Eine neue Bewegung im Fußball: Mit einem Prozent Gehalt die Welt verändern
Die Bewegung Common Goal gibt dem Fußball eine soziale Note: Spieler wie Juan Mata und Mats Hummels verzichten auf Gehalt, um damit Fußballprojekte auf der ganzen Welt zu fördern.
Im Sommer ist Juan Mata in eine andere Welt des Fußballs gereist, weit weg von England und der Premier League, in der er für Manchester United spielt. Nach Mumbai ist er geflogen, um zu sehen, was Fußball dort jungen Menschen bedeutet. Er hat Kinder getroffen, deren Armut ihn entsetzt hat. Seine Sprachlosigkeit wurde unterbrochen, als ein Ball ins Spiel kam und er sich mit einigen Mädchen und Jungen auf einem staubigen Platz ans Kicken machte. Am Ende hat er neu erfahren, was sein Spiel, das für ihn Beruf ist, bewirken kann. „Beim Fußball erleben die Kinder Momente voller Glück und Lebensfreude“, sagt er.
Für soziale Projekte hat sich Juan Mata immer wieder mal interessiert, aber diese Reise hat ihn bestärkt, eine Brücke zu bauen von seiner Welt, in der die Pokale glitzern so wie die Autos der Spieler, in die andere, in der Fußball nach denselben Regeln gespielt wird und doch etwas ganz anderes heißt. „Fußball gibt den jungen Menschen Erfahrungen fürs Leben“, sagt Juan Mata, „und ihr Leben ist oft sehr schwierig.“
Juan Mata, Welt- und Europameister mit Spanien, Champions-League-Sieger mit Chelsea und aktueller Europa-League-Sieger mit United, ist der erste, der über diese neue Brücke gegangen ist, als Anführer. Und er hat seine Kollegen auf der ganzen Welt aufgerufen, sich ihm und der neuen Bewegung anzuschließen, die den Namen Common Goal trägt und nach einem einfachen Prinzip funktioniert.
Ein Prozent. So viel gibt er von nun an von seinem Gehalt ab, um damit Fußballprojekte auf der ganzen Welt zu fördern. Und wenn ihm weitere folgen, andere Großverdiener und auch viele Spieler aus unteren Ligen, wird eine Menge zusammenkommen. Er habe sich schon oft gefragt, was er der Gesellschaft zurückgeben könne, sagt Juan Mata und wollte schon eine eigene Stiftung gründen. Bis er auf Common Goal kam, das ist „schneller, einfacher und effizienter“.
Common Goal ist nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine Gegenbewegung
Schon in den ersten Tagen im August, nachdem Mata sein Engagement öffentlich machte, gingen jede Menge Nachrichten bei ihm ein. Von Spielern, die er schon kannte und auch von welchen, mit denen er noch nie etwas zu tun hatte. Ein Anruf kam von Mats Hummels. Der ist nun der zweite prominente Profi, der bei Common Goal mitspielt. Auch die Weltmeisterinnen Megan Rapinoe und Alex Morgan aus den USA haben sich angeschlossen. Am Freitag kündigte auch der italienische Nationalspieler Giorgio Chiellini von Juventus Turin seine Teilnahme an, im Laufe der nächsten Woche soll ein weiterer Spieler aus der DFB-Elf folgen.
Der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein, darauf hat etwa Mats Hummels hingewiesen. Common Goal ist nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine Gegenbewegung zum unfassbaren Reichtum des Fußballs, der auch die Akzeptanz des Spiels zu schmälern droht. Hinter dieser jungen Saison liegt der Sommer, in dem Neymar für 222 Millionen Euro von einem Verein zum anderen wechselte.
Da kommt Common Goal gerade recht. Nach Indien ist Juan Mata zusammen mit Jürgen Griesbeck gereist, der hatte sich Common Goal ausgedacht, weil ihm aufgefallen war, dass der Fußball bei aller weltweiten Präsenz und Ausstrahlung keine soziale Vision hat. Griesbeck ist Geschäftsführer von Streetfootballworld, dem Hauptquartier eines weltweiten Netzwerks von Fußballprojekten mit Sitz in Berlin-Moabit. Die Kraft des Fußballs hat Griesbeck zum ersten Mal in den Neunzigern gespürt. Als der kolumbianische Fußballspieler Andreas Escobar nach der WM 1994 wegen eines Eigentors erschossen wurde, begann Griesbeck mit einem Straßenfußballprojekt. Jugendliche aus zum Teil verfeindeten Gangs spielten in Medellin zusammen Fußball, einer der Städte mit der höchsten Rate an Gewaltopfern durch Drogenkriminalität. Ohne Schiedsrichter, denn die Regeln mussten sie selbst aushandeln. Am Rande des Spielfelds hatten sie ihre Waffen abgelegt. In 5000 Spielen kam es zu keinerlei gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Für Griesbeck ist Juan Mata der ideale Botschafter von Common Goal
Mit Fußball mehr erreichen, das ist seitdem Griesbecks Lebensaufgabe und zum Netzwerk von Streetfootballworld gehören inzwischen 125 Organisationen in 80 Ländern, sie erreichen so 1,5 Millionen Jugendliche. Bei ihnen ist es nie damit getan, einfach nur zwei Tore aufzustellen, es geht immer um gesellschaftliche Veränderung. Fußball ist Spaß und Spiel und zugleich Mittel zum Zweck, um einen Beitrag etwa zur Aids-Prävention zu leisten oder zur Müllvermeidung oder zur Bildung oder zur Versöhnung zwischen verfeindeten Gruppen. Die Projekte nutzen einfach die Werte, die der Fußball vermitteln kann: Respekt und Fairness, Teamgeist und Verantwortung.
An dieser Veränderung sollen nun auch Fußballspieler teilhaben. Hundert Gespräche hat Griesbeck bereits geführt. Bis Jahresende will er 20 bis 30 Namen präsentieren und zwei bis drei prominente Trainer. Das Ein-Prozent-Ziel will er allen aus dem Fußball auftragen, doch die Spieler sollen den Anfang machen, „denn die Spieler sind der Kern der Sache“, sagt Griesbeck.
Seit Juan Mata sich zum Anführer der Sache gemacht hat, ist für Common Goal vieles leichter geworden. Die Anfragen treffen nun reihenweise ein. In einer Mail an die Organisatoren stellte sich ein Fußballer höflich vor, gratulierte Juan Mata zu seiner Entscheidung und fragte, ob er das Projekt denn auch unterstützen dürfe – es war Giorgio Chiellini. Für sein Englisch entschuldigte er sich auch noch. Wirklich aus der Reihe fiel nur ein Treffen mit einem Spielerberater. Der zählte ihnen erstmal auf, wie viele Tausende Euro ein paar Minuten seines Spielers wert seien. Wie sie sich denn erdreisten könnten, nun etwas zu fordern. „Es ist frustrierend, dass die Berater manchmal Entscheidungen für die Spieler treffen und man nicht von Mensch zu Mensch reden kann“, sagt Griesbeck.
Jeder Spieler kann sich inhaltlich bei Common Goal einbringen
Mit Juan Mata habe sich dagegen gleich eine persönliche Bindung ergeben. Auf ihn aufmerksam wurde Griesbeck durch ein längeres Interview, in dem Mata von der Blase erzählte, in der Fußballprofis lebten und dass er sich bei so viel Geld sogar eine Gehaltsobergrenze vorstellen könne. Für Griesbeck war das „wie das ideale Vorstellungsgespräch, um Botschafter einer neuen Bewegung zu werden“.
Viele Spieler aus Profiligen engagieren sich schon sozial, haben eigene Stiftungen gegründet. Doch Common Goal ist etwas anderes. „Spannend wird es, wenn die Spieler merken, dass der Fußball selbst etwas verändern kann, also das, was ihnen am meisten am Herzen liegt“, sagt Griesbeck. „Hier können sie etwas in ihrer eigenen Industrie verändern.“
Common Goal ist nicht einfach ein Spendenkonto, auf das Spieler nun einmal im Monat etwas überweisen. Das Projekt ist angelegt wie ein Fonds. Und jeder Spieler kann sich inhaltlich einbringen. „Wir hören erstmal jedem Spieler zu und fragen, was ihm wichtig ist: Ist es Gesundheitsvorsorge in Afrika oder eher Geschlechtergerechtigkeit in Asien?“ Gemeldet haben sich inzwischen auch Spieler aus unteren Ligen, bis in Liga fünf, und selbst wenn ein Prozent eines Fünftligaspielergehalts nicht so viel sei, so könnten sie eben die Beiträge zusammenwerfen um damit auch etwas zu erreichen. Auch Fußball-Organisationen sind auf Common Goal aufmerksam geworden, Spielerberater spenden ein Prozent ihres Umsatzes. Gespräche mit großen Klubs führt Griesbeck, mit privaten Unternehmen und bald mit Uefa und Fifa. Griesbeck denkt nicht in eingeworbenen Summen, er hat eine andere Zahl als Ziel gesetzt: Bis 2030 das Leben von 100 Millionen Jugendlichen verändert zu haben.
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