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War da was? Ein Schuss, ein Tor, kein Pfiff. Deutschland und England 44 Jahre nach Wembley.
© dpa

Wembley-Tor reloaded: Latte, drin, wieder Latte, Neuer hat ihn

44 Jahre nach 1966 gibt es wieder ein Wembley-Tor - allerdings in jeder Hinsicht andersherum. Frank Lampard erzielt es, Schiedsrichter Jorge Larrionda gibt es nicht.

Unter welchem Namen wird diese Szene in die Fußballgeschichte eingehen? Als „Phantomtor von Bloemfontein?“ Als „Free-State-Fehler“, nach dem Namen des Stadions? Als „Larrionda-Lapsus“, nach dem uruguayischen Schiedsrichter? Es läuft die 38. Minute im WM-Achtelfinale, als Frank Lampard kurz vor der Strafraumgrenze des deutschen Teams an den Ball kommt und sofort schießt. Der Lupfer des englischen Mittelfeldspielers fliegt im Bogen über Deutschlands Torwart Manuel Neuer hinweg und trifft die Unterkante der Latte. Von dort prallt der Ball klar hinter die Linie, springt zurück an die Latte und in Neuers Arme. Frank Lampard hebt reklamierend beide Hände in die Luft, bevor er sie über dem Kopf zusammenschlägt. Kein Piff, kein Tor. Und kein Torrichter, nirgendwo, der einschreiten könnte.

Alle Zuschauer im Stadion – und Millionen vor den Fernsehern auf der ganzen Welt – sind sich wohl einig, dass England ein klares Tor zum 2:2 verweigert wurde – bis auf das Schiedsrichtergespann. „Das habe ich selbst von der Tribüne aus geglaubt zu sehen“, sagt DFB-Präsident Theo Zwanziger. „It’s miles over the line – but the goal’s not given!“, schreibt der englische „Guardian“ entrüstet in seinem Live-Ticker. Der ehemalige deutsche Schiedsrichter Hellmut Krug sagt: „Das muss ein Assistent einfach sehen.“

44 Jahre zuvor heißt der Mann, der genauer hätte hingucken müssen, Tofik Bachramow. Es läuft die 101. Minute im WM-Finale von Wembley, als Geoff Hurst in der Verlängerung beim Stand von 2:2 von der Ecke des Fünfmeterraums auf das deutsche Tor schießt. Der Ball fliegt über Torwart Hans Tilkowski hinweg, prallt an die Unterkante der Latte und von dort auf die Torlinie. Während die englischen Spieler sofort jubeln, köpft der deutsche Verteidiger Wolfgang Weber den Ball ins Aus. Schiedsrichter Gottfried Dienst aus der Schweiz hat so Gelegenheit, sich mit seinem sowjetischen Linienrichter Tofik Bachramow zu beraten, der ein Tor gesehen hat und bereits eifrig nickt. Eine gemeinsame Sprache sprechen die beiden Offiziellen nicht, trotzdem einigen sie sich schnell: Dienst zeigt auf den Anstoßpunkt, das Tor zählt, England führt 3:2 und gewinnt am Ende mit 4:2 den ersten und bislang einzigen Weltmeistertitel des Landes.

Nach Tofik Bachramow ist heute in Baku das Nationalstadion in seiner Heimat Aserbaidschan benannt. Diese Ehre dürfte Jorge Larrionda und seinen Assistenten daheim in Uruguay verwehrt bleiben. Und England sollten sie in näherer Zukunft wohl auch meiden.

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