Schnell auf dem Dorney Lake: Medaillenregen für deutsche Kanuten
Vier deutsche Medaillen bei den Olympischen Spielen: Sebastian Brendel siegte im Einer-Canadier. Der Kajak-Vierer der Frauen gewinnt Silber. Zuvor hatte Max Hoff die Bronzemedaille im Kajak-Einer geholt. Auch der deutsche Zweierkajak mit Martin Hollstein und Andreas Ihle holte eine Medaille.
Der Papa stach noch mal entschlossen das Paddel ins Wasser und zog es mit aller Macht am Bootsrumpf entlang. Denn der Papa hatte aus den Augenwinkeln gesehen, dass da neben ihm irgendwas auftauchte. Das beunruhigte Sebastian Brendel nun doch etwas. Es waren noch 150 Meter bis ins Ziel, und er führte zwar mit einer halben Länge, aber er musste jetzt sichergehen. Er konnte doch Hanna nicht enttäuschen. Brendel dachte auf den letzten Metern eigentlich nur noch an seine zweijährige Tochter, ihr vor allem wollte er doch den Sieg im Canadier-Einer über 1000 Meter widmen. Also unterbrach er mal kurz die Gedanken an Hanna und befahl sich: „Los, ein Schlussspurt, zur Sicherheit.“
Das Boot, das Brendel aus den Augenwinkeln heraus gesehen hatte, gehörte dem Spanier David Cal, aber der glitt fast eine Sekunde später als der Potsdamer Brendel über die imaginäre Ziellinie. Hanna hatte symbolisch ihren Olympiasieg und Papas Verband seine beste Medaille an diesem Tag. Neben Brendels Gold feierte der Deutsche Kanu-Verband (DKV) auch noch das Silber des Kajak-Vierers der Frauen über 500 Meter und die Bronzemedaillen von Max Hoff über 1000 Meter im Kajak und Martin Hollstein/Andreas Ihle im Zweier-Kajak (1000 Meter).
Vier Medaillen in gut einer Stunde, und auch wenn nicht, wie erhofft, zwei goldene dabei waren, ist das eine exzellente Bilanz. Andererseits: Es ist die übliche Bilanz. Die Kanuten veredeln traditionell die deutsche Medaillenbilanz bei Olympischen Spielen. Schon bei den vergangenen drei Olympischen Spielen stellten die Kanuten den erfolgreichsten Einzel-Verband der deutschen Olympiamannschaft. Und wenig spricht dagegen, dass es nun anders sein wird.
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Aber hinter so einer Bilanz steckt gar kein großes Geheimnis, sagte Thomas Konietzko, der DKV-Präsident, als er unter der Sonne am Ufer des Dorney Lake stand. „Wir haben ein strukturiert arbeitendes Team, bekommen wissenschaftliche Unterstützung und haben intern eine harmonische Stimmung. Wenn eine Entscheidung getroffen wird, setzen sie alle um.“ Mehr, sagt der Präsident, ist da nicht.
Das reicht, damit Brendel mit seinem Olympiasieg aus dem langen Schatten von Andreas Dittmer treten kann. Dittmer ist dreimaliger Olympiasieger im Canadier und setzte sich 2008 in einem sportlichen Gerangel um den Olympiastart gegen Brendel durch. Der junge Brendel fühlte sich, nicht ganz fair, ausgebootet. Zu Hause verfolgte er dann zornig, wie Dittmer in Peking sportlich unterging. Brendel hatte lange mit dieser Geschichte zu kämpfen. Und es nervte ihn, dass er sowieso immer an Dittmer gemessen wurde. Dann brach ihm 2011 bei der WM auch noch das Paddel. Der Olympiasieg ist deshalb auch bedeutsam für die Wahrnehmung des Sebastian Brendel. „Ich habe mein Image als Pechvogel abgelegt“, sagte er. Und als der 24-Jährige auf dem Podium stand und die deutsche Nationalhymne hörte, da hatte er „ganz weiche Knie“.
Als Franziska Weber auf dem Podium stand und die ungarische Nationalhymne hörte, hatte sie auch geweint. Wobei sie später erklärte, es seien Freudentränen gewesen. Daran gab’s allerdings Zweifel bei Beobachtern, nicht bloß, weil Katrin Wagner-Augustin die Teamkollegin tröstend in den Arm nahm. Kurz vor dem Ziel war Weber im Kajak-Vierer ein Fehler unterlaufen; sie kam aus dem Rhythmus und das Boot möglicherweise auch deshalb nicht mehr auf Platz eins.
Mit ihrem Schlussspurt konnte der deutsche Vierer die führenden Ungarinnen nicht mehr einholen. Aber schon der Start war schlecht. „Mit einem besseren Start hätten wir gewonnen“, sagte Katrin Wagner-Augustin. Unbestritten ist allerdings, dass dieses Silber einen doch beträchtlichen Schönheitsfleck auf der DKV-Bilanz darstellt. Denn eine Siegesserie ist gerissen: Seit 1996 hatte der Vierer der Frauen bei allen olympischen Spielen die Goldmedaille gewonnen.
Andreas Ihle und Martin Hollstein, die Olympiasieger von 2008, waren nach einem starken Finish nahe dran an Silber. Aber im letzten Moment schoben sich die Portugiesen noch auf Rang zwei. „Wir waren blau im Körper, wir konnten nichts mehr zulegen“, sagte Ihle. Auch Max Hoff ging an seine Grenze. Er wollte Edelmetall, er bekam es. Ganz gemäß des Mottos des Präsidenten: „In jedem Rennen, in dem wir antreten, können wir eine Medaille gewinnen.“