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Bitte nicht die Abseitsfrage! Podcast „FRÜF“ widmet sich filigraneren Themen.
© promo

Podcast FRÜF: Mit Frauen über Fußball reden

Weibliche Fans reden im Fußball-Podcast "FRÜF" über ihren Lieblingssport - und kämpfen gegen altbackene Klischees.

Wie ein unaufhaltsames, aber einkalkuliertes Übel schwebt sie über jedem Gespräch, sobald die junge Frau ihrem Gegenüber preisgegeben hat, passionierter Werder-Fan zu sein: die Abseitsfrage. „Irgendwann kommt sie immer“, sagt Julie Göths. „Als Teenie war ich das erste Mal alleine in unserer Ostkurve“, erinnert sich die heute 23-Jährige. Heute verpasst sie kein Spiel, fährt so oft es geht „auswärts“ – auch wenn sie jetzt in Aachen studiert. Außerdem wird sie nicht müde, gegen die gängigen Klischees, die über weibliche Fußballfans existieren, anzureden. Und das tut sie gemeinsam mit anderen fußballbegeisterten Frauen in einem Podcast. „FRÜF“ heißt das Projekt – Frauen reden über Fußball.

Zu zweit haben es Rebecca Görmann und Kristell Gnahm zu Beginn des Jahres gestartet, im März ging die erste Podcastfolge online. Heute besteht das FRÜF-Team bereits aus 27 weiblichen Fußballexpertinnen. Sie alle sind unterschiedliche Typen: Die Sportbegeisterte, die passionierte Stadiongängerin und auch die, die Fußball durch die soziologische Brille betrachten möchte. Sie sind so divers wie die weibliche Fanszene selbst. „Es gibt da alles“, sagt Göths. „Die Frauen, die sich mit Optik und Habitus eher den typisch männlichen Fans anpassen und die, die mit High-Heels ins Stadion gehen.“

Selbstverständlich sind Frauen in den Fankurven der deutschen Stadien aber noch lange nicht. Nicht alle Vereine unterstützen aktiv ihre weibliche Fanszene. In Teilen der Gladbacher Fanszene seien Frauen in den ersten Reihen nicht gern gesehen. Die dort führende Ultragruppe nehme grundsätzlich keine Frauen auf, sagt Göths. „Werder leistet sich lieber einen zusätzlichen Twitter-Kanal für die männliche E-Sport Mannschaft als einen für die Frauenmannschaft.“

Und auch deshalb halten sich manche Klischees über weibliche Fußballfans so hartnäckig. „Fußball ist ein Männersport. Mach doch lieber rhythmische Sportgymnastik. Frauen gehen nur wegen der Spieler oder als Begleitung ihres Freundes ins Stadion“ – das höre sie am Häufigsten, sagt Göths. Überraschen tue sie das nicht mehr, aber sie fühle dabei irgendetwas zwischen Wut und Müdigkeit. „Dass wir auch 2019 noch nicht so weit sind, dass Frauen ohne dumme Sprüche zu kassieren ins Stadion gehen können, ist unglaublich. Ich wünsche mir, dass auch Männer sich da einmischen und sagen, dass Vorurteile keinen Platz im Fußball haben.“

Die Macherinnen wollen nicht die Quoten-Feministinnen der Fußball-Podcastwelt sein

Mit jeder Folge setzen sie monatlich einen anderen Schwerpunkt, erzählt Göths. „Wenn wir ein Genderthema haben, wollen wir unsere Hörer für diese Problematik im Fußball sensibilisieren. Viele sind sich nämlich gar nicht darüber im Klaren, was da alles schief läuft. Unsere Hörer sollen wissen, dass sie nicht alleine sind und Diskriminierung nicht ihre Schuld ist. In anderen Folgen wollen wir wieder einfach über den Sport reden, der weiblichen Sicht eine Plattform geben.“

Kurz gesagt: Sie wollen nicht die Quoten-Feministinnen der Fußball-Podcastwelt sein, keine „Sportschau in rosa“ machen. Die Themen sind breit gefächert: Mal geht es um das Phänomen Abstiegskampf, mal um Fußballsozialisation – ein anderes Mal auch um Sexismus und die „Fußball-Lesbe“. Letztere gäbe es nämlich gar nicht. Da sei leider noch viel Aufklärung von Nöten, so Göths. In der Fußballszene habe der Sexismus deutliche Spuren hinterlassen. FRÜF ist ein Fußball-Podcast, der mehr sein will als die übliche Spielanalyse nach Ablauf der 90 Minuten auf dem Rasen. Deshalb geht es genauso um aktuelle Trends, den Sinn der 50+1-Regelung in den deutschen Fußballligen oder die Wirkung von Antirassismus-Kampagnen.

Die Idee zu einem ausschließlich weiblichen Fußball-Forum entstand vor circa einem Jahr. Bislang waren alle Podcasts, die sich mit dem Runden und dem Eckigen auseinandersetzen, eine Männerdomäne. Sicher tauchte mal eine weibliche Stimme darin auf, aber etwas nur von Frauen gab es nicht. Eine Folge von „Rasenfunk“ – einem der bekanntesten Podcasts in der Fanszene, in dem regelmäßig Frauen Gäste sind –, habe sie besonders inspiriert, sagt Göths. „Diese Folge mit zwei weiblichen Gästen hatte eine ganz andere Dynamik“, erinnert sie sich. „Die wollten wir mit FRÜF aufnehmen und ausbauen.“

Entdeckt hat sie ihre Leidenschaft für den Sport in der sechsten Klasse. „Wir haben ganz selbstverständlich im Sportunterricht Fußball gespielt und zwar auf einem Mädchengymnasium. Damals war mir gar nicht bewusst, dass es etwas Besonderes ist, wenn eine Frau sich für Fußball interessiert“, sagt Göths.

Erst als es mit Partys und Dating losging, änderte sich das. „Meine Familie riet mir, nicht beim ersten Date gleich über Fußball zu reden, um die Männer nicht abzuschrecken. Da merkte ich, dass Fußball in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch ein Männerthema ist.“ Um das zu ändern, engagiert sie sich heute in der Kurve, politisch und in der Podcastwelt, die mit FRÜF ein Stück bunter geworden ist.

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