Marc-André ter Stegen beim FC Barcelona: Mit der Härte eines Hammers gegen seine alte Liebe
Marc-André ter Stegen trifft in der Champions League die alte Liebe Borussia Mönchengladbach – beim FC Barcelona ist der Torwart derzeit im Höhenflug.
In Barcelona heißt es, Marc-André ter Stegen besäße die emotionale Härte eines Hammers. Das ist durchweg positiv gemeint. Der Torhüter gilt trotz seines jungen Alters von 24 Jahren als mental gefestigt und gänzlich resistent gegenüber äußeren Einflüssen. Vor diesem Hintergrund dürfte das heutige Fußballspiel zwischen ter Stegens altem Klub Borussia Mönchengladbach und seinem neuen Arbeitgeber FC Barcelona (20.45 Uhr, live bei Sky) eine echte Herausforderung für den Nationaltorwart werden.
Es ist das erste Mal, dass ter Stegen seit seinem Wechsel 2014 nach Spanien an jenen Ort zurückkehrt, an dem er zuvor sein gesamtes Leben als Fußballer verbracht hatte. Natürlich sei es für ihn ein ganz besonderes Spiel. „Borussia ist meine alte Liebe“, wird ter Stegen auf der Gladbacher Homepage zitiert. Die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit, ter Stegen dürfte ein mehr als herzlicher Empfang durch das Gladbacher Publikum sicher sein.
Wie das so ist, wenn jemand seine alte Liebe trifft, wird auch ter Stegen einiges daran gelegen sein, einen möglichst positiven Eindruck beim Wiedersehen zu machen. Die Chancen dafür stehen gut, der deutsche Nationaltorwart kommt auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner noch jungen Karriere zurück in die alte Heimat. Zum ersten Mal seit seinem Wechsel ist er die klare Nummer eins beim spanischen Spitzenklub.
Ter Stegen, der in den vergangenen zwei Jahren nur sieben Ligaspiele bestritt, dafür aber in der Champions League und im spanischen Pokal regelmäßig zum Einsatz kam, hat sich am Ende durchgesetzt in einem zermürbenden Zweikampf mit dem Chilenen Claudio Bravo, der vor wenigen Wochen entnervt zu Manchester City floh. Als Bravos Wechsel feststand, schickte ihm der Deutsche noch eine persönliche Grußbotschaft hinterher. Ter Stegen bedankte sich für den Zweikampf, der zwar hart „aber jederzeit fair und motivierend gewesen sei“. Aus Bravos Umfeld heißt es, der Chilene hätte eine etwas weniger positive Sichtweise auf die gemeinsame Zeit als Konkurrenten.
Ter Stegen wurde nur in Pokalwettbewerben regelmäßig eingesetzt
Der Überlieferung nach sollen beide Torhüter Anfang August in Begleitung ihrer Manager bei der Vereinsspitze vorstellig geworden sein, um den Status als klare Nummer eins einzufordern. Als Druckmittel kokettierten sowohl ter Stegen als auch Bravo mit einem Angebot von Manchester City, wo der neue Trainer Pep Guardiola dringend nach einem fußballerisch begabten Schlussmann verlangte. Barcelonas Führung entschied sich mit Blick auf die Zukunft, den 33 Jahre alten Bravo ziehen zu lassen und verpflichtete den niederländischen Nationaltorhüter Jasper Cillessen, der aber als klare Nummer zwei hinter ter Stegen vorgesehen ist.
Ter Stegens forscher Auftritt im Sommer hat ihm einiges an Respekt eingebracht im Verein, die in Barcelona erscheinenden Sportzeitschriften ziehen Parallelen zu Vorgänger Victor Valdes, der einst als junger Kerl den Mut hatte, Trainer Louis van Gaal zu drohen. Tatsächlich gibt es zwischen Valdes und ter Stegen etliche Gemeinsamkeiten. Beide galten beziehungsweise gelten als bis zur Verbissenheit ehrgeizig, charakterlich nicht immer einfach zu händeln, sehr selbstbewusst und, für Torhüter des FC Barcelona beinahe wichtiger als gute Reflexe: als sehr gute Fußballer. Mit seinen fußballerischen Fähigkeiten und seiner offensiven Interpretation des Torwartspiels ist ter Stegen die ideale Besetzung beim katalanischen Spitzenklub.
Zu diesem Schluss kam einst auch Barcelonas langjähriger Torwart Andoni Zubizarreta, der ter Stegen oft in Gladbach beobachtete und als damaliger Sportdirektor für Verpflichtung verantwortlich gewesen war. Trainer Luis Enrique bestand jedoch darauf, dem Gladbacher einen erfahrenen Kollegen zur Seite zu stellen. Auch wenn Enrique sich dazu nie äußerte, so hatte er wohl seine Zweifel, dass ter Stegen auf Anhieb die Rolle als Torhüter des FC Barcelona ausfüllen kann. Noch als Spieler hatte Enrique einen anderen begabten deutschen Torhüter mit Gladbacher Hintergrund bei Barça scheitern sehen. Sein Name: Robert Enke.
Vor allem in der vergangenen Saison machte ter Stegen den Eindruck, die Aufgabe in Barcelona könnte zu früh für ihn gekommen sein. Als er zu Saisonbeginn den verletzten Bravo in allen Wettbewerben vertreten durfte, fing er sich gegen Bilbao und Rom jeweils Gegentore aus über 45 Meter ein. Die Zeitungen spotteten, Enrique entschied sich, an der alten Rollenverteilung mit Bravo als Torhüter für die Ligaspiele festzuhalten. Anders als früher Enke ließ sich ter Stegen von Rückschlägen aber nicht aus der Bahn werfen und glaubte fest an sich. Die Fähigkeit, sportliche Krisen zu meistern, ließ ihn mental härten und zu jenem Hammer werden, den heute Abend höchstens der Applaus der Gladbacher Fans für kurze Zeit schwach werden lassen kann.