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Viel Übersicht. Nur einmal hatte Luiz Gustavo mit den neuen Kollegen trainieren können, seinem Spiel war das nicht anzumerken.
© dpa

Starkes Debüt für VfL Wolfsburg: Luiz Gustavo - der preußische Brasilianer

Luiz Gustavo agierte beim Debüt für den VfL Wolfsburg so souverän, als würde er schon seit Jahren für den Klub spielen. Landsmann Diego lobte gar: "Es war ein Vergnügen, mit ihm zu spielen!"

Ein paar Stunden vor dem Spiel zog Dieter Hecking sich im Mannschaftshotel mit Luiz Gustavo in einen stillen Winkel zurück und erzählte ihm, wie das Mittelfeldspiel so funktioniert beim VfL Wolfsburg. Schließlich hatte der gerade erst vom FC Bayern München akquirierte Brasilianer nur einmal mit seinen neuen Kollegen trainieren können. Bisschen wenig für ein Erfolg versprechendes Debüt. Also: Offensiv und mutig wollen sie spielen, mit allerlei Freiheiten für den Freigeist Diego, aber eben auch gut organisiert in der Rückwärtsbewegung. Volle Angriffswucht bei gleichzeitiger Vermeidung jeglicher Gefahr seitens des Gegners, und genau das sei Luiz Gustavos Job, alles klar?

Später hat der Wolfsburger Trainer erzählt, dass er sich diese Einweisung auch hätte schenken können. „Gute Fußballspieler brauchen nicht viele Trainingseinheiten, die wissen instinktiv, was sie machen müssen“, sprach Hecking. Und der sonst vor allem in sich selbst verliebte Diego machte seinem Landsmann das schöne Kompliment: „Es war ein Vergnügen, mit ihm zu spielen!“

Das Vergnügen teilten alle Wolfsburger an diesem Spätsommertag, als die Sonne noch überstrahlt wurde vom Glanz des 4:0-Sieges über den FC Schalke 04. Luiz Gustavo leitete seine Kollegen an, als würde er mit jedem von ihnen seit Jahren Pass- und Laufwege einstudieren und die Verdichtung der Räume im defensiven Mittelfeld organisieren. Dazu hat er noch ausgeteilt, gleich in der ersten Halbzeit im Luftkampf gegen Schalkes Alphatreter Jermaine Jones, der sich anschließend eine gute Minute auf dem Rasen wälzte und von dem später gar nichts mehr zu sehen war. Auch dieses Verdienst am Wolfsburger Feiertag gebührte Luiz Gustavo.

„Das war ein guter Tag für mich, denn ich habe Fußball gespielt, und das ist meine Arbeit“, sagte der Neu-Wolfsburger, als sie ihn zu immer neuen Interviews vor immer neue Werbetafeln zerrten. Wenn Luiz Gustavo über Fußball spricht, spricht er auffällig oft von Arbeit und eher selten vom Spiel. Das war schon in Hoffenheim so, wo er sich für die Bayern interessant machte, und bei den Bayern, wo er sich für die brasilianische Nationalmannschaft interessant machte.

Was die ewigen Sonne- und Sambaklischees betrifft, ist Luiz Gustavo ein eher unbrasilianischer Brasilianer. Deswegen wurde er auch für die Seleçao brasileira erst dann ein Thema, als dort der eher unbrasilianische Brasilianer Luiz Felipe Scolari das Kommando übernahm. Scolari schätzt Gustavos Intelligenz, sein Verständnis für die Zusammenhänge auf dem Platz, seine unfassbar niedrige Fehlerquote. Für die Bereitschaft, nicht glänzen zu wollen, die den Glanz der anderen erst möglich macht.

Scolari hat Gustavo beim Confed-Cup im zurückliegenden Sommer zum Stammspieler gemacht. Aber zur Weltmeisterschaft im kommenden Jahr kann er ihn nur im Falle ausreichender Spielpraxis in die Heimat rufen.

Auch der neue Bayern-Trainer Josep Guardiola soll durchaus Respekt für den preußischen Brasilianer empfinden, aber in seinem System ist nur Platz für einen defensiven Mittelfeldspieler, und gerade auf Luiz Gustavos Lieblingsposition in der Zentrale ist die Konkurrenz mit Bastian Schweinsteiger, Javi Martinez, Thiago Alcantara und neuerdings auch Philipp Lahm doch erheblich.

Ein Wechsel war logisch, ja zwingend, aber die Entscheidung für Wolfsburg war doch ein wenig überraschend. „Nein“, sagt Gustavo, „die Bundesliga ist eine große Liga. Außerdem wollten ich und meine Familie unbedingt in Deutschland bleiben“, und bei einer Ablösesumme von geschätzt 20 Millionen Euro war die Zahl potenter Interessenten doch sehr überschaubar. Wen der neuen Kollegen hat er vor dem Spiel schon gekannt? „Natürlich alle“, sagt Gustavo, „sie spielen schließlich in Wolfsburg, da müssen sie gut sein, denn das ist ein großer Klub“, der auch in Brasilien bekannt sei, „hier haben immerhin Grafite und Josué gespielt“. Zwei Brasilianer, die in Brasilien allerdings kaum einer kennt.

Es gibt da vielleicht auch noch ein emotionales Argument. Eines der schönen Erinnerung. Als er noch neu war bei den Bayern und ein wenig fremdelte im ersten halben Jahr, war es ein Spiel, in Wolfsburg, das ihm mit einiger Verspätung die richtige Ankunft ermöglichte. Zwei Jahre ist das jetzt her, als Luiz Gustavo im August 2011 kurz vor Schluss das Tor schoss zum 1:0-Sieg der Bayern, übrigens auch an so einem zweiten Spieltag, der ihm jetzt eine sehr viel frühere Ankunft ermöglichte. Geschichte wiederholt sich im vermeintlich geschichtslosen Wolfsburg.

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