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Auf die Haltung kommt es an. Zuletzt waren die Hannoveraner eher lauffaul – unter dem neuen Trainer Korkut rennen sie plötzlich wieder mehr.
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96 siegt wieder: Konterrevolution in Hannover

Hannover 96 spielt unter Tayfun Korkut einen Fußball wie unter Mirko Slomka – gewinnt aber jetzt wieder. Unter dem neuen Trainer zeigt die Mannschaft vor allem wieder mehr Laufbereitschaft.

Martin Kind druckste ein bisschen herum. Er wand sich, und man konnte ihm ansehen, dass er sich am liebsten vor einer Antwort gedrückt hätte. Am Ende aber gab Kind seine Abwehrhaltung auf. „Das kann man so bestätigen“, sagte der Präsident von Hannover 96. Ja, die Stimmung in der Kabine der Profifußballer war tatsächlich gut gewesen. Doch was vor ein paar Wochen noch eine aufregende Nachricht gewesen wäre, ist inzwischen fast schon Normalität. Zwei Spiele hat Hannover 96 im Jahr 2014 bestritten, zwei Mal verließ die Mannschaft als Sieger den Platz. Dem 3:1 beim Tabellenvierten Wolfsburg folgte am Samstag ein 3:1 gegen den Tabellenvierten Borussia Mönchengladbach. „Es läuft“, sagte Torhüter Ron-Robert Zieler. „Bis jetzt.“

Es läuft immerhin so gut, dass die Hannoveraner sich jetzt schon wieder fragen lassen müssen, ob sie das zwischenzeitlich revidierte Saisonziel nicht schon wieder revidieren müssen. Vom Europapokal zum Klassenerhalt – und wieder zurück? Auch wenn solche Überlegungen nach nur zwei Spielen ein wenig übertrieben erscheinen: Sie zeigen, dass sich die Stimmung in Hannover grundsätzlich gewandelt hat. Und dafür ist in erster Linie ein Mann verantwortlich, der auf den ersten Blick ziemlich unaufgeregt daherkommt: der neue Trainer Tayfun Korkut.

Als der 39 Jahre alte Deutsch-Türke Anfang des Jahres zum Nachfolger von Mirko Slomka bestellt wurde, ist diese Entscheidung mit einiger Skepsis begleitet worden. Dass der Klub auf einen Trainer setzte, der nie zuvor eine Profimannschaft betreut hatte, wurde als gewisses Wagnis bewertet. Präsident Kind hat am Samstag noch einmal auf die allgemeinen Vorbehalte angespielt. „Es wurde eher über das Risiko als über die Chancen geschrieben“, sagte er. Inzwischen ist die Skepsis weitgehend verflogen. In der Tabelle ist 96 unter Korkut von Platz 13 auf Platz 10 geklettert, und der Abstand auf den Relegationsplatz hat sich von vier auf sieben Punkte nahezu verdoppelt.

„Die Mannschaft hat sich deutlich stabilisiert“, sagt Präsident Kind. „Sie ist hoch motiviert, laufbereit, nimmt die Zweikämpfe an und ist gefährlich mit den beiden Stürmern.“ All das war am Ende der Hinrunde unter Slomka nicht mehr der Fall. „Die Trennung war notwendig“, sagt Kind über dessen Entlassung. „Wer die Mannschaft gesehen hat, weiß, dass es Probleme gegeben hat.“

So ist das neue 4-4-2-System mit den beiden Stürmern Artjoms Rudnevs und Mame Diouf, die gegen Mönchengladbach alle drei Tore erzielten, auch nur vordergründig für den Umschwung verantwortlich. Wichtiger ist die neue Haltung der Mannschaft. „Der Schlüssel zum Erfolg ist, dass wir sehr kompakt sind“, sagt Torhüter Zieler. „Man sieht, dass wir im Moment eine Einheit sind.“ Korkut bescheinigte seiner Mannschaft wie schon beim Sieg in Wolfsburg „ein hohes Maß an Solidarität“.

Der neue Trainer lebt diese Haltung vor. Korkut macht ohnehin einen sehr überlegten und überzeugten Eindruck. Und offensichtlich gelingt es ihm, diese Überzeugung auch auf seine Spieler zu übertragen. „Man kann sehen, dass mit der Mannschaft etwas passiert ist“, sagte Sportdirektor Dirk Dufner. „Es ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen.“ In der Vorrunde war 96 noch das Team mit der geringsten Laufleistung der Bundesliga, in den beiden Spielen unter Korkut liefen die Hannoveraner jedes Mal mehr als ihr Gegner.

Korkut hat klare Vorstellungen, wo er auf Dauer mit den 96ern hin will. Im Grunde hat er nicht weniger vor, als den Klub auf links zu krempeln. Aus einer Mannschaft, die es gewohnt ist zu reagieren, soll eine werden, die selbst das Spiel macht und die Initiative ergreift. Aber Korkut ist klug genug zu wissen, dass ein Konterteam nicht in ein paar Wochen in eine Ballbesitzmannschaft zu verwandeln ist. In den beiden Spielen unter dem neuen Trainer kamen die Hannoveraner im Schnitt auf 34 Prozent Ballbesitz.

„Wir wussten, dass wir zu Hause nicht einfach nur drauflos stürmen können“, sagte Tayfun Korkut nach dem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. Seine Mannschaft zog sich weit zurück, überließ dem Gegner den Ball – und konterte wie zu besten Zeiten unter Slomka. Vermutlich wird sich an dieser Ausrichtung in naher Zukunft erst einmal nichts ändern. Hannover 96 muss jetzt zweimal auswärts antreten. Da besteht erst recht keine Verpflichtung, munter drauflos zu stürmen.

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