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Letzter Gruß? Bernie Ecclestone hat fast 40 Jahre lang die Formel 1 regiert – nun neigt sich seine Herrschaft dem Ende zu.
© REUTERS

Anklage gegen Bernie Ecclestone: Letzte Ausfahrt München

Die Staatsanwaltschaft München klagt Bernie Ecclestone wegen Bestechung an – das könnte sein Ende als Formel-1-Chef sein. Der Prozess wird vermutlich im Herbst eröffnet.

Zuletzt hatte Bernie Ecclestone noch mal alles versucht, um sich den Deutschen in einem guten Licht zu präsentieren. Beim Rennen auf dem Nürburgring vor eineinhalb Wochen lief er betont selbstbewusst durchs Fahrerlager und hielt Smalltalk mit jedem, der ihn ansprach; auf dem Dach des einflussreichen Mercedes-Teams legte er Niki Lauda kumpelhaft den Arm um die Hüfte. Öffentlichkeitswirksam hatte er dem Nürburgring zuvor die millionenteure Antrittsgage für seine Formel 1 erlassen, danach deutete er zumindest kurzfristig Rettungsabsichten als Käufer der maroden Rennstrecke an. Alles vergebens. Während der einheimische Steuersünder Uli Hoeneß auf Milde hoffen darf, jagt die Staatsanwaltschaft München den Engländer Ecclestone mit der Unerbittlichkeit einer deutschen Behörde. Am Mittwoch hat die Münchner Staatsanwaltschaft gegen den 82-Jährigen wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall erhoben. Damit steht die Ära des Herrschers Ecclestone in der höchsten Klasse des Motorsports vor dem Ende.

Ecclestone wird vorgeworfen, dem früheren und inzwischen zu achteinhalb Jahren Haft verurteilten BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky beim Verkauf der Formel-1-Anteile der Bank rund 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt zu haben. „Auskünfte zum näheren Inhalt der Anklage können nicht gegeben werden, bis die Strafkammer über die Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden hat“, teilte das Oberlandesgericht München mit. Das könnte Mitte September der Fall sein, der Prozess könnte im Herbst eröffnet werden.

Doch noch hat Ecclestone nicht aufgegeben. Seine Anwälte würden in Kürze „energisch“ antworten, sagte er. „Wir werden uns ordentlich verteidigen, es wird ein interessanter Fall.“ Die Staatsanwaltschaft werfe ihm vor, er habe „jemanden angeblich bestochen“. Ecclestone versicherte jedoch, er habe „nichts Illegales“ getan. Einem Prozess in Deutschland werde er sich stellen: „Wenn es sein muss, sicher, dann bin ich da.“ Bis dahin wolle er tun, „was ich immer gemacht habe: Weiter arbeiten und meinen Job tun. Für mich ändert sich durch diese Sache nichts“, sagte Ecclestone der „Bild“. Aber vielleicht ändert sich etwas für seine Geschäftspartner.

Ecclestone droht nun die Höchststrafe: der Ausschluss aus seinem Allerheiligsten. Fast 40 Jahre war er der König des Formel-1-Fahrerlagers. Es war Ecclestones selbst geschaffenes Universum, hier durfte er ungestraft Gott spielen. Mit dem streng reglementierten Zutritt zu dieser künstlichen Welt erhöhte er die Attraktivität seines Produkts. Den Großteil seiner Milliarden aber verdiente er durch die Allianz mit den Fernsehkameras, die er forcierte. So machte der geniale Verkäufer die anglophile Nischenveranstaltung Formel 1 zu einem der wertvollsten Unternehmen der Erde.

Wie der gewiefte Bernie Ecclestone tickt, verdeutlicht auch eine Geschichte aus den 70ern

Als der frühere Pilot und Teamchef die Vermarktungs- und Fernsehrechte Ende der siebziger Jahre kaufte, war die Rennserie ein besseres Zeltlager. Unter der Regie des Briten wuchs die Formel 1 zum Milliardengeschäft. Er überspannte den Motorsport mit einem undurchsichtigen Netzwerk aus Firmen und Freunden. Ob Max Mosley als Präsident des Motorsport-Weltverbands Fia oder Charlie Whiting als Renndirektor – Ecclestones Jünger waren überall.

Wie der gewiefte Ecclestone tickt, verdeutlicht auch eine Geschichte aus den 70ern, die der damalige Nürburgring-Geschäftsführer Rainer Mertel erzählte. Mertel war zu Verhandlungen mit Ecclestone nach Portugal gereist, doch den versprochenen Fahrerlagerpass erhielt er nicht. Also verschaffte er sich anderweitig Zutritt und erklärte dann, er habe das Wachpersonal geschmiert. „Wie von der Tarantel gestochen“ sei der kleine Mann in die Höhe geschossen und habe seine Büromannschaft strammstehen lassen.

Es gibt viele solcher Geschichten über Bernie Ecclestone. Eine von ihm selbst lancierte ist die, dass er der Strippenzieher hinter dem großen englischen Postraub sei. Eine andere kreist darum, dass er zwei Tischler nur dafür beschäftigen soll, um ihm Modelle von Möbeln zu bauen, damit er entscheiden kann, ob er er die Originale tatsächlich in sein Haus stellt. Zusammengesetzt ergeben diese Storys das Puzzlebild eines typischen Machers der alten Schule, der gern am liebsten alle Dinge unter Kontrolle hat. Zu Ecclestones berüchtigter Arbeitswut kursiert die Sage von seinem Büro am Hyde Park, wo die Londoner Immobilienpreise am höchsten sind. Dort steht eine Bank in einem Garten, die er angeblich noch nie benutzt hat. Keine Zeit für Pausen. Im Tagesspiegel-Interview erklärte Ecclestone einmal, sich auf eine Südseeinsel zurückzuziehen, wäre „keine Entspannung, sondern eine Bestrafung“. Im selben Interview verteidigte er sein umstrittenes Lob für Diktatoren wie Hitler und Saddam und befand außerdem: „Geld ist die wahre Weltreligion. Das ist ganz simpel, ob nun mit mir oder ohne mich.“

Vermutlich wird in der Formel 1 demnächst ohne ihn Geld verdient. Dass die Welt da draußen sich nicht immer so steuern lässt wie sein Reich, das bemerkte Ecclestone zu spät. Nun wird ihm wohl einer der gernegroßen Banker zum Verhängnis, die er verächtlich „Clowns“ nennt. Die im Motorsport vertretenen Konzerne distanzieren sich bereits von ihm. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hatte Ecclestones Ende im Falle einer Anklage schon vor Monaten vorausgesagt. Auch Mercedes möchte ihn schon seit Längerem loswerden. „Compliance ist für Daimler von zentraler Bedeutung“, teilte das Mutterunternehmen am Mittwoch knapp und kühl mit. „Wir werden uns jetzt über die Inhalte des Verfahrens und das weitere Vorgehen mit den jeweiligen Partnern der Formel 1 (Teams, Fia, F1-Gesellschafter) beraten und danach wieder äußern.“

Auch die Formel-1-Eigentümergesellschaft Delta Topco sucht dem Vernehmen nach schon nach einem Nachfolger, ein Headhunter soll bereits engagiert worden sein. Ecclestone selbst schätzt seine Lage bei aller Kampfeslust realistisch ein. Die Eigentümer werden „wahrscheinlich gezwungen sein, mich loszuwerden, wenn die Deutschen mich holen“, hatte er schon Ende 2012 gesagt. „Das ist ziemlich klar, wenn ich eingesperrt würde.“

Allerdings erweist sich die Nachfolgersuche als schwierig. Intern bietet sich niemand an, auch weil Ecclestone nie Interesse an dem Aufbau eines Thronfolgers gezeigt hat. Er selbst höchstpersönlich brachte die verschiedenen Interessengruppen, die Teams, den Automobil-Weltverband Fia, die Veranstalter, TV-Rechteinhaber und Sponsoren immer wieder aufs Neue zusammen. Ohne den allmächtigen Mr. E droht der Zusammenbruch des fragilen Konstrukts. Zumal die Lage ohnehin angespannt ist, denn die Teams fahren derzeit ohne einen gültigen Grundlagenvertrag, der in der Formel 1 Concorde Agreement heißt.

Und wie geht es mit Bernie Ecclestone weiter? Ihm droht eine Gefängnisstrafe. Und seinem letzten Wunsch könnte die Erfüllung verweigert werden. Wenn seine Zeit gekommen sei, hoffe er auf einen Herzinfarkt, sagte er vor Kurzem: „Vorzugsweise an meinem Schreibtisch.“

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