Sicherheits-Experte Helmut Spahn zu Sotschi: „Mehr Personal muss nicht immer gut sein“
Die Olympischen Spiele in Sotschi beginnen mit einer Terrorwarnung aus den USA. Helmut Spahn war für die Sicherheit bei den Fußball-Weltmeisterschaften 2006 und 2011 in Deutschland verantwortlich und spricht über die Situation in Russland.
Erst vor Kurzem hat eine dagestanische Gruppe in Wolgograd ein Bombenattentat verübt. Herr Spahn, wie gefährdet sind die Spiele in Sotschi?
Nach allen Erfahrungen, die wir bei großen Sportveranstaltungen gesammelt haben und was wir aus Russland gehört haben, kann man davon ausgehen, dass die Situation im unmittelbaren Olympiagelände auch angesichts solcher Bedrohungen unter Kontrolle gehalten werden kann. Eine hundertprozentige Sicherheit kann es aber nie geben.
Die Rede ist von 100 000 Polizisten im Einsatz. Ist das angemessen?
Es kursieren auch Zahlen von 50 000 und 70 000. Aber ich finde generell, es ist keine Lösung, einfach nur mit immer mehr Personal reagieren zu wollen. Es ist in Russland vielleicht eine Art Reflexreaktion, bei neuen Szenarien auf immer mehr Personal zu setzen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man reagiert. Das muss nicht immer gut sein.
Kann es nicht sogar ein kontraproduktives Signal sein, wenn Sportler, Zuschauer und Journalisten ständig von gepanzerten Fahrzeugen umgeben sind?
Da haben Sie absolut Recht. Unsere Philosophie ist, dass man flexibel aufgestellt und für alles präpariert sein muss, aber immer noch seiner Aufgabe als Gastgeber einer Sportveranstaltung gerecht werden sollte. Man sollte das Gefühl haben, sich auch frei zu den Sportstätten bewegen zu können. Und es sollte weniger darum gehen, über Sicherheitsmaßnahmen zu reden. Man sollte sie vielmehr im Hintergrund gut vorbereiten und flexibel aufgestellt sein.
Wie groß ist die Gefahr, dass bei Protesten und Demonstrationen so hart eingegriffen wird, dass die Lage eskaliert?
Es gilt eine gute Balance zu finden zwischen dem Recht auf Demonstrationen und den Sicherheitsaspekten. Man hat einen Bannkreis von sieben Meilen um das Olympiagelände gezogen, wo es nicht möglich sein wird, zu demonstrieren. Wenn ich für die Sicherheit der Veranstaltung zuständig sein würde, hätte ich es genauso getan. Man sollte Politik und Sport trennen. Zunächst geht es darum die olympischen Spiele sicher und störungsfrei durchzuführen, gleichzeitig aber auch freie Meinungsäußerung und Demonstrationen zu erlauben.
Was würden Sie Ihren russischen Kollegen noch empfehlen?
Generell ist wichtig, dass man frühzeitig mit den Planungen anfängt und aus den Erfahrungen früherer Spiele lernt. Daran hat es ein wenig gefehlt. Man hatte den Eindruck, dass die russische Seite sich zu sehr auf ihre eigene Expertise verlassen hat.
Angesichts der Bedrohungen muss der Veranstalter auf einen Abbruch der Spiele vorbereitet sein und Maßnahmen zur Vermeidung von Panik in der Schublade haben. Wie ist hier der Stand?
Ich hoffe nicht, dass so etwas passiert. Ich gehe aber davon aus, dass Russland seine Hausaufgaben gemacht und alle Szenarien durchgeplant hat. Bei der WM 2006 haben wir auch durchgespielt, was passiert, wenn die WM abgesagt, ein Spiel abgebrochen, eine Mannschaft entführt oder ein Anschlag ausgeübt wird. So etwas gehört zu einer professionellen Planung und ist absoluter Standard.