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Teamplayer. Michael Kohlmann war als Aktiver ein Doppelspezialist. Nun ist seine Fähigkeit zum Zusammenspiel wieder gefragt – im Umgang mit Philipp Kohlschreiber.
© dpa

Neuanfang beim Deutschen Tennisbund: Michael Kohlmann: Der neue Pfleger ist da

Nach den Streitigkeiten mit Philipp Kohlschreiber musste Teamchef Carsten Arriens gehen. Kapitän Michael Kohlmann soll das zerrissene Davis-Cup-Team nun einen – mit Hilfe von Niki Pilic.

Boris Becker hatte keinen Schimmer. Als der Leimener am Rande der Australian Open in Melbourne zur Lage im deutschen Davis-Cup-Team befragt wurde, sagte er zufrieden lächelnd: „Es ist doch alles in schönster Ordnung.“ Dass Kapitän Carsten Arriens zu dieser Zeit kurz vor dem Rauswurf stand, hatte Becker gar nicht mitbekommen. Ebenso wenig, dass er ganz oben auf der Wunschliste des neuen DTB-Vize-Präsidenten Dirk Hordorff als Arriens’ Nachfolger rangierte. Becker winkte in Melbourne sofort ab, den Job wollte er nicht. Als Trainer des Weltranglistenersten Novak Djokovic sei er ausgelastet. Doch obwohl ihm die jüngsten Querelen im Deutschen Tennisbund neu waren, gab Becker die Richtung vor, wie so oft. „Natürlich ist es unmöglich, die Nummer eins nicht im Team zu haben“, betonte der 47-Jährige im Hinblick auf die Personalie Philipp Kohlschreiber, „das ist Fakt, da führt kein Weg dran vorbei. Da kann der Trainer Arriens, Becker oder Lieber Gott heißen.“

Und so hatte es sich auch das neue DTB-Präsidium um Ulrich Klaus zur obersten Priorität gemacht, den unter Arriens verstoßenen Kohlschreiber ins Team zurückzuholen. Damit reduzierte sich jedoch die Kandidatenzahl, die mit dem sperrigen Augsburger keine Altlasten verbindet, auf ein Minimum. Doch mit Michael Kohlmann hat man nun einen neuen Kapitän gefunden, der tatsächlich auf lange Sicht Ruhe in die deutsche Männermannschaft bringen könnte. Als Arriens Ende 2012 das Amt von Patrik Kühnen übernahm (Interview zum Amtsantritt), war Kohlmann Co-Trainer. Nun schlüpft der 41-jährige Hagener in die Chefrolle, und das bereits für die wichtige Erstrundenpartie Anfang März in Frankfurt gegen Frankreich. Was im ersten Moment wie ein Schnellschuss aussieht, ist vielmehr eine kluge, geradezu optimale Entscheidung.

Kohlschreiber hatte bereits den Abgang von Kühnen mitverschuldet, nun folgte Carsten Arriens

Auch die ehemaligen Profis Rainer Schüttler, Alexander Waske und Nicolas Kiefer hatten zwar durchaus Argumente für sich, aber eben auch Interessenskonflikte gegen sich. Und vor allem pflegen sie allesamt kein inniges Verhältnis zu Kohlschreiber. Der als Nummer 22 bestplatzierte Deutsche in der Weltrangliste hatte bereits den Abgang von Kühnen mitverschuldet, nun ging Arriens im Zwist mit ihm als Verlierer vom Platz. Durch die Rückendeckung des DTB-Präsidiums, vor allem des neuen starken Mann Dirk Hordorff, ist Kohlschreiber jetzt wieder obenauf und dürfte seine Bedingungen, die Arriens nicht kampflos hinnehmen wollte, leicht durchsetzen können.

Dass der mittlerweile 30-Jährige immer wieder Sonderrechte verlangte und sich nie wirklich in die Mannschaft integrierte, sorgte seit Jahren auch bei Mitspielern für Unmut. Doch derzeit ist Kohlschreiber ohne die verletzten Tommy Haas und Florian Mayer eine unverzichtbare Option geworden, will man nicht den Abstieg aus der Weltgruppe riskieren. Neben dem auf Platz 39 geführten Benjamin Becker sind die übrigen deutschen Spieler einfach viel zu weit weg von der Weltspitze.

So muss Kohlmann mit Kohlschreiber zurechtkommen, und er wird es auch. Der einstige Doppelspezialist ist nicht nur fachlich kompetent, sondern kommt mit seiner ruhigen, offenen und vor allem humorvollen Art bei den Spielern gut an. Kohlmann versucht zu verbinden und setzt damit die richtigen Zeichen. Dass ihm offenbar sehr kurzfristig der ehemalige Teamchef Niki Pilic als Berater an die Seite gestellt wurde, bedient einerseits die Sehnsucht des Verbandes nach einem großen Namen. Andererseits könnte Pilic mit der Erfahrung diverser Davis-Cup-Siege durchaus eine Hilfe für Kohlmann werden, der den 75-Jährigen schätzt.

Auch Dirk Dier, der bereits als Co-Trainer eine feste Größe im Fed-Cup-Team von Barbara Rittner ist, wird Kohlmann loyal hilfreich sein. Der ehemalige Hochspringer Carlo Thränhardt ergänzt zudem den Trainerstab im Bereich Fitness und Mentales. Auch die Rückkehr von Klaus Eder sorgt für strahlende Gesichter. Dass Arriens den seit Jahren allseits hochgeschätzten Physiotherapeuten aussortierte und durch Oliver Schmidtlein ersetzte, nahmen ihm viele Spieler sehr übel. Sportdirektor Klaus Eberhard vervollständigt die neue Sechser-Konstellation als eine Art Team-Manager. Fachkompetenz und ein Betreuerstab aus Spezialisten – dafür steht laut Hordorff die neu formierte Davis-Cup-Truppe. Ein Neuanfang scheint so möglich. Jetzt muss nur noch Philipp Kohlschreiber mitspielen.

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