Wolfsburg und der Fall Draxler: Kraftprobe unter der Dunstglocke
Der VfL Wolfsburg ist bis in das untere Drittel der Tabelle abgerutscht und wartet weiter auf den ersten Heimsieg in dieser Saison. Gegen Hertha BSC wird es wohl nun einen prominenten Bankdrücker geben.
Eigentlich klingt ein Motzen bei Valérien Ismaël eher wie ein Parlieren. Doch selbst sein putziger Akzent kann es nicht mehr verbergen. Nach einem Monat mitten in der Krise wird der Tonfall des Deutsch-Franzosen rauer. „Ich werde Entscheidungen treffen – ohne Rücksicht auf große Namen“, sagt der Chefcoach vom Bundesliga-14. VfL Wolfsburg. Mittlerweile lädt Ismaël seinen Frust erstaunlich konkret ab. „Er muss eine deutliche Leistungssteigerung zeigen“, sagt Ismaël etwa über Julian Draxler. Der Trainer erwägt sogar, den Nationalspieler am Samstag (15.30 Uhr) im Heimspiel gegen Hertha BSC auf die Ersatzbank zu beordern. Eine solche Degradierung von Draxler wäre der letzte Beleg dafür, dass mit ihm und dem VfL etwas schiefläuft.
Vielleicht kann das gar nicht mehr klappen. Immer wieder bemühen sich alle Beteiligten darum, die nächste Debatte über Draxler, seine eher mauen Leistungen in der Fußball-Bundesliga und den kaum sichtbaren Elan zu verhindern. Und dann kommt doch die nächste Debatte. Seit diesem eigenwilligen Sommerinterview, als der begnadete Mittelfeldspieler seinen vorzeitigen Abgang aus Wolfsburg forcieren wollte, ist das Miteinander belastet. „Wir stehen zurecht unten drin“, hat der 23-Jährige gerade verlauten lassen. Diesem Versuch von Selbstkritik sind Anfeindungen in den sozialen Netzwerken gefolgt, die vermuten lassen: Es wird Verein und Spieler kaum noch gelingen, ein normales Miteinander zu pflegen.
Beim VfL ist die gute Laune abhanden gekommen
Im Fall von Draxler ist das sehr unpraktisch. Denn um ihn sollte in Wolfsburg etwas Neues entstehen. Es geht um eine Kraftprobe und ums Eingemachte. Von Ismaël wird erwartet, dass er durchgreift und mehr als ein Cheftrainer für den Übergang ist. Von Draxler möchten Verein und Fans zählbare Belege dafür sehen, warum er der teuerste Einkauf in der bisherigen Historie des VfL ist.
Geschäftsführer Klaus Allofs hat bis zuletzt alle Diskussionen darüber abgewürgt, ob Draxler nicht doch besser wieder verkauft werden sollte. Im Vorfeld der Partie gegen die aufmuckende Hertha aus Berlin ließ der VfL-Boss anklingen, dass man mit wechselwilligen Spielern wie Draxler künftig anders umgehen werde.
Damit ist die Tür für neue Spekulationen wieder geöffnet worden. Und es kommt die Frage ins Spiel, wie es angesichts solcher Debatten gelingen soll, einer bis in das untere Drittel der Tabelle abgerutschten Mannschaft wieder mehr Sicherheit und Motivation zu bescheren.
Ismaël wartet auf den ersten Heimsieg in dieser Saison
Offiziell geht es nur um eine sportliche Misere. Hinter vorgehaltener Hand gibt aber der eine oder andere Spieler mittlerweile zu, dass sich eine störende Dunstglocke über Stadt und Verein gelegt hat. Parallel zur Krise des Volkswagen-Konzerns, dessen Image durch die weltweit schwelende Abgasaffäre arg gelitten hat, ist auch beim VfL die gute Laune abhanden gekommen. Sollte der zum Sparen gezwungene Hauptsponsor des Vereins künftig auch weniger Geld in den Profifußball investieren wollen, stellt das die Daseinsberechtigung von Stars wie Draxler und Mario Gomez in Frage. Profis dieser Kategorie wären dann zu teuer. Und die schrumpfenden Ziele würden nicht mehr zu denen aktueller Nationalspieler passen.
Draxler auf die Ersatzbank, einen zweiten Stürmer neben Gomez aufstellen, einen bisherigen Reservisten wie den Spanier Borja Mayoral zum Stammspieler machen: Für Cheftrainer Ismaël gibt es nur noch wenige Stufen der Eskalation, die er erklimmen kann, bevor sein eigener Job schon wieder in Gefahr gerät. Sein Vorgänger Dieter Hecking kann ein grantiger Mensch sein. Aber er hat so gut wie immer versucht, keinen seiner Spieler öffentlich anzuzählen. Von seinem Nachfolger Ismaël wird an diesem Samstag erwartet, dass dem VfL der erste Heimsieg in dieser Saison gelingt. Man könnte das erneut mit Draxler versuchen, was angesichts seines Marktwertes normal wäre.
Es ohne Draxler zu probieren, käme einem Armdrücken gleich, das meistens der Trainer und selten der Spieler verliert.
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