Formel 1: Mark Webber: „Sebastian Vettel und ich telefonieren noch“
Rennfahrer Mark Webber spricht über die Formel 1 heute, das Duell um den WM-Titel zwischen Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg und die eigene Rivalität mit dem Deutschen von früher.
Herr Webber, vor zwei Jahren wechselten Sie von der Formel 1 in die Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC. Was gefällt Ihnen besser?
Das kommt drauf an, auf welche Zeit man schaut. Ich bin zwölf Jahre lang Formel 1 gefahren, und während dieser Zeit hat sich dort viel geändert. Anfangs war alles sehr aggressiv, wir hatten sehr viel Motorleistung, niedriges Gewicht und spezielle Reifen für wirklich maximale Performance. Als ich mit der Formel 1 aufgehört habe, war davon nicht mehr viel übrig. Die Autos waren langsamer und physisch einfacher zu fahren.
Sie sind also froh, nicht mehr dort zu sein?
Ich glaube, ich habe im richtigen Moment das Richtige getan. Jetzt mit Porsche zu fahren, ist perfekt. Porsche ist die beste und bekannteste Sportwagenmarke der Welt. Und im Vergleich zur Formel 1: Wir sind überzeugt, dass wir bei Porsche das beste Hybridsystem der Welt haben. Dazu kommt: Aus den langsamen Kurven haben wir durch den Allradantrieb eine viel bessere Beschleunigung. Die Effizienz des Motors ist unglaublich. Die Autos sind wirklich sexy. Ich bin letztes Jahr Weltmeister geworden und habe tolle Erfahrungen in Le Mans gemacht.
Sie sind trotzdem als TV-Experte für den britischen Sender Channel4 in diesem Jahr wieder sehr dicht an der Formel 1 dran. Ist Ihnen die Rolle jetzt lieber als die des Fahrers?
Ja, schon deshalb, weil ich inzwischen zu alt dazu bin. Und die Konkurrenz wird immer jünger und immer schneller. Außerdem macht mir die Fernseharbeit viel Spaß. Gerade in England ist das Interesse im Moment auch sehr hoch – durch die Erfolge von Lewis und den engen Titelkampf mit Nico Rosberg. Ich liebe den Motorsport, und ich liebe es, darüber zu sprechen, die Zuschauer mitzunehmen, ihnen die Details und Hintergründe zu erklären. Ich höre auch selbst sehr gern zu, wenn zum Beispiel John McEnroe über Tennis spricht.
Verstehen die Fans die heutige Formel 1 überhaupt noch?
Das ist es ja, das ist alles so kompliziert geworden, so viele Regeln, die sich dann auch noch dauernd ändern. Aber im Endeffekt geht es doch um die Fahrer, das ist das, was die Leute interessiert.
Nimmt die Technik zu viel Fokus weg von den Fahrern?
Es ist immer die Frage, wie die Botschaft rübergebracht wird. Vielleicht sind die Medien heute teilweise sogar zu gut. Sie verstehen jedes Detail und erklären es dann auch. Aber vielleicht wollen die Leute zu Hause das gar nicht alles bis ins Kleinste wissen und verstehen. Sondern spannende Rennen sehen. Andererseits muss man klarmachen, wie technisch der Sport ist. Es ist schwierig, da den Mittelweg zu finden. Dieses lange Theater um das lächerliche Funkverbot war auf jeden Fall nicht hilfreich. Man kann nicht Funktechnik aus den Achtzigern mit den heutigen Hightech-Autos kombinieren. Und die Fahrer würden sich mit Sicherheit eine Technik wünschen, die sie viel mehr voll ausfahren lässt und nicht ständig zum Benzinsparen zwingt. Und Reifen, die mehr und längere Attacke zulassen.
Die Formel 1 hat teilweise erhebliche Zuschauerprobleme an den Strecken. In der WEC steigen dagegen die Zuschauerzahlen. Weil die Fans da für viel weniger Geld viel näher herankommen und zum Beispiel auch ins Fahrerlager dürfen?
Sicher ist das toll, wie das bei uns gehandhabt wird. Und es ist ja nichts Neues, dass gerade die Fans an der Strecke Bernie Ecclestone wohl recht wenig interessieren. Ihn interessiert nur das Fernsehen. Aber man muss halt auch sehen, was man den Formel-1-Fahrern noch an zusätzlichen Belastungen wie Fantreffen oder Autogrammstunden zumuten kann. Sie haben einen sehr stressigen Job, 21 Rennen im Jahr, extrem viele Sponsoren- und Medientermine. Die Leute merken, dass die Fahrer derzeit sehr selten am Limit sind. Das sehen sie und das stört sie. Außerdem sind ihnen die Autos immer noch zu leise. Auch wenn das natürlich der Weg der Technik im Serienauto der Zukunft ist. Aber die Formel-1-Autos haben durch all das einiges an Attraktivität verloren, sind nicht mehr so sexy. Und auch die hohen Eintrittspreise spielen natürlich eine Rolle. Viele können es sich nicht mehr leisten, ihre Familie mitzunehmen. Dabei ist das so wichtig, um eine neue Generation an den Sport heranzuführen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich 1987, mit elf Jahren, zum ersten Mal mit meinem Vater in Adelaide war und dort Senna, Prost und Mansell fahren gesehen habe. So etwas prägt sich ein. Damals war das eben noch bezahlbar. Nicht billig, aber machbar für eine normale Familie.
Wenn Sie sich die Rivalität zwischen Hamilton und Rosberg anschauen – ist das genauso wie früher mit Ihnen und Vettel?
Auf jeden Fall ist es ganz normal. Und es ist doch auch perfekt. Wenn es diese extreme Rivalität zwischen zwei Fahrern nicht gäbe, könnte der Teamchef doch auch nicht zufrieden sein. Das ist wie bei einem kleinen Hund, da will man doch auch nicht die, die passiv in der Ecke liegen und sich streicheln lassen. Man will eine gewisse Aggressivität, Fahrer, die kämpfen.
Und wer wird am Ende Weltmeister?
Hamilton!
Wie ist Ihr Verhältnis zu Sebastian Vettel eigentlich heute?
Als wir zusammen in einem Team waren, war der Kampf sehr intensiv. Aber das musste so sein, wir wollten beide das Beste aus uns herausholen. Jetzt haben wir mehr Abstand und ein ganz normales Verhältnis. Wir telefonieren sogar hin und wieder miteinander. Wir respektieren uns.
Wie sehen Sie Vettels Rolle bei Ferrari in dieser Saison?
Das Problem ist das Team – Ferrari ist eine große Enttäuschung. Die Fahrer tun, was sie können, und schützen das Team sehr stark in den Medien, aber innerlich wissen sie, dass das nicht das Level ist, das das Team eigentlich haben müsste. Jede Woche ist irgendetwas, was sie nicht das Maximum herausholen lässt, ob das jetzt Getriebestrafen oder Strategiefehler sind. Das ist für Fahrer frustrierend. Vettel könnte das Team sicher nach vorne bringen, aber er braucht auch die richtigen Leute. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die derzeit haben. Dazu herrscht halt bei Ferrari immer Druck, man erwartet schnell Resultate. Man merkt bei Sebastian manchmal, dass das frustrierend sein kann. Aber seine Erfahrung wird ihm helfen, sich da rauszukämpfen.
Das Gespräch führte Karin Sturm.