klaus Freytag, hatte dies als „ein wichtiges Signal an die illegale Müllszene“ bezeichnet. Geschehen ist nichts. Die Beschuldigten sollen mindestens 3300 Tonnen Müll – etwa Spritzen aus Krankenhäusern und Altenheimen – in die in einem Landschaftsschutzgebiet gelegene Tongrube Trottheide gekippt haben. Anfang August, mehr als ein Jahr nach Anklage, sollte der Prozess am Landgericht Neuruppin beginnen. „Er musste aber wegen dringender Haftsachen verschoben werden“, erklärte eine Sprecherin. „Im Frühjahr rechnen wir damit, einen Termin zu bekommen.“ Zudem sei der Fall äußerst umfangreich: „Die Akten liegen in mehreren Kisten.“ Am Landgericht Neuruppin soll nun eine sechste Strafkammer eingerichtet werden.
Denn offen sind auch zwei Verfahren gegen Behördenmitarbeiter: Die Anklage der Neuruppiner Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Korruption gegen einen Kontrolleur des Landesbergbauamtes wegen Bestechlichkeit ist seit Februar fertig, ein Prozesstermin nicht in Sicht. Gleiches gilt für die Amtsleiterin des Amtes Wusterwitz (Potsdam-Mittelmark). Sie soll sich 2005 vom „Müllpaten“ R. eine Weihnachtsfeier für ihre Mitarbeiter für mehrere tausend Euro bezahlt haben lassen. Vom Amt hatte R. den Auftrag für die Renaturierung von drei Altdeponien erhalten, dort lud er aber den Müll ab.
Die Ermittler stoßen auf immer neue Fälle, Mitte November etwa im Kiestagebau von Vietznitz (Havelland) auf 112 000 Kubikmeter hochgiftige, mit Schwermetallen belastete Baustellenreste und geschredderte Abfälle aus Hamburg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines „besonders schweren Falls von Umweltkriminalität“ gegen den Tagebaubetreiber, den Geländeinhaber sowie den Chef einer Kiesfirma. Wie in anderen Fällen wird Müll aus anderen Bundesländern in Brandenburg billig auf illegalen Deponien verklappt. Es geht um Millionensummen, die die fachgerechte Entsorgung kosten würde. Ermittler sehen ein Netz aus dubiosen Abbruchfirmen, Müllmaklern, Kiesgrubenbetreibern und bestechlichen Beamten am Werk.
Und die schert es wenig, aufzufliegen. In Bernau fanden Beamte von Landeskriminalamt und Landesumweltamt jetzt auf dem Gelände einer Recyclingfirma unter einem mit Erde abgedeckten Hügel 220 000 Kubikmeter Sortierreste aus einer Schredderanlage für Plastikmüll.
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