zum Hauptinhalt
Die nächste Luft. Marco Reus hatte dem BVB lange gefehlt. Momentan hält er die Mannschaft fast im Alleingang in der Spitzengruppe der Bundesliga.
© Robert Michael/AFP

Borussia Dortmund in der Europa League: Marco Reus will es wissen

Marco Reus ist nach der x-ten schweren Verletzung sofort wieder bester Dortmunder. Heute spielt er mit dem BVB im Achtelfinale der Europa League gegen RB Salzburg.

In Dortmund wissen sie, wer wirklich wichtig ist. Als sich die Borussia jüngst mit Ach und Krach für das Achtelfinale der Europa League qualifizierte, in dem an diesem Donnerstag der FC Red Bull Salzburg als Hinspielgegner im früheren Westfalenstadion zu Gast ist (19 Uhr, live bei Sky), sprach Marcel Schmelzer kaum über sich. Obwohl er das Tor zum Weiterkommen erzielt hatte. Lieber lobte der Kapitän des BVB ausgiebig einen Kollegen, der nur als Joker zum Einsatz kam: „Marco Reus ist unser wichtigster Spieler. Er macht jeden von uns besser.“ Dabei hatte Reus in jenem Spiel bei Atalanta Bergamo nicht einmal getroffen.

Ganz im Gegensatz zur Bundesliga. In vier Ligaspielen seit seinem Comeback nach 259 Tagen Zwangspause traf Reus bereits drei Mal und hält den wankenden BVB zurzeit fast im Alleingang in der Ligaspitze. Gegen Borussia Mönchengladbach hob er mit einem traumhaftem Lupfer-Geschoss die Gesetze der Ballistik außer Kraft. Gegen Augsburg traf er geistesgegenwärtig per Abstauber. Und in Leipzig rettete er das Remis, indem er unnachahmlich Tempo und Coolness verband. „Man ist nicht wahnsinnig intelligent, wenn man sagt: Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, der immer den Unterschied ausmachen kann“, witzelte Trainer Peter Stöger danach.

Reus ist ein Knipser, aber wichtiger: das kreativste Element in einem Team, das auf der Suche ist nach dem früheren offensiven Punch. Dortmunds Nummer elf öffnet Laufwege, zerteilt Räume, gibt dem Gegner unlösbare Denksportaufgaben. Mehr als Mario Götze, obwohl auch der wieder in Form kommt, und mehr als Shinji Kagawa, als dieser noch fit war. Mit seinem Speed und dem Blick für die Mitspieler ist Reus unersetzlich, zumal in der aktuellen Situation. Die Qualifikation für die Champions League, mindestens Rang vier in der Bundesliga, ist für die ambitionierten Westfalen fast ein Muss. Und viel wichtiger als die vage Aussicht auf den Triumph in der Europa League.

Nach der x-ten langen Verletzungspause hat Reus Comeback-Routine erlangt. Auch nach seinem jüngsten Ausfall wegen eines Kreuzbandrisses, erlitten beim Sieg im DFB-Pokalfinale im Mai 2017 gegen Eintracht Frankfurt, ist er wieder sofort zur Stelle. Seine Statistik in Schwarz-Gelb: Trotz aller Rückfälle kommt Reus auf 92 Tore und 61 Vorlagen, seit er 2012 zu seinem Jugendklub zurückgekehrt ist.

Der BVB will den Vertrag mit Reus gern über 2019 hinaus verlängern

Kein Wunder, dass der BVB den Vertrag über 2019 hinaus verlängern will. Der Dortmunder Junge und Vizekapitän soll der zentrale Baustein sein, wenn im Sommer der nächste Umbruch kommt, wohl mit etlichen neuen Spielern und vielleicht sogar mit neuem Trainer. „Marco ist einer von uns. Ich würde ihn sehr gern länger im BVB-Trikot sehen“, sagt Sportdirektor Michael Zorc.

Erste Gespräche soll es gegeben haben. Eine schnelle Einigung ist aber nicht in Sicht. „Es gibt schon international vier, fünf Vereine, die mich reizen“, sagt der 28-Jährige, für den es wohl um den letzten großen Vertrag geht. Hoffnung kann sich Dortmund trotzdem machen, denn viel entscheidender ist, dass sich der heimatverbundene Reus erst ein anderes Karriereziel erfüllen will: die Teilnahme an der WM in Russland. Sein Titeltrauma hat er mit dem Pokalsieg bezwungen, nun soll der Makel weg, mit der Nationalelf noch nichts erreicht zu haben. Den Titelgewinn in Rio 2014 und die EM 2016 hat der Pechvogel verletzt verpasst. Der WM 2018 ordnet Reus fast alles unter.

Nicht zuletzt aus Eigennutz helfen die Dortmunder dabei ihrem letzten Star, den großen Traum zu erfüllen. Auf dass er mageren 29 Länderspielen wichtige Auftritte hinzufüge. „Wir wünschen ihm ein Turnier im Sommer“, sagt Trainer Stöger immer wieder und erinnert mit der behutsamen Sonderbehandlung des verletzungsanfälligen Offensivspielers fast an den Witz der Satire-Webseite „Postillon“: „Kein Risiko. Reus spielt in Luftpolsterfolie.“ Der Spieler entscheidet zurzeit größtenteils selbst, wann und wie lange er jeweils eingesetzt wird.

Seine Chancen auf eine WM-Teilnahme beurteilt Reus selbstbewusst und überraschend deutlich als „sehr gut“. Er stehe seit Monaten in Kontakt mit Joachim Löw. Der Bundestrainer saß zuletzt beim 1:1 des BVB in Leipzig auf der Tribüne und war vermutlich angetan von der Leistung des Dortmunder Comeback-Kids.

Patrick Brandenburg

Zur Startseite