WM 2014 - Argentinien nun gegen Deutschland: Lionel Messi feiert, Arjen Robben trauert - Holland raus
Niederlande und Argentinien strapazieren im Halbfinale der Fußball-WM 120 Minuten lang die Geduld der Zuschauer. Erst im Elfmeterschießen kommt Spannung auf.
Nein, diesmal keine Spielchen. Nicht wie im Viertelfinale, als der niederländische Trainer Louis van Gaal in der finalen Minute der Verlängerung seinen Ersatztorhüter Tim Krul auf den Platz schickte und dieser ihm das Elfmeterschießen gegen Costa Rica gewann. Diesmal blieb Jasper Cillesen im Tor, und der Held war ein anderer. Argentiniens Sergio Romero parierte Schüsse von Ron Vlaar und Wesley Sneijder, dann setzte Maxi Rodriguez den entscheidenden Treffer. Nach 120 torlosen und faden Halbfinalminuten siegte Argentinien im folgenden Elfmeterschießen 4:2.
Damit kommt es am Sonntag zu einem europäisch-südamerikanischen Duell im Maracana: In Brasiliens größtem und berühmtestem Fußballstadion stehen sich zum dritten Mal nach 1986 und 1990 Deutschland und Argentinien in einem WM-Finale gegenüber. Einen Tag nach dem epochalen 7:1 der Deutschen über Brasilien in Belo Horizonte zogen Lionel Messi, Javier Mascherano und ihre Kollegen nach. Natürlich nicht annähernd so furios, aber das hatte auch niemand ernsthaft erwartet von den 63 267 Zuschauern im Estadio Itaquerao von Sao Paulo.
"Wir haben den Sieg verdient. Wir hatten die besseren Chancen. Wir haben intelligent gespielt und sind sehr stolz auf uns", sagte Javier Mascherano. Coach Alejandro Sabella blickte schon voraus: "Wir werden alles geben, um diese WM zu gewinnen." Enttäuschung herrschte bei den Holländern: "Wir hatten es eigentlich mehr verdient. Wir können stolz sein auf das, was wir erreicht haben. Es tut weh", erklärte Arjen Robben. "Heute gab es nur ein Team, das es auf Penaltys anlegte, das war Argentinien", meinte Wesley Sneijder. Bondscoach Louis van Gaal sagte: "Wir haben ein fantastisches Turnier gespielt. Niemand hat uns zugetraut, das Halbfinale zu erreichen."
Nach dem finalen Schuss explodierten Böller, es war eine weiß-blaue Party
Nach dem finalen Schuss vom Punkt explodierten Böller, es war eine weiß-blaue Party auf dem Rasen und den Rängen. Kein Gedanke mehr dran, dass sich die stimmgewaltigen argentinischen Fans einer akustischen Übermacht gegenüber gesehen hatten. Das lag nicht daran, dass so furchtbar viele Holländer zugegen waren. Sondern an den keinesfalls neutralen Zuschauern aus Brasilien, die im Zweifelsfall immer den Gegner ihres Lieblingsfeindes unterstützen. Die Argentinier revanchierten sich und skandierten auf Portugiesisch: „1, 2, 3, 4, 5, 6, 7!“ Da waren die Brasilianer für ein paar Minuten sprachlos.
Argentinien spielte mit Trauerflor für den verstorbenen Alfredo di Stefano, aber ohne Angel di María, er hatte sich am Sonntag beim 1:0 im Viertelfinale über Belgien eine Oberschenkelzerrung zugezogen und nicht rechtzeitig die nötige Fitness wiedererlangt. Seinen Platz auf dem linken Flügel nahm wieder Enzo Perez ein, und er machte seine Sache ganz gut. Der Mann von Benfica Lissabon war es auch, der die erste gefährliche Situation des Spiels provozierte. Ron Vlaar rannte Perez in halbrechter Position vor dem Strafraum um. Den fälligen Freistoß zirkelte Lionel Messi über die Mauer in Richtung linke Ecke, gar nicht mal schlecht, aber auch nicht gut genug für Jasper Cillessen im niederländischen Tor. Brenzlig wurde es auch nach Ezequiel Lavezzis Ecke. Ezequiel Garay kam herangeflogen, köpfte knapp vorbei und bekam auch noch Vlaars Knie ins Gesicht.
Die Niederländer wirkten längst nicht so aufgedreht, wie sie das schon gezeigt haben
Obwohl sich Lionel Messi mit Geistesblitzen sehr zurückhielt und nur gelegentlich am Spiel teilnahm, kontrollierten die Argentinier das Geschehen zunächst mit glanzloser Selbstverständlichkeit. Sie haben bei dieser WM der weiten Wege die kürzesten Distanzen aller Halbfinalisten zurückgelegt und nicht einmal im heißen Norden oder im schwülen Urwald gespielt. Argentiniens exotischster Spielort war am Samstag beim Viertelfinale in Brasilia, und die Temperatur dort nahm sich ähnlich kühl aus wie die am Mittwoch beim Halbfinale in Sao Paulo. Ein nicht ganz unwesentlicher Wettbewerbsvorteil.
Die Niederländer wirkten längst nicht so aufgedreht, wie sie das in Brasilien schon gezeigt haben. Vielleicht waren sie auch ein bisschen müde. 120 Minuten Tempo-Fußball plus Elfmeterschießen in einem WM-Viertelfinale sind eben nach vier Tagen Pause noch nicht aus den Knochen, auch wenn es nur gegen Costa Rica ging. Wesley Sneijder, der zuvor überragende Antreiber, fand erst einmal kaum ins Spiel und damit immer noch ein bisschen mehr als Arjen Robben, der sich mal auf dem linken und mal auf dem rechten Flügel langweilte und auf beiden so gut wie nie den Ball bekam. Robben beschwerte sich mit erhobenen und wild rudernden Armen, aber die Kollegen ließen ihn einfach nicht mitspielen.
Dann kam der Regen, er erfrischte die Spieler, aber die dankten es nicht
Seine für lange Zeit auffälligste Szene hatte er zu Beginn der zweiten Halbzeit, mit einem ähnlich spektakulären Sturz wie vor dem Elfmeter im Achtelfinale gegen Belgien – nach einem ähnlich harmlosen Vergehen, begangen von seinem früheren Münchner Kollegen Martin Demichelis. Es gab Freistoß und damit die erste, nun ja, Chance für die Niederländer, aber Sneijder schoss weit über das Tor.
Dann kam der Regen, er erfrischte die Spieler, aber die dankten es nicht mit Beiträgen zur Qualitätsverbesserung. Die Argentinier zogen sich ein wenig zurück. Vielleicht ging ihnen doch die Luft aus, vielleicht hofften sie auf mehr niederländischen Angriffsgeist und damit Raum für ihre Konter. So kam es zur bis dahin größten Torchance. Messi flankte von links, Gonzalo Higuaín rutschte heran und spitzelte den knapp am rechten Pfosten vorbei ans Außennetz. Auf der anderen Seite spielte Sneijder in der Schlussminute der regulären Spielzeit den jetzt viel aktiveren Robben frei, aber der zögerte einen Augenblick zu lange und Javier Mascherano klärte per Grätsche.
In der Verlängerung gab es noch eine riesige Torchance, der Argentinier Rodrigo Palacio verschluderte sie mit einem lächerlichen Kopfball in die Arme von Torhüter Jasper Cilessen. Und das Drama nach dem Drama nahm seinen Lauf.