Confed-Cup in Russland: Menschenunwürdige Bedingungen für Stadionarbeiter aus Nordkorea
Ein weiterer Schatten auf dem Confed-Cup in Russland: Nordkoreaner arbeiteten unter sklavenähnlichen Bedingungen an dem Stadion in St. Petersburg.
Aus Sicht der Fifa klingt es wie eine revolutionäre Weltneuheit. „Das sind bahnbrechende Veränderungen im Kampf gegen Diskriminierung“, sagt Fifa-Präsident Gianni Infantino. Bei dem am Samstag beginnenden Confed-Cup in Russland wird die Fifa zum ersten Mal ein sogenanntes Drei-Stufen-System anwenden, wenn Spieler während einer Partie von den Fans beleidigt werden, teilte der Weltverband mit. Das gehe von einer Spielunterbrechung durch den Schiedsrichter über eine Stadionansage bis zum Spielabbruch. Zusätzlich beobachten Anti-Diskriminierungsverantwortliche die Fangruppen in den Stadien.
So bahnbrechend diese Änderungen aus Infantinos Sicht sein mögen, bei einem weiteren wichtigen und noch drängenderen Thema setzt sich die Fifa in Russland nicht so öffentlichkeitswirksam ein. Es geht um die menschenunwürdige Situation derjenigen, die die schönen Stadien gebaut haben, in denen künftig keine Diskriminierungen mehr geschehen und vor allem Fifa-Fußball-Feste gefeiert werden sollen.
In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Medienberichte darüber, dass Nordkoreaner unter sklavenähnlichen Bedingungen für Subunternehmen an den WM-Stadien arbeiteten. Sie werden von ihrem Regime ins Ausland entsandt, um Nordkorea Devisen zu bescheren. Die kommunistische Regierung enthält den Arbeitern Teile der ohnehin geringen Löhne vor und verwendet das Geld dann für die „Verteidigung des Landes“, also unter anderem für das Atomwaffenprogramm. Laut Vereinten Nationen nimmt Nordkorea etwa 1,8 Milliarden Euro pro Jahr durch die ins Ausland geschickten Arbeiter ein. Dabei werden nur Nordkoreaner ausgewählt, die in der Heimat verheiratet sind und Kinder haben, damit sie keine Flucht wagen.
Human Rights Watch kritisiert die Fifa
Mehr als 100 Nordkoreaner arbeiteten demnach offenbar für nur neun Euro am Tag an dem Stadion, in dem am Samstag das Eröffnungsspiel des Confed-Cups zwischen Russland und Neuseeland ausgetragen wird: in St. Petersburg. Die englische Zeitung „Observer“ berichtet, seit 2015 seien mindestens zehn Arbeiter bei Unfällen auf der Baustelle gestorben. Außerdem mussten die Nordkoreaner in einem von Stacheldraht abgegrenzten Bereich in überfüllten Containern übernachten. Auf der Stadion-Baustelle in Moskau waren ebenfalls Nordkoreaner tätig.
Deshalb wird auch die Fifa zum Ziel neuer Kritik von Menschenrechtsorganisationen. „Bauarbeiter in WM-Stadien sind Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt, und die Fifa hat noch nicht gezeigt, dass sie diese Probleme effektiv überwachen, verhindern und beheben kann“, sagt Jane Buchanan, Direktorin für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. Die Fifa verurteilte die schlechten Arbeitsbedingungen für Nordkoreaner ebenfalls. Doch Human Rights Watch wirft dem Verband vor, seit Bekanntwerden des Skandals in St. Petersburg habe die Fifa nicht öffentlich erklärt, wie sie diese Arbeiter schützen wolle.
Zudem hätten die Fifa und die russische Regierung zwar spürbare Schritte unternommen, die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen etwa mit vierteljährlichen Inspektionen von einem unabhängigen Institut zu überwachen. Allerdings müssten die Ergebnisse auch dokumentiert werden, fordert Human Rights Watch.
Die prekäre Situation der Bauarbeiter wirft einen weiteren Schatten auf den Confed-Cup. Davor kann auch der Weltmeister Deutschland seine Augen nicht verschließen. Auf Tagesspiegel-Anfrage teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit: „Für den DFB gilt, dass die Rechte von Arbeitnehmern auf WM-Baustellen selbstverständlich in vollem Umfang gewahrt werden müssen. Das gilt insbesondere bezogen auf die Arbeitssicherheit und eine marktgerechte Bezahlung.“ Überdies habe DFB-Präsident Reinhard Grindel als Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees mit dafür gesorgt, dass das Thema der Beschäftigung von Nordkoreanern auf WM-Baustellen Gegenstand einer offiziellen Nachfrage bei der Fifa wurde.
Der Weltverband hat laut DFB inzwischen versichert, dass in Zukunft Generalunternehmer eine schriftliche Erklärung über Art und Umfang der Beschäftigung von Nordkoreanern abgeben müssten. Seitdem hätten die Inspektoren auf den WM-Baustellen auch keine Nordkoreaner mehr ermittelt.
Doch nicht nur Nordkoreaner werden auf den Stadion-Baustellen ausgebeutet. So weist Human Rights Watch in einem Bericht nach, dass Arbeiter aus zentralasiatischen Staaten und Moldau auf sechs WM-Baustellen unter anderem nicht oder verspätet entlohnt würden – oder bei Temperaturen von minus 25 Grad Celsius ohne ausreichende Schutzmaßnahmen arbeiten müssten. „Das Fifa-Versprechen, die Menschenrechte zu einem Herzstück ihrer globalen Operationen zu machen, wurde in Russland auf die Probe gestellt, und die Fifa erfüllt es nicht“, sagt Buchanan.
Die Fifa weist diese Vorwürfe zurück. Obwohl man keine vertraglichen Bindungen mit den Baufirmen habe, unternehme man mehr als jede andere Sportorganisation, um Menschen- und Arbeiterrechte zu schützen, sagt ein Fifa-Sprecher. Allerdings bleibt die Frage, warum der Weltverband bei dieser Problematik nicht so bahnbrechend agiert wie bei dem von Infantino so hoch gelobten Drei-Stufen-System gegen Diskriminierung. (mit dpa)