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Peter Neururer, 58, kommt seit 1987 auf 14 Stationen als Trainer im deutschen Profifußball. Nach Hannover 96 betreut er nun auch den VfL Bochum zum zweiten Mal.
© dpa

VfL-Trainer Peter Neururer: "Mein Gehalt in Bochum interessiert mich nicht"

Peter Neururer sprach im Interview vor dem Spiel gegen den 1. FC Union über seine Rolle beim VfL Bochum und seine gewonnenen Erfahrungen als Trainer im Profifußball.

Herr Neururer, was unterscheidet den Hertha-Trainer Neururer von 1991 vom Bochumer Trainer Neururer 2013?

Der von 2013 hat viel mehr Erfahrung und Gelassenheit. Ansonsten ist er derselbe Trainer geblieben.

Führen Sie Spieler heute anders als vor gut 20 Jahren? Früher waren Sie ja immer für einen lockeren Spruch in Richtung Spieler zu haben?

Da hat sich einiges geändert: Persönlichkeit und Umgangsformen zum Beispiel. Ich begegne dem sowohl mit sehr modernen als auch ganz althergebrachten Methoden. Diese Mischung kommt ganz gut an. Die Spieler sind heute im Vergleich wesentlich mündiger, haben mit Vereinstreue dafür weniger zu tun. Das sind eben selbständige Unternehmer, die sich im Sinne des Fußballs hoffentlich vernünftig auf dem Platz bewegen.

Eigentlich galt Ihre Karriere im Profifußball ja schon als beendet. Dann kamen sie sechs Spieltage vor Ende der vergangenen Saison beim VfL Bochum zu Ihrem Comeback nach vier Jahren Pause. Der Klub stand auf Platz 16. Am Ende schafften sie den Klassenerhalt. Wie kam dieser Erfolg zustande?

Das lag am Gemeinschaftssinn – und zwar an dem sämtlicher Leute, die mit dem VfL noch etwas zu tun hatten. Es kann aber keine Erfolgsstory sein, wenn man in Bochum den Klassenerhalt schafft. Wir haben bloß den Worst Case vermieden. Als Erfolg feiere ich eher, dass dieser Verein plötzlich wachgeküsst wurde.

Können Sie die positive Energie in die neue Saison mitnehmen? So wie vor zwei Jahren Mönchengladbach. Die sind nach der erfolgreichen Relegation gegen Bochum eine Saison später durchgestartet und auf Platz vier der Bundesliga gelandet...

Erste und Zweite Bundesliga kann man nicht miteinander vergleichen. Es wäre auch ein bisschen hochtrabend, da auf energetische Prozesse zu spekulieren. Ich hoffe, dass wir eine Menge von dem Glück mitnehmen können, das wir in der Endphase der vergangenen Saison hatten. Und dann ist da die positive Atmosphäre rund um den Verein. Ansonsten ist das jetzt eine ganz andere Mannschaft mit ganz anderen Voraussetzungen. Fünfzehn Mann sind heute nicht mehr dabei.

Können Sie bei aller Erfahrung überhaupt schon einschätzen, welche Qualität in diesem Kader steckt? Es fällt auf, dass Sie sich zurückhalten, wenn es um konkrete Saisonziele geht.

Ein neuer Kader lässt sich erst dann auf seine Qualität überprüfen, wenn man mit ihm in eine Extremsituation kommt. Trotzdem haben wir uns in der Tendenz durchaus konkret geäußert. Wir wollen zunächst mit dem Abstieg nichts zu tun haben und ein Jahr später wieder um den Aufstieg mitspielen. Jetzt schon vom Aufstieg zu reden, wäre absolut falsch.

Sie waren mit der Vorbereitung nicht unzufrieden, heißt es, oder?

Ich bin absolut zufrieden! Weil es in bestimmten Phasen der Vorbereitung kaum Besseres gibt als auch mal negative Erfahrungen zu sammeln. Da sind immer Ansatzpunkte für Kritik und Hinweise, wie man es besser machen. Wenn ich ständig mit 5:0 durch die Testspiele marschiere, denken doch alle, das läuft von alleine.

Sie wollten die neue Mannschaft um das Talent Leon Goretzka aufbauen, der nun zu Schalke 04 gewechselt ist. Hat das ein Loch in die Planungen gerissen?

Wir sind davon überzeugt, dass wir das kompensieren können. Gerade für das zentrale Mittelfeld haben wir neue Spieler verpflichtet, die wie Christian Tiffert Bundesliga-Erfahrung haben, oder wie Florian Jungwirth schon mit der U19 Europameister geworden sind. Dazu kommen weitere Jungs, die die Zukunft noch vor sich haben. Damit setzt sich eine Linie fort, die der VfL schon seit Jahren praktiziert: Junge Talente aus den eigenen Reihen bekommen ihre Chance. Im aktuellen Kader stehen 14 Jungs, die unsere Nachwuchsmannschaften durchlaufen haben.

Welche Art von Fußball möchten Sie in Bochum spielen lassen?

Wie jeder andere Trainer auch: Offensiv, begeisternd und am Besten auch noch erfolgreich.

"Bochum ist mit Sicherheit eine meiner letzten Stationen"

Sie haben bei Ihrer Rückkehr nach Bochum – sie waren von 2001 bis 2005 schon dort – professionellere Strukturen im Verein angemahnt. Hat sich da etwas bewegt?

Das habe ich nicht getan. Grundsätzlich gilt jedoch, dass man als Verein stets bestrebt sein sollte, sich in allen Bereichen zu verbessern. Christian Hochstätter ist als Sportvorstand dazu gekommen, und Co-Trainer Frank Heinemann ist vom HSV zurückgekehrt, das war für mich eine Grundvoraussetzung. Es hat sich also einiges getan. Ich bin aber nicht derjenige, der in Bochum die Vergangenheit zu beurteilen hat.

Sie haben mehrfach betont, der VfL sei Ihr Verein. Hatten Sie da nicht Nachteile, beim Verhandeln um ein vernünftiges Gehalt?

Das Honorar interessierte mich nicht. Habe ich keine drei Sätze drüber verloren.

Wie stark schätzen Sie den ersten Gegner 1. FC Union ein? Sie sollen vom 3:0 der Köpenicker über Celtic Glasgow ganz beeindruckt gewesen sein.

Halt, halt: Ich war nicht vom Ergebnis beeindruckt, sondern von der Art und Weise, wie die Fußball gespielt haben. Union hat sich immer mehr zu einer Mannschaft entwickelt, der man den Aufstieg zutrauen kann.

Sie kennen Unions Trainer Uwe Neuhaus ja ganz gut, 1987 war er Ihr Spieler...

Uwe war mein Spieler bei Rot-Weiß Essen. Wir pflegen ein gutes Verhältnis.

Obwohl Sie an der Alten Försterei nie gewonnen haben. Eine Art Fluch?

(lacht) Ich habe da nie einen Punkt geholt. Deshalb freue ich mich auf diesen sporthistorischen Moment. Nein, Quatsch: Ob der Neururer da gewinnt, spielt überhaupt keine Rolle. Ich fahr mit dem VfL Bochum hin, und wir wollen da gemeinsam gewinnen. Wenn es nur ein Punkt wird, ist es auch okay. In erster Linie wollen wir guten Fußball spielen. Dazu ist die Mannschaft auch in der Lage.

Der Neururer steht aber oft vorn in der öffentlichen Wahrnehmung. Haben Sie diese Rolle in Bochum zuletzt nicht auch bewusst angenommen, um den Druck von der Mannschaft zu nehmen? Es hat sie ja zum Beispiel niemand gezwungen, für den Fall des Klassenerhalts einen Trainer mit blau-weiß gefärbten Haaren zu versprechen.

In manchen Situationen funktioniert das, ja. Aber gewinnen kann niemals der Neururer, sondern immer nur der Verein oder besser die Mannschaft.

Vor einem Jahr erlitten Sie einen Herzinfarkt, Sie sind jetzt 58 Jahre alt. Könnte Bochum schon eine Ihrer letzten Stationen als Trainer sein?

Das ist mit Sicherheit eine meiner letzten Stationen. Mit 58 hat man zwar noch Pläne und Träume – ich jedenfalls. Aber dass ich noch zehn weitere Vereine betreuen werde, ist unwahrscheinlich. Vor allem, weil ich so lange wie möglich beim VfL Bochum bleiben möchte.

Wo Sie schon mal nachhaltig Erfolg in der Bundesliga hatten, über vier Jahre. Wie kommt es, dass sich bis heute das Image vom Feuerwehrmann hält?

Ach, lassen wir die Schablonen doch wie sie sind. Die werde ich mit 58 Jahren auch nicht mehr ändern. Was irgendwelche Leute denken, die mich persönlich nicht kennen, ist mir jetzt egal. Zum Glück habe ich mir diese Luxusposition irgendwann erarbeitet, wodurch auch immer.

-Das Gespräch führte Bertram Job.

Bertram Job

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