Berliner Basketballer in den USA: Maodo Lo, der gefragte Kleptomane
In Deutschland kannte ihn fast niemand. In Berlin spielte er bei DBV Charlottenburg und den Central Hoops, in den USA reifte der Basketballer Maodo Lo zum Nationalspieler.
Das Spiel war mehr als eine Stunde vorbei, die Zuschauer hatten die Halle längst verlassen, selbst Teile der provisorischen Tribüne waren schon abgebaut, da wartete Bundestrainer Chris Fleming immer noch vor der Kabine. Dann, endlich, zeigte sich Maodo Lo, der gefragte Mann – allerdings nur um zu verkünden, dass er direkt wieder zurück müsse zur nächsten Teambesprechung. „Mach dein Ding! Wir sehen uns“, sagte Fleming. Und nach einem kumpeligen Handschlag war Lo, die Kapuze über das Cappy gezogen, schon wieder verschwunden.
Vier Wochen ist das her. Chris Fleming, seit November Basketball-Nationaltrainer, ist wieder zurück von seiner Reise, die eine Art Antrittsbesuch darstellte. Der 45-Jährige war in die USA geflogen, um mit den dort beschäftigten Nationalspielern über die bevorstehenden Aufgaben zu sprechen. Erst war er in Dallas bei Dirk Nowitzki, später in Atlanta bei Dennis Schröder. Und dann flog Fleming nach New York, um den 22 Jahre alten Berliner Maodo Lo zu besuchen, der als eine der größten Hoffnungen des deutschen Basketballs gilt.
In der Heimat ist diese Hoffnung noch recht unbekannt. Das liegt vor allem daran, dass Maodo Lo Berlin schon mit 19 verlassen hat. Der Point Guard, der erst beim DBV Charlottenburg und danach bei den Central Hoops spielte, machte sich nach seinem Abitur 2012 in die USA auf. Seit zwei Spielzeiten ist er nun der herausragende Spieler an der Columbia University. „Die Columbia hat mir damals das Gefühl gegeben, dass sie mich wirklich braucht“, erinnert sich der 1,90 Meter große Aufbauspieler an seinen Wechsel. Jetzt besucht er vormittags und abends Vorlesungen in Soziologie und Business, dazwischen sind drei Stunden Training angesetzt. „Da bleibt kaum Zeit für Schubidu“, sagt Lo. „Davon träumen viele.“ Er ist sich seiner privilegierten Lage an einer der besten Unis des Landes bewusst.
Für den Einzug ins landesweite Turnier der besten College-Teams reichte es nicht
In der Saison 2013/14 machte Lo im Schnitt 14,5 Punkte und holte 3,8 Rebounds. In der laufenden Spielzeit konnte er sich in allen Statistiken verbessern. Lo spielt 34 Minuten, liegt bei fast 18 Punkten und fünf Rebounds pro Spiel. Viele gegnerische Teams haben das Hauptziel, Lo auszuschalten. Sie fürchten seinen Zug zum Korb, sein Ballgefühl, seine Schüsse von der Dreierlinie. „In meiner Jugend war ich nur ein mittelmäßiger Schütze. Das hat sich auf dem College verbessert“, sagt Lo, der wegen seiner vielen Steals in einem Spielbericht kürzlich als „kleptomaniac“ bezeichnet wurde. Vor zwei Wochen machte er in einem Spiel 35 Punkte – Karrierebestwert. Für den Einzug ins landesweite Turnier der besten College-Teams reichte es trotzdem nicht, Columbias Saison ist zu Ende.
„Ich bin kein Lautsprecher und werde es wohl nie werden. Ich rede lieber dann, wenn Worte wichtig sind“, sagt Lo. Er interessiert sich auch für Kunst, eine Leidenschaft, die er von seiner Mutter, der bekannten Malerin Elvira Bach, geerbt hat. Lo raucht nicht und trinkt keinen Alkohol. Und am liebsten isst der Sohn eines senegalesischen Vaters in einem afrikanischen Restaurant in der Upper West Side. „Ich versuche immer, meine Teamkollegen zu überreden mitzukommen. Bislang erfolglos.“ Die anderen essen Pizza.
2014 nominierte ihn der damalige Bundestrainer überraschend fürs Nationalteam
In deutschen Medien tauchte Los Name erstmals vorigen Sommer auf, als der damalige Bundestrainer Emir Mutapcic ihn überraschend für die Nationalmannschaft nominierte – in der Jugend war er nie zu den Auswahlteams eingeladen worden. Lo will sein Studium in den USA bis 2016 durchziehen. Wenn sich das DBB-Team im Sommer in Berlin zur Vorbereitung auf die Europameisterschaft im September trifft, ist Lo aller Voraussicht nach dabei. „Er gehört mit Dennis Schröder zu einer Generation, die die Nationalmannschaft die nächsten Jahre prägen wird“, sagt Coach Fleming.
Kann sich Lo jetzt nur noch selbst im Weg stehen? Wenn man ihn auf dem Spielfeld beobachtet, wirkt es manchmal so, als würde er sich selbst etwas bremsen. Das hat auch der Bundestrainer beobachtet: „Er hat sehr viel Talent. Aber er sollte mutiger werden“, sagt Chris Fleming. Zum Glück konnte der Nationaltrainer darüber mit Lo doch noch persönlich sprechen. Bei einem gemeinsamen Essen in New York, zwei Tage bevor er so lange auf ihn vor der Kabine der Columbia Lions warten musste.