Kolumne: So läuft es: Laufen ohne den Sound der Stadt
Wer in Berlin läuft, der läuft von einem Sound zum nächsten: Autos, Menschen, Busse. In Pankow hat unser Kolumnist jedoch eine Strecke ganz ohne das ständige Wummern gefunden.
Stop! Sie dürfen diese Kolumne nur bis zum Ende lesen, wenn Sie mir etwas versprechen: Ich will Ihnen einen ganz besonderen Ort verraten. Wenn Sie dort gerade im Frühling und im Sommer laufen, erleben Sie ein Wunder! Aber: Sie dürfen auf keinen Fall alle auf einmal dort laufen. Und bitte: Behalten Sie das Geheimnis gut für sich. Versprochen? Gut!
Ich will keine große Sache daraus machen, aber in Berlin zu laufen, das ist schon besonders. Wer in dieser Stadt läuft, der läuft von einem Sound zum nächsten. Berlin ist wie eine Playlist der Lieblingsmusik. Mal laut, mal leise, mal hart, mal weich, mal sehr rockig, dann wieder sehr urban, ab und an ein Mix aus Punk und Klassik.
Wer in Berlin läuft, entdeckt die Stadt völlig neu. Man muss nur genau hinsehen und genau hinhören. So vielseitig Berlins Laufstrecken sind, so haben sie doch eines gemeinsam: Über ihnen liegt ein Grundsound. Ein ständiges Rauschen. Ein Wummern. Ein Mix aus Autos, Straßenbahnen, Bussen und Menschen.
Wer in Berlin läuft, dem fällt das eigentlich gar nicht mehr auf. Ich bin verliebt in dieses Wummern, und ich sauge gerade am frühen Morgen die Geschichten der Nacht auf, die auf der Straße liegen. Für mich ist es nicht der Kurfürstendamm, es ist nicht der Schlachtensee, es ist nicht das Tempelhofer Feld. Durch Zufall habe ich einen Ort gefunden, der einen völlig anderen Sound hat. Denn dort fehlt etwas!
Es ist jetzt genau vier Jahre her. Es war Mitte Mai. Ich lief von der Torstraße die Schönhauser Allee hinunter, vorbei am Rathaus Pankow, Richtung Niederschönhausen. Gedankenlos bog ich auf dem Rückweg ab, lief zwischen Häuserblocks entlang und war mir sicher, wieder eine Straße zu finden. Eine, die mich Richtung Mitte führen würde. Doch hinter den Blocks endete plötzlich der Asphalt. Und ein Blätterdach öffnete sich. Von einer Sekunde auf die andere änderte sich die Welt.
Ich lief unter uralten Bäumen, Vögel zwitscherten so viele Lieder, dass es beinahe kitschig klang. Und in der Mitte entsprang... ein Bach. Das Wasser glitzerte in der Morgensonne. Wäre ein Fisch über die kleine Brücke gesprungen, wäre der Rosamunde-Pilcher-Film perfekt gewesen.
Besonders irritierte mich etwas, was ich zunächst gar nicht einordnen konnte. Es fehlte etwas. Das Wummern! Überall in Berlin ist das Wummern. Dort nicht. In diesem Park ist Frieden, einfach nur Frieden. Und ab und zu ein Fischreiher. Die Blätter schlucken den Sound, und spuckt der Park einen wieder aus, ist es wieder da: das Wummern.
Laufen Sie einfach einmal in den Schlosspark Pankow. Halten Sie die Füße in die Panke, und laufen Sie dort, solange Sie ohne das Wummern auskommen können. Aber bitte: Nicht alle auf einmal. Und nicht weitersagen. So läuft es.
Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.