Martin Kind: Machtfrage bei Hannover 96
Dem Fußball-Bundesligisten droht eine konfliktreiche Mitgliederversammlung: Vereinsboss Martin Kind fürchtet eine weitreichende Satzungsänderung.
Eigentlich ist es ja so: Wahlen sind Hochfeste der Demokratie, und wenn mehr als ein Mensch zur Wahl steht, kann es eine konfliktreiche, spannende, aber auch produktive Diskussion geben. Das gilt auf Bezirks- und Bundesebene, und genauso auch für das Vereinswesen.
Bei Hannover 96 steht am heutigen Donnerstag zwar keine klassische Wahl an, eine konfliktreiche wie spannende Mitgliederversammlung scheint aber vorprogrammiert. Reichlich Wahlwerbung ist schließlich auch betrieben worden – allerdings nicht für Personen, sondern für und gegen Satzungsänderungen. Es geht vor allem um Macht und um die Frage, wem sie zusteht und wer sie ausüben darf. Es ist ein Machtkampf zwischen den Führungsgremien des e.V. (insbesondere repräsentiert durch den Vereinsvorsitzenden Martin Kind) und kritischen Teilen der Mitgliederbasis.
Dazu muss man wissen, dass der Wahlkampf bereits mindestens ein Jahr lang – seit der letzten Mitgliederversammlung – läuft. Lange Zeit drehte sich alles um die 50+1-Regel: Darf im Fußballprofi-Betrieb von Hannover 96 ein Investor (namens Martin Kind) die Mehrheit der Stimmen übernehmen – oder sollte diese besser der Hannoversche Sport-Verein von 1896 e.V. behalten dürfen?
Die 50+1-Regel sieht vor, dass die Stimmenmehrheit beim e.V. liegen muss, es kann, so die Deutsche Fußball-Liga (DFL) aber Ausnahmen geben, wenn ein Investor einen Fußballklub 20 Jahre lang erheblich gefördert habe. Der e.V. müsse den Antrag aber mittragen. Nur: Wer ist eigentlich der e.V.?
Auf der Mitgliederversammlung im April 2017 hatten die Mitglieder des e.V. mehrheitlich entschieden, dass Kind – Investor und zugleich e.V-Chef – einen 50+1-Ausnahmeantrag bei der DFL vorher von den Mitgliedern absegnen lassen müsse. Das Problem war, dass Kind diese Mitgliederentscheidung nur als „empfehlend“, nicht als bindend ansah.
Die 96-Satzung gibt diese Zweideutigkeit wohl her, obwohl sie die Mitgliederversammlung als „höchstes beschließendes Organ des Vereins“ anerkennt. Mitglieder klagten ob der mangelnden Umsetzung ihrer Beschlüsse vor ordentlichen Gerichten, allerdings ohne Erfolg. Das Landgericht Hannover nannte die 96-Struktur gar eine „Vorstandsdiktatur“; es obliege, vereinfacht gesagt, aber den Gremien des e.V. satzungswidriges Verhalten zu sanktionieren, oder eben der Mitgliederversammlung des e.V., diesen Zustand zu ändern.
Änderungen nur mit Zwei-Drittel-Satzung
Just das soll nun geschehen, aus einer „Vorstandsdiktatur“-Satzung soll eine demokratische werden. Es geht dabei um Feinheiten, um Formulierungen. So sollen die Beschlüsse der Mitgliederversammlung künftig nicht nur für alle Mitglieder verbindlich sein, sondern auch „für die Vereinsorgane“.
Kurz gesagt: Sollte die Mitgliederversammlung künftig Beschlüsse fassen, muss der Vorstandsvorsitzende diese auch umsetzen; er könnte nicht mehr – wie bisher – auf die lediglich „empfehlende“ Funktion der Basis verweisen.
In der 50+1-Frage war Kind letztlich ohne Mitgliederbeschluss vorgeprescht. Die 50+1-Regel blieb bei 96 aber trotzdem bestehen, weil die DFL Anfang Februar feststellte, dass Investor Kind die Bedingungen für eine Übernahme nicht erfüllte. Kind stellte seinen Antrag deshalb auf „ruhend“.
Wie die „Bild“ erfuhr, soll die DFL Kind knapp 20 Millionen Euro an Förderleistungen über einen Zeitraum von 20 Jahren zugerechnet haben; für eine Übernahme von 96 hätte Kind aber mindestens 46 Millionen in den Klub stecken müssen, so viel wie die jeweiligen Hauptsponsoren über 20 Jahre hinweg.
Im Interview mit dem Portal „Sportbuzzer“ sagte Kind, dass Satzungsänderungen die Handlungsfreiheit für den Vorstand einschränkten, „das wäre das Ende von 96 in der bestehenden Form“. Die Antragssteller argumentieren, die Rechte der Mitglieder zu stärken, indem sie für Rechtssicherheit sorgen. Damit die Satzung geändert wird, benötigen sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit.