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Sebastian Coe durchforstet den Bericht.
© Reuters
Update

Wada-Kommission belastet IAAF schwer: Leichtathletik-Weltverband: Institutionell kriminell

Die Wada wirft dem Leichtathletik-Weltverband IAAF komplettes Versagen im Kampf gegen Doping vor und fordert Reformen

Seinen Humor hat Richard Pound noch nicht verloren – trotz der unerfreulichen Erkenntnisse der unabhängigen Wada-Kommission, der er vorsteht. Bei der Vorstellung des zweiten Teils des Berichts seiner Ermittler klingelte plötzlich das Handy des Kanadiers. „Tut mit leid, muss jemand aus Russland sein“, sagte Pound mit dem Anflug eines Lächelns und drückte den Anrufer weg. Allerdings hätte auch jemand aus Monaco, der Türkei, Japan oder einem anderen Land am Apparat sein können. Schließlich warf die unabhängige Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur dem gesamten Leichtathletik-Verband IAAF komplettes Versagen im Kampf gegen Doping vor.

Bereits Anfang November hatten Pound und seine Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen IAAF, den russischen Leichtathletik-Verband, dessen Funktionäre, Trainer und Anti-Doping-Labore erhoben. Strafrechtlich relevante Informationen hielt die Kommission damals noch zurück, um Ermittlungen der französischen Justizbehörden nicht zu gefährden. Den zweiten Teil ihres Berichts stellte die Kommission am Donnerstag nun in Unterschleißheim bei München vor – und erhob erneut schwere Vorwürfe gegen die IAAF.

„Das Verhalten im Weltverband ging über Sport-Korruption hinaus und war krimineller Natur“, sagte Kommissionsmitglied Richard McLaren. Diese Einschätzung untermauert der 89 Seiten umfassende zweite Teil des Untersuchungsberichts. Im Zentrum der Vorwürfe steht der langjährige IAAF-Präsident Lamine Diack, der bis zum August 2015 die Geschicke des Weltverbands leitete. Bislang hatten die IAAF und Diacks Nachfolger Sebastian Coe beteuert, bei den Urhebern der Verfehlungen habe es sich mehr oder wenige um Einzeltäter gehandelt. Dieser Darstellung widersprach Pound am Mittwoch in aller Deutlichkeit.

Pound vermied es, Verbandschef Sebastian Coe zu belasten

„Das institutionelle Wissen innerhalb des Verbands war viel größer“, sagte der 73-Jährige. „Und die IAAF hat bislang keinen Appetit darauf erkennen lassen, dieses Problem anzugehen. Die Zeit für Reformen – und nicht für Leugnen, ist aber jetzt.“ Nur wenn die IAAF zu den Fehlern der Vergangenheit stehe, werde sie diese auch nicht hinter sich lassen können.

Laut dem Bericht soll Lamine Diack seinen Vertrauten Habib Cisse im November 2011 in die Anti-Doping-Abteilung der IAAF beordert haben, um die Manipulation und Verzögerung von Blutuntersuchungen russischer Athleten zu beaufsichtigen. Auch zwei Söhne des Präsidenten, Papa Massata Diack und Khalil Diack, sollen an den Machenschaften beteiligt gewesen. Unter anderem seien Sportler erpresst worden – und zwar nicht nur russische. Pound sprach in dieser Hinsicht nur von „der Spitze des Eisbergs“, die der Bericht bislang aufgedeckt habe.

Akribisch listet die Kommission auf, wie die Erpressung im Falle von Asli Alptekin, der türkischen 1500-Meter-Olympiasiegerin von London, abgelaufen sein soll. Demnach hat Papa Massata Diack von der Türkin kurz nach dem Ende der Sommerspiele zunächst 650 000 Euro verlangt, um auffällige Blutwerte der Läuferin verschwinden zu lassen. Nach mehreren Treffen soll Alptekin mindestens 35 000 Euro an Papa Massata Diack gezahlt haben. Alptekin wurde später trotzdem des Dopings überführt und für acht Jahre gesperrt, ihr Olympiasieg und andere Titel wurden ihr aberkannt.

Massata Diack wird mit internationalem Haftbefehl gesucht

Pound betonte, derartige Vorgänge hätten auch dem IAAF-Council, dem höchsten Gremium des Weltverbands, nicht verborgen bleiben können. Allerdings vermied es Pound ausdrücklich, den langjährigen Vize-Präsidenten und heutigen Verbandschef Sebastian Coe zu belasten. „Ich will die Fehler des Councils nicht an einer einzigen Person festmachen“, sagte Pound. Nun gebe es die Chance, voranzukommen und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. „Ich kann mir in dieser Hinsicht niemand besseren als Lord Coe vorstellen“, sagte Pound.

Weitere Berichte werden Pound und seine Kollegen nicht vorlegen, die Kommission sprach aber Empfehlungen aus. Die IAAF soll demnach auch überprüfen, ob bei der Vergabe von Weltmeisterschaften alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Auf Seite 34, in Fußnote 36, erwähnt der Bericht zudem, Lamine Diack habe als Mitglied des IOC-Exekutivkomitees von der Türkei und Japan im Rahmen der Olympiabewerbung der beiden Länder Sponsorengelder an die IAAF in Höhe von vier bis fünf Millionen US-Dollar verlangt. Die Türkei mit der Kandidatenstadt Istanbul weigerte sich, den Zuschlag für die Sommerspiele 2020 erhielt Tokio. Es gibt also etliche Stellen im Report der Pound-Kommission, an denen andere Ermittler ansetzen können.

Zumindest was Papa Massata Diack angeht, ist dies bereits geschehen. Kurz nach der Pressekonferenz in Unterschleißheim teilte Interpol mit, der Senegalese werden wegen Bestechung, Geldwäsche und Erpressung mit internationalem Haftbefehl gesucht.

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