Vergabe der WM 2006: Lichtgestalt Franz Beckenbauer wirft dunkle Schatten
Er könnte aufklären, was es mit der Zahlung rund um die WM-Vergabe 2006 auf sich hat. Doch Franz Beckenbauer redet auf einmal nicht mehr.
- Johannes Nedo
- Friedhard Teuffel
Sein Reich stand offen zur Besichtigung, doch seine Majestät zeigte sich nicht, blieb einfach fern und überließ alles dem niederen Adel. Das Deutsche Fußballmuseum wurde am Freitagabend in Dortmund eröffnet, das wäre ein angemessener Akt für ihn gewesen, wichtige Teile der deutschen Fußballgeschichte hat er schließlich selbst geschrieben.
Aber die Umstände, unter denen das zuletzt geschah, sind zweifelhaft, und dazu möchte sich Franz Beckenbauer derzeit ungern erklären. Vor allem nicht in der Öffentlichkeit.
Die Weltmeisterschaft hat er gleich dreimal gewonnen, als Spieler, Trainer und als Organisator, doch dieser letzte Titel steht gerade unter Verdacht, seitdem der „Spiegel“ über eine schwarze Kasse berichtet hat und es möglich erscheint, dass damit die WM 2006 gekauft wurde.
Seit gut einer Woche brechen nun alte Feindschaften auf, werden Rechnungen beglichen und neue Verdächtigungen angestellt. Nur von Beckenbauer ist nicht viel zu hören und zu lesen. Dabei ist er der wichtigste Mann in dieser Affäre. Wolfgang Niersbach, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), redete sich in seiner Pressekonferenz am Donnerstag zu einer Sekundärquelle klein. Er habe alles erst in einem Gespräch mit Beckenbauer rekonstruieren müssen. Vor allem schwieg er sich klein, weil er auf so viele Fragen keine Antwort wusste. Der Subtext seiner Antworten lautete: Wenn es einer weiß, dann Beckenbauer. Beide verbindet eigentlich eine lange Freundschaft.
Es geht um die Verwendung von umgerechnet 6,7 Millionen Euro, die der ehemalige Vorstandschef von Adidas, Robert Louis-Dreyfus, verliehen hatte. Niersbachs Version geht so: Das Organisationskomitee (OK) der WM, dessen Präsident Beckenbauer war, brauchte das Geld, weil der Weltverband Fifa es zur Bedingung für einen Organisationszuschuss über 170 Millionen Euro gemacht hatte.
Beckenbauers Manager Robert Schwan habe damals Louis-Dreyfus ins Spiel gebracht. Und schon bei diesem Punkt kann eigentlich nur Beckenbauer Aufklärung leisten, denn Schwan lebt nicht mehr und Louis-Dreyfus auch nicht.
Doch bisher kommt nicht viel von dem Mann, der seine Worte verkauft an die „Bild“-Zeitung oder den Fernsehsender „Sky“. „Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren.“ Das war von ihm am vergangenen Sonntag zu hören. Und dass er sich sicher sei, dass das auch kein anderes Mitglied des Organisationskomitees getan habe. Sprechen will er jetzt nur noch mit mit der externen Untersuchungskommission des DFB. Das ist verwunderlich bei einem Mann, der sonst um keine Antwort verlegen ist.
Im Sport fehlt es an Glaubwürdigkeit und Transparenz
Noch Anfang Oktober hatte er, gerade 70 Jahre alt geworden, wieder sein sportpolitisches Forum in Kitzbühel veranstaltet, das „Camp Beckenbauer“, in dem die großen Entwicklungsfragen des Sports diskutiert werden sollen. Die Liste der Redner war prominent besetzt bis hin zu IOC-Präsident Thomas Bach. Doch solch dubiose Zahlungen wie die 6,7 Millionen rund um die WM 2006 gehören genau zum Kernproblem des Sports: Es fehlt oft an Glaubwürdigkeit und Transparenz.
Beckenbauers Leistungen auf dem Fußballplatz, seine Pässe, seine Spielgestaltung, seine Übersicht, würden nicht einmal infrage gestellt, wenn von ihm auf einmal noch positive Dopingproben auftauchen würden. Beckenbauers Spiel gilt als unantastbar, so natürlich und genial war es. Für sein Verhalten als Fußballfunktionär und Geschäftsmann gilt das nicht.
Da ist Beckenbauer schon angeschlagen, auch wenn ihn ausgerechnet eine nicht besonders glaubwürdige Organisation sanktioniert hatte, die Fifa. Als sie anfing, die Doppelvergabe der Weltmeisterschaften für 2018 und 2022 an Russland und Katar noch einmal zu untersuchen, geriet auch Beckenbauer unter Verdacht, der als Mitglied des Exekutivkomitees mitgestimmt hatte. Nach der Vergabe schied Beckenbauer aus der Exekutive aus, und unterhielt geschäftliche Kontakte nach Katar und Russland.
Seit 2012 fungiert Beckenbauer als „Sportbotschafter“ des russischen Energiegiganten Gazprom. Sein offizieller Aufgabenbereich: Er soll für große Sportereignisse in Russland werben. Das tat er für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi – und tut es noch immer für die Fußball-WM 2018. Außerdem ist er eine Art Schirmherr für Gazproms Jugendfußball-Initiative „Football for Friendship“. Auf der Internetseite des Projekts ist ein Grußwort Beckenbauers hinterlegt. „Der Fußball gibt einem auch viel“, heißt es da. „All das hilft einem, wenn es mal schwierig wird.“
Schwierig wurde es für ihn, als er einen Fragebogen der Fifa ausfüllen sollte. Tat er aber nicht, „weil ich dem Englischen, dem juristischen Englisch, nicht mächtig bin“, wie er damals sagte. Die Fifa hielt ihm entgegen, ihm die Fragen sowohl auf Englisch als auch Deutsch gestellt zu haben. Beckenbauer stand auf einmal schlecht da. Und die Fifa schloss ihn damals für 90 Tage von allen Fußball-Aktivitäten aus, was auch deshalb ins Gewicht fiel, weil zu dieser Zeit die WM in Brasilien stattfand.
Korruptionsvorwürfe wies Beckenbauer jedoch energisch zurück. „Ich habe mit Korruption nichts zu tun“, sagte er. „Wer sollte an mich herantreten und zu Dingen verleiten? Das ist doch lächerlich. Ich bin der falsche Ansprechpartner.“ Die Ethik-Kommission hat noch einmal gegen Beckenbauer ermittelt, eine weitere Bestrafung wird erwartet, wenn auch keine hohe, es könnte auf eine Geldstrafe hinauslaufen.
Im Oktober 2009 hatte Beckenbauer umstrittene Reise nach Katar unternommen
Es gibt zur Lichtgestalt Beckenbauer einen Schattenmann, Fedor Radmann, der für das WM-Organisationskomitee die Strippen zog. Er war sogar Vizepräsident des OK, geriet aber in die Kritik, weil er noch Beraterverträge mit der Kirch-Gruppe und mit Adidas hatte. Bei Adidas hatte er früher schon als Marketing-Chef gearbeitet. Dem OK blieb Radmann danach als Berater erhalten, er gilt auf jeden Fall als enger Vertrauter Beckenbauers. In der Welt des Sportmarketings kennt sich Radmann bestens aus, es ist eine Welt, in der sich regelmäßig dieselben Personen tummeln, viel voneinander wissen und viel voneinander profitieren. „Warum soll ich nicht denen vertrauen, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe“, hat Radmann dazu gesagt.
Mit Radmann hatte Beckenbauer im Oktober 2009 auch eine umstrittene Reise nach Katar unternommen. Auf dem Programm stand ein Treffen mit dem Emir von Katar. Radmann war 2009 Lobbyist für Australien, das sich ebenfalls um die WM 2022 bewarb. Radmann sollte den Emir davon überzeugen, die Bewerbung Katars zurückzuziehen. Dass Beckenbauer als damaliges Mitglied der Fifa-Exekutive dabei sein musste, ist fragwürdig. Zumal der Emir nicht einwilligte.
Der „Spiegel“ deutet daher nun noch eine andere Rolle Beckenbauers in dieser Bewerbungsphase für die WM 2022 an. Er könnte Katar seine Stimme geschenkt haben, weil Katar zuvor Deutschland half, die WM 2006 zu bekommen. Hintergrundgespräche mit seinem damaligen Kollegen des Exekutivkomitees aus Katar, Mohamed Bin Hammam, leugnet Beckenbauer nicht. Bin Hammam ist inzwischen lebenslang von der Fifa gesperrt. Beckenbauer hat nie verraten, für wen er bei der WM-Vergabe stimmte. „Es hat mich selbst überrascht, dass es Katar wurde“, sagte Beckenbauer einmal. Es ist zu hören, er solle zunächst für Australien oder die USA gestimmt haben.
Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger, der für Beckenbauer ins Exekutivkomitee nachrückte, will aus einem Gespräch mit dem früheren OK-Vizepräsidenten Horst R. Schmidt erfahren haben, dass die 6,7 Millionen Euro an Mohamed Bin Hammam gezahlt worden seien. Schmidt wehrte sich jedoch gegen diese Aussage. „Es ist ungeheuerlich, dass Theo Zwanziger den Inhalt eines privaten Telefonats an die Öffentlichkeit bringt“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Der Name Bin Hammam ist möglicherweise gefallen. Aber ich werde nicht behaupten, dass er Empfänger des Geldes ist. Ich weiß es einfach nicht.“
Beckenbauer bleibt in der Deckung, vielleicht im Vertrauen, aus dieser Geschichte gut herauszukommen. Einer Geschichte, die nicht nur ihn selbst betrifft, sondern auch seinen Freund Wolfgang Niersbach das Amt kosten könnte.