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Alles wie immer. Jürgen Klopp an der Seitenlinie zu beobachten, hat meist hohen Unterhaltungswert.
© dpa

Trainerduell im Champions-League-Finale: Klopp gegen Zidane: Einpeitscher trifft Charmeur

Liverpool gegen Real Madrid könnte das beste Endspiel seit Jahren werden - nicht zuletzt wegen der beiden Trainer: Jürgen Klopp und Zinedine Zidane.

Von CoreMedia Migration User

Am Ende gab es kein Halten mehr für Jürgen Klopp. Wie immer, wenn sich eine von ihm trainierte Mannschaft in großen Spielen durchsetzt. So wie kleine Auflaufkinder vor dem Anpfiff vom Rasen eilen, pflegt Klopp zwei Stunden später nach wichtigen Erfolgen in die andere Richtung zu sausen. Dahin, wo sich seine Spieler in die Arme fallen. So hat es Klopp 2015 nach dem für die Dortmunder so erfolgreichen Elfmeterschießen im Halbfinale des DFB-Pokals gegen die Bayern getan, so hat es Klopp 2016 nach dem wilden 5:4-Sieg seiner Liverpooler in Norwich getan. Und so hat es Klopp am Mittwochabend auch im Stadio Olimpico nach dem 2:4 gegen AS Rom beim Einzug in das Champions-League-Finale getan. Es wird sein zweites Endspiel in diesem Wettbewerb, nach 2013. Und das erste Endspiel für den FC Liverpool in der Champions League seit elf Jahren.

Besagtes Endspiel am 26. Mai im Olympiastadion von Kiew verspricht, ein ganz besonderes zu werden. Vielleicht steht sogar die interessanteste Finalpaarung seit Jahren an. Auf der einen Seite Real Madrid, zwölffacher Champions-League-Sieger, zuletzt 2016 und 2017. Die Königlichen, ausgestattet mit Spielern, die schon in vielen Finals triumphierten und nun den historischen dritten Titel in Folge anstreben. Auf der anderen Seite der Herausforderer aus Englands Norden, wo einst die Stahl- und Kohleindustrie beheimatet war. Eine Umgebung wie geschaffen für einen Klub, der zum Mythos wurde. 1977, 1978, 1981, 1984 Sieger im damaligen Landesmeisterpokal und 2005 in der Champions League. Ein Klub, der die Arbeiterschaft anzog und bis heute wie ein Arbeiterklub wirkt.

Könige gegen Arbeiter. Zwei, die nahezu sinnbildlich für diesen Gegensatz stehen, sind die Trainer der beiden Mannschaften: Zinedine Zidane, 45, und Jürgen Klopp, 50. Zwei Gegenspieler, die alles verkörpern, was man mit ihrem Gegenüber nicht verbindet. Zidane, der mit erhabenem Charme und feinem Zwirn an der Linie steht, unaufgeregt, die Hände in den Taschen, einer, der Siege meist mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt. Klopp stattdessen, meist mit Klubpulli und hochgekrempelten Ärmeln underdressed in der durchgestylten Anzugwelt der Champions League, ist einer, der ein ganzes Stadion wie ein Einpeitscher animieren und sich seine Brille in Jubeltrauben demolieren kann. Doch Zinedine Zidane, wenig glamourös in Marseilles Problemviertel La Castellane aufgewachsen, und Jürgen Klopp, dessen Wurzeln im beschaulichen Schwarzwald liegen, jubeln nicht nur verschieden. Sie haben komplett verschiedene Biografien und stehen auch für verschiedene Spielideen. Zidane ist fünfmaliger Weltfußballer, er holte 1998 den WM-Titel und schuf einen Trick, der nach ihm benannt wurde. „Zizou“ verzückte so viele Generationen von nachkommenden Fußballern, dass er noch heute von diesem Respekt zehren kann.

Klopp dagegen entschied als Aktiver keine Endspiele in der Champions League. Als mäßig talentierter Zweitliga-Spieler kam er nicht umhin, sich seine heutige Autorität und Akzeptanz über Inhalte zu erarbeiten. 2002 avancierte er in der Winterpause vom Spieler zum Trainer, ließ sich von seinem früheren Coach Wolfgang Frank inspirieren und startete vom Mainzer Bruchweg aus eine Weltkarriere, die ihn nun nach Kiew führen wird. Das Offensivspektakel, das Klopp bei Liverpool spielen lässt, ist das Aufregendste, was die Champions League in dieser Saison zu bieten hat. Liverpools 46 Tore sind Rekord im Wettbewerb, Angriff ist für ihn die beste Verteidigung.

Zidane empfahl sich über den Real-Nachwuchs für das womöglich komplizierteste Amt im europäischen Fußball, er ging bei Carlo Ancelotti in die Lehre und rückte im Januar 2016 zum Cheftrainer auf. Für welchen Stil Zidane steht, ist derweil nicht eindeutig. Was auch damit zu tun hat, dass sich der Franzose auf keine bestimmte Taktik versteifen will und die Ästhetik hinten anstellt. Ihn deswegen auf einen bloßen Moderator eines Starensembles zu reduzieren, würde aber zu kurz greifen. Zidane ist einfach nur flexibel und opportun genug, um vor jedem Spiel die vielversprechendste Taktik auszuwählen. Und wenn München dann 70 Prozent der Spielanteile überlassen werden, ist es eben so.

Zidanes Ausrichtung am Gegner ist bisher von Erfolg gekrönt gewesen. In den vergangen zwei Jahren hat er sieben verschiedene Finals mit Real erreicht, kein einziges verloren. Demgegenüber wirkt Klopps Bilanz wie die eines Schuljungen. Das letzte Endspiel, das ihn als Sieger sah, war das 5:2 im DFB-Pokalfinale 2012. Seitdem gab es vier Finalniederlagen.

In England erwarten die Zeitungen, dass die als „Heavy-Metal-Football“ titulierte Liverpooler Angriffswucht in Kiew „Chaos anrichten“ werde. In Spanien vertrauen sie auf die Abgeklärtheit Reals. Eine explosive Mischung, die es in einem Endspiel lange nicht mehr gegeben hat.

Steven Wiesner, Henrik Hoelzmann, Jakob Lindwedel

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