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Lionel Messi zerlegte den Gegner am Wochenende ganz alleine mit zauberhaften Toren.
© JORGE GUERRERO/AFP

Primera Division: Lionel Messi zelebriert große Fußball-Kunst

Lionel Messi schießt wunderschöne Tore gegen Sevilla. Nach seinem schönsten passiert Undenkbares.

Sonntagabend im Kino Zukunft, der wildromantischen Post-DDR-Halbruine nahe dem Bahnhof Ostkreuz in Friedrichshain. Der Berliner Barça-Fanclub „Penya Barcelonista Berlin Culer“ ist hier zuhause, das Spiel des Vereins bei Betis Sevilla wird übertragen, etwa 30 Anhänger sind gekommen. Der Ton des Sportkommentators, wie in Spanien üblich mit überschlagender Stimme, ist voll aufgedreht. Wäre gar nicht nötig. So wie ER spielt, wie ER trifft, schon wieder im Dreierpack, würden die fanáticos des PBBC auch beim Stummfilm toben. Und nicht nur wegen des Hattricks.

18. Minute, Lionel Messi zirkelt einen Freistoß an der Mauer der Betis-Spieler vorbei ins hohe rechte Eck, Torwart Pau López steht richtig und ist doch machtlos. Nachspielzeit der ersten Hälfte, 45.+2. Minute, Luis Suarez spielt den Ball mit der Hacke auf Messi, der schießt aus vollem Lauf – López steht wieder richtig und hat doch keine Chance. Und dann die 85. Minute. Messi kommt wieder in hohem Tempo an den Ball, gleich hinter der Strafraumlinie, und lupft ihn aus dem Lauf in einem 20-Meter-Bogen über López ins linke Eck. Das ist nicht Fußball. Das ist Kunst. Und es passiert etwas, das undenkbar schien.

Die Betis-Fans stehen auf. Sie applaudieren Messi. Mindestens eine Minute lang klatscht das Stadion für einen Spieler des außerhalb Kataloniens reichlich unbeliebten FC Barcelona. Dessen einheimische Anhänger häufig mit der Fahne der Separatisten wedeln und Spanien immer wieder signalisieren: wir wollen mit Euch nichts mehr zu tun haben. Doch einen derart magischen Stürmer hat Sevilla schon lange nicht mehr gesehen, es sei denn Messi kam mit seinem Team vorbei. Und im Kino Zukunft nimmt das Geschrei kein Ende, die Berliner Fans, eine frenetische Multikultitruppe, springen aufeinander zu, eine Bierbank kippt um, eine Flasche splittert, minutenlanges Abklatschen, knäuelhafte Umarmungen. Als sich die Meute halbwegs beruhigt hat, sagt ein Fan halblaut, „wir müssen jede Sekunde genießen, die Messi spielt“.

Eines Tages wird es vorbei sein. Messi ist 31 Jahre alt. Der PBBC und vermutlich all die hunderttausenden Barça-Fans weltweit fürchten schon heute den Tag, an dem ihr „G.O.A.T.“, der „Greatest Of All Time“, aufhört für den Verein zu spielen. Barça ohne Messi – mehr Weltuntergang geht nicht.

Wie sich der kleine Argentinier seit Jahren schon durch die Abwehrreihen der Gegner dribbelt, wie er trifft und das immer wieder, macht süchtig. Es gibt Spieler, die haben mehr erreicht, sind Weltmeister geworden wie Pelé und Maradona oder haben wenigstens einen kontinentalen Erfolg errungen, wie Cristiano Ronaldo, der 2016 mit der portugiesischen Nationalmannschaft Europameister wurde. Messi hat lediglich 2008 mit dem argentinischen Team bei den Olympischen Spielen in China die Goldmedaille gewonnen, für einen Spieler wie ihn kaum ein Trost. Und der Suchtfaktor Messi, die kultische Verehrung durch seine Fans und der Beifall des gegnerischen Publikums in Sevilla ist auch nur zum Teil mit den anderen Titeln zu erklären, viermal Gewinner der Champions League, fünfmal Weltfußballer des Jahres, neunmal spanischer Meister und so weiter. Doch Messi ist mehr (trotz Steuerhinterziehung und Monstergehalt). ER ist der Galaktische des modernen Fußballspiels, genial als Torjäger und Turbomotor des FC Barcelona. Warum bleibt so ein Held nicht ewig 25?

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