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Megan Rapinoe jubelt bei der Fußball-WM in Frankreich.
© Ding Xu/dpa

Nach dem Sieg der US-Fußballerinnen gegen Frankreich: Megan Rapinoe – Actionheldin und Ikone

Seit ihrer Ansage in Richtung Donald Trump steht Megan Rapinoe im Fokus der WM. Beim 2:1-Viertelfinalsieg gegen Frankreich brilliert sie auch sportlich.

Von David Joram

Auf den Rängen hielten die französischen Fans die Marianne empor, die sie so stolz und groß choreografierten, wie es der Nationalfigur eben gebührt. Das Gemälde der barbusigen Marianne mit ausgestrecktem Arm, in der rechten Hand die Tricolore haltend, kennen in Frankreich alle. Es entstand 1830 und ist deshalb schon ein bisschen älter. Weiter unten, auf dem akkurat getrimmten Rasen des Parc des Princes, lieferte eine andere starke Frau wesentlich frischere Bilder.

Jene Frau, eine Fußballerin, versehen mit der Trikotnummer 15, hielt ihren Arm zunächst aber nicht empor. Megan Rapinoe, die US-Spielerin, nahm beide Arme dorthin, wo sie immer bleiben, wenn die Nationalhymne der USA ertönt – hinter ihren Rücken. Es ist ein Zeichen des Protests gegen eine Nation, wie sie dem Präsidenten Donald Trump vorschwebt. Und spätestens seit Freitagabend ist Megan Rapinoes Gesicht mehr denn je das des Protests gegen ihn.

Beide Tore hatte Rapinoe beim 2:1-Sieg der USA in einem hochklassigen WM-Viertelfinale gegen Frankreich erzielt und ihrem Team damit so zielsicher die Richtung ins Halbfinale gegen England vorgegeben wie ein geeichter Kompass. Oft war sie über die linke Seite gestürmt, spiel- und dribbelstark. Sie setzte ihre Mitspielerinnen in Szene, trieb leidenschaftlich an, provozierte Fouls. Wie eine Anführerin eben. Ihr pinker Kurzhaarschnitt passt dazu ganz gut, er lässt Rapinoe ein bisschen wie eine jener Actionheldinnen aus den Marvel-Comics aussehen. Gegen Frankreich spielte sie nicht nur wie eine solche, sie inszenierte sich auch so, erhaben und ikonisch. Wuchtig baute sie ihren Torjubel beim 1:0 auf, in der Ecke posierend, beide Arme so ausgefahren, dass die Marianne wohl neidisch geworden wäre. Mission erfüllt, sollte das wohl bedeuten.

Deutlich später an diesem denkwürdigen Abend, wenige Minuten vor Mitternacht, trug sie auf der Pressekonferenz neben einem dunkelblauen Trainingsanzug und ihrer kurzen weißen Hose, die dicke Grasspuren aufwies, ein breites, zufriedenes Lächeln. Ein Siegerlächeln. Es wurde umso breiter, als sie die ersten Worte sprach. „C’est magnifique, c’est soir“, hauchte Rapinoe der Presseschar in feinstem Französisch entgegen. Ein großartiger Abend also. Ein unglaublicher, voller Energie, wie sie nachschob. „Diese Nacht in Paris werde ich nie vergessen“, sagte Rapinoe. Kurz darauf beendete sie ihre Lobeshymnen auf Fans („amazing“) und Team („fighting group“), verließ das Podium und umarmte beim Abgang noch innig einen Bekannten. Die richtigen Antworten hatte sie ohnehin schon zuvor gegeben, auf und neben dem Platz.

Bereits in der fünften Minute hatte die Rapinoe-Show begonnen. Da schnappte sich die Außenangreiferin den Ball, legte ihn sich für einen Freistoß aus halblinker Position zurecht und holte ein paar Mal tief Luft. Kurz darauf wackelte das Netz, Rapinoe rannte jubelnd zur Eckfahne, ein dickes Knäuel, bestehend aus Teamkolleginnen folgte. 1:0 USA, ein Traumstart. Ein bisschen Glück war natürlich auch dabei, weil die vielen französischen Abwehrbeine vor allem Torhüterin Sarah Bouhaddi irritierten, die dadurch chancenlos war.

„Fucking White House“

Nach etwas über einer Stunde Spielzeit legte Rapinoe nach. Einen perfekten Spielzug über die rechte Seite schloss sie aus wenigen Metern flach ab. Das 2:0 fiel genau in jene Phase, in der die Französinnen dem Ausgleich so nah gekommen waren. Rapinoe schenkte ihrem Team wieder die Souveränität und gönnte sich daraufhin einen weiteren Lauf Richtung Eckfahne. Spätestens in diesem Augenblick war die Geschichte des Abends geschrieben. Megan Rapinoe, die am 5. Juli ihren 34. Geburtstag feiert, hatte geliefert.

Es war dann doch erstaunlich, wie mühelos sie dem Druck standgehalten hatte. Viel war in den Tagen zuvor über sie berichtet worden, über die Trump-Antipodin, die das Weiße Haus als „Fucking White House“ bezeichnet hatte und vorgibt für all jene Werte zu stehen, die der Präsident ihres Landes so häufig schon missachtet hat.

Als der Footballer Colin Kaepernick seinen Protest gegen die Diskriminierung afroamerikanischer Menschen startete, indem er beim Abspielen der Hymne niederkniete statt aufrecht zu stehen, war der Aufschrei in den USA groß. Die Hymne ist immer noch die Hymne, heilige Klänge einer patriotischen Nation. Als erste weiße Profisportlerin schloss sich Rapinoe 2016 dem Protest an. Während ihre Mitspielerinnen eine Hand aufs Herz legen und lieber etwas lauter als zu leise die Stars and Stripes stimmlich ehren, bleibt Rapinoe stumm, ihr Herz unberührt.

Wesentlich leidenschaftlicher tritt sie für die Rechte von Minderheiten und LGBTI ein. Erst wenn deren Rechte gestärkt seien und das Strafrecht in den USA reformiert, wolle sie, Rapinoe, wieder die Hymne mitsingen. Am Dienstag gegen England werden ihre Lippen deshalb wieder starr bleiben. Nur den Torjubel will sie so schön aussehen lassen wie ein Marianne-Gemälde.

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