Schwimm-Europameisterschaft: Marco Koch holt beim Brustschwimmen sein erstes Gold
Bei der Weltmeisterschaft in Barcelona war der Marco Koch auf Platz Zwei geschwommen. Dann stellte er seine Ernährung um und holte nun bei der Europameisterschaft in Berlin Gold mit neuem Deutschen Rekord.
Es gibt wenige Menschen, die Brutschwimmen elegant aussehen lassen können. Marco Koch gehört normalerweise dazu. Wo bei der Konkurrenz die Köpfe hektisch auf und ab hüpfen und der Beinschlag unrhythmisch zuckt, schiebt sich der Darmstädter geschmeidig nach vorne, bleibt lange unter Wasser und scheint eher zu gleiten als zu arbeiten. Auf den letzten Metern des Rennens über 200 Meter bei den Schwimm-Europameisterschaften in Berlin allerdings wurde am Donnerstagabend auch aus dem Künstler Marco Koch ein Kämpfer. Immer kürzer und hektischer wurden die Züge des 24-Jährigen, das Publikum im ausverkauften Velodrom brüllte ihn nach vorne. Im Ziel jubelten Anfeuernde und Angefeuerter gleichermaßen: Koch schlug in 2:47,47 Minuten als Sieger an und gewann die erste Goldmedaille für die deutschen Beckenschwimmer bei ihrer Heim-Europameisterschaft.
„Das hat so viel Spaß gemacht. Die Atmosphäre hat mich wirklich getragen auf der letzten Bahn“, sagte Koch. Im Augenblick seines Triumphs schwang sich der sonst eher in sich gekehrte Schwimmer sogar rittlings auf die Bahnbegrenzung und reckte seine Fäuste in die Höhe wie ein siegreicher Schwergewichtsboxer. Fast hätte es zum Abschluss des Donnerstagabends sogar noch eine zweite deutsche Medaille gegeben, aber Nicolas Graesser verfehlte über 50 Meter Rücken die Bronzemedaille um zwei Hundertstelsekunden.
Zweiter hinter Koch wurde der Brite Ross Murdoch vor Giedrius Titenis aus Litauen. Murdoch hatte vor nicht einmal einem Monat bei den Commonwealth Games eine Weltjahresbestzeit aufgestellt und sich auch im EM-Endlauf als Kochs hartnäckigster Konkurrent erwiesen. Wie so viele britische Schwimmer konnte auch Murdoch seine Form bis zur EM konservieren. Mit 15 Medaillen ist das Vereinigte Königreichs nach den ersten vier Wettkampftagen die mit Abstand erfolgreichste Schwimm-Nation im Velodrom. Die deutsche Mannschaft hat bislang vier Medaillen geholt - und musste lange auf ihren ersten ganz großen Glücksmoment warten. Als Koch sich feiern ließ, freute sich Chef-Bundestrainer Henning Lambertz auf der Tribüne fast genauso ausgelassen wie der Goldmedaillengewinner. Bereits im vergangenen Jahr hatte Marco Koch bei der WM in Barcelona die herausragende deutsche Leistung gezeigt: Sein zweiter Platz über 200 Meter Brust bedeutete nicht nur die beste Platzierung für den Deutschen Schwimm-Verband bei der Weltmeisterschaft, sondern auch die einzige deutsche Medaille überhaupt. „Der EM-Titel hier zuhause ist aber auf jeden Fall schöner als der zweite Platz in Barcelona“, sagte er.
Nach Barcelona stellte Koch seine Ernährung um
Seit der WM hat sich bei Marco Koch auch einiges verändert – vor allen Dingen außerhalb des Beckens. „Ich bin offen dafür, neue Sachen zu testen, um noch mehr aus mir rauszuholen“, sagte er. Der 20-malige Deutsche Meister stellte nach der WM bei einem Bluttest fest, dass er von diversen Allergien geplagt wird. „Ich habe daraufhin meine Ernährung umgestellt und ernähre mich jetzt glutenfrei, fast vegan“, erzählte er. Das Ergebnis ist deutlich sichtbar: Im Vergleich zur Weltmeisterschaft vor einem Jahr wirkt Koch schlanker und austrainierter. Er fühlt sich auch besser. „Ich kann härter trainieren und regeneriere schneller“, sagte er. „Ich habe fünf Kilo abgenommen und bin trotzdem stärker geworden.“ Natürlich habe er auch schon mal Lust auf eine Pizza oder einen Burger, „aber wenn man doch mal so etwas isst, merkt man schon: Das ist nicht so geil.“
Nicht nur in Sachen Ernährung geht Marco Koch eigene Wege. Im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Schwimmern trainiert er an keinem Bundesstützpunkt, sondern zuhause in Darmstadt. Seine Mutter kocht viel für ihn, damit er seinen Ernährungsplan einhalten kann, „allein ist das mit dem Trainingspensum ja kaum zu schaffen“. Der Erfolg gibt ihm Recht: Der Brustspezialist schwimmt konstant auf hohem Niveau, geht keinem Wettkampf und keinem Gegner aus dem Weg und tritt auch in Berlin mit großem Selbstbewusstsein auf. Auch im Finale war er von sich überzeugt. „Als ich auf die letzte Bahn gegangen bin und Murdoch nicht direkt neben mir war, war ich mir schon ziemlich sicher, dass es klappt“, sagte er.
Noch mehr als über den Titel freute sich Marco Koch über seine Zeit: Er blieb erstmals in seiner Karriere unter 2:08 Minuten und unterbot seinen fünf Jahre alten Deutschen Rekord. „Das war immer mein Ziel, ich habe nie mit Medaillen gerechnet.“, sagte er. „Als ich angekommen bin, habe ich natürlich gesehen, dass ich Erster bin.“ Und dann auch noch die Zeit – „das war einfach perfekt“.