WM 2014 - Brasilien schlägt Chile nach Elfern: Luiz Scolari: "Hätten fast eine bittere Rechnung bezahlt"
Brasilien wankte und taumelte, aber zog bei der WM 2014 im eigenen Land ins Viertelfinale ein. Erst das krimihafte Elfmeterschießen brachte die Entscheidung, weil die tapferen Chilenen am Ende nur den Pfosten trafen.
Wieder mal Neymar. Na klar, wer denn sonst. Der Mann, den Brasilien lieben und ehren und feiern wird in den nächsten Tagen und vielleicht bis an sein Lebensende, behielt im entscheidenden Moment die Nerven. Es war kurz vor vier am Samstag in Belo Horizonte, da befreite der Stürmer vom FC Barcelona das größte und erfolgreichste und stolzeste Fußballland der Welt von der Gefahr des größten anzunehmenden Unglücks - dem frühen Ausscheiden bei der Fußball-WM im eigenen Land..
Neymar machte das so, wie Neymar das immer macht. Mit einer Performance zwischen Show und Klamauk, mit Trippelschritten, Hüpfern, Abstoppen und Beschleunigen. Aber entscheidend war vor 57 714 Zuschauern ohrenbetäubend laut jubelnden Zuschauern im Estadio Mineirao von Belo Horizonte, was am Ende herauskam. Neymar setzte im Elfmeterschießen den finalen und entscheidenden Treffer. Da Chiles letzter Schütze Gonzalo Jara nur den Pfosten traf, reichte das für den WM-Gastgeber zu einem 4:3 (1:1, 1:1)-Sieg nach Verlängerung und Elfmeterschießen
Brasilien steht nach diesem schwer erkämpften Sieg über Chile im Viertelfinale am kommenden Donnerstag in Fortaleza. „Jetzt brauchen die Spieler erst einmal Ruhe, sie bekommen einen freien Sonntag von mir“, sprach Brasiliens sonst so strenger Trainer Luiz-Felipe Solari. Noch ein wenig länger wird die Erholungspause für Luiz Gustavo. Der Mittelfeldspieler vom VfL Wolfsburg sah seine zweite Gelbe Karte und ist damit für das Viertelfinale gesperrt.
Der zweite Held neben Neymar war Julio Cesar mit seinen zwei gehaltenen Elfmetern von Mauricio Pinilla und Alexis Sanchez. Danach weinte er ergriffen: „Meine Zeit in der Seleção ist noch nicht zu Ende“, sagte der Torhüter, der so unumstritten nicht war, weil er zuletzt keinen besseren Verein gefunden hatte als den FC Toronto. Scolari hielt an ihm fest, und in Belo Horizonte durfte er sich bestätigt sehen.
Es war in der ersten Halbzeit das beste Spiel Brasiliens bei dieser WM und in der zweiten plus Verlängerung das ängstlichste und zögerliche, das eine Seleçao lange gezeigt hat. Und das, obwohl doch alles so gut begonnen hatte. Mit einem schnellen Tor, und wie fast immer bei dieser WM hatte Neymar seinen Fuß im Spiel. Sein Eckstoß von der linken Seite flog nach einer Viertelstunde mit viel Spin Richtung Fünfmeterraum. Thiago Silva, der aufgerückte Abwehrchef, verlängerte mit der Stirn an den rechten Pfosten, wo David Luiz zum Einschuss bereit war, aber vor ihm fuhr Gonzalo Jara, Chiles traurige Gestalt dieses Nachmittags, das Bein aus und fälschte den Ball ins eigene Tor ab.
Luiz ließ sich feiern und wurde auch vom Stadionsprecher als Torschütze verkündet, was zwar nicht der Realität entsprach, die ohnehin schon ausgelassene Stimmung im Stadion aber noch ein wenig ausgelassener gestaltete.
Dieser Rückstand fügte sich überhaupt nicht in das chilenische Konzept. Jede torlose Minute hätte den Druck auf Brasilien erhöht und die Ungeduld der Zuschauer wachsen lassen, irgendwann vielleicht sogar Unmut erzeugt. So aber war es an Chile, mit einem Zugewinn des Gegners an Kraft und Selbstbewusstsein zurechtzukommen. Arturo Vidal, der wilde Anführer der Chilenen, setzte erst einmal ein Zeichen, indem er Neymar an der Seitenlinie umtrat. Der aber stand auf und schüttelte sich, wie sich die Brasilianer ohnehin nicht vom Gegner aus der Ruhe bringen ließen. Das schafften sie ganz allein.
Alles begann nach einer halben Stunde bei eigenem Ballbesitz in der eigenen Hälfte, mit einem lässigen Einwurf Marcelo auf Hulk, der ebenso lässig zurückspielen wollte. Da kam auch schon Eduardo Vargas herbei, stibitzte den Ball und spielte weiter auf Alexis Sanchez, der zum Ausgleich traf.
Die zweite Halbzeit verlief ausgeglichener. Zwar kamen die Chilenen weiterhin nicht dazu, die von ihnen gewohnte Treibjagd über den Platz aufzuziehen, sie gewannen mit aber mit jeder Minute mehr Kontrolle. Wo war Neymar auf einmal, wo waren Oscar und Luiz Gustavo? Die Brasilianer schossen zwar wieder ein schnelles Tor, aber vor Hulks Schuss in die linke Ecke hatte Howard Webb ein Handspiel des Schützen ausgemacht.
Es wurde eng und enger für Brasilien. Im Mittelfeld lief nur noch wenig zusammen, Chile wurde stärker und hatte durch Diaz die große Chance zur Führung. Auf der anderen Seite hatte Neymar die Führung auf dem Kopf und Hulk auf dem Fuß. Die Verunsicherung wollte nicht weichen, erst recht nicht in der Verlängerung. Beinahe wäre für Brasilien schon vor dem Entscheidungsschießen alles vorbeigewesen, als in der letzten Minute der Chilene Pinilla den Ball an die Latte drosch. „Da hätten wir fast eine bittere Rechnung bezahlt“, sagte Scolari.
Aber dann kam das Elfmeterschießen und mit ihm Neymars erfolgreiche Performance zwischen Show und Klamauk.