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Die Sixdays im Velodrom an der Landsberger Allee leben von der Atmosphäre, die traditionell ziemlich laut ist.
© dpa

Lärm im Berliner Velodrom: Kettensägenmassaker Sechstagerennen

Wenn im Berliner Velodrom die Bahnfahrer um die Wette radeln, ist es vor allem: laut. Zu laut, sagen Mediziner.

Morgan Kneisky und David Muntaner treten im Mannschafts-Ausscheidungsfahren beim Berliner Sechstagerennen immer weiter in die Pedale. Dabei tragen die beiden die Startnummer eins und der Hallensprecher brüllt jetzt schon zum zweiten Mal in sein Mikrofon: „Number one, you are out!“ Kneisky und Muntaner aber können ihn nicht hören. Viele der knapp 10 000 Zuschauer können ihn nicht hören. Der Hallensprecher kämpft gegen die wummernden Bässe aus den Boxen und die vielen Trillerpfeifen an. Es ist laut und es ist Sechstagerennen. So ist das und so ist es immer gewesen.

Wer hierherkommt, der weiß das. „Mich stört der Lärm nicht“, sagt ein älterer Herr, der angibt, seit vielen Jahren dieses ohrenbetäubende Spektakel zu besuchen. Er trägt ein Hörgerät.

Das Berliner Sechstagerennen also ist sechs Tage nicht nur Rennen, es ist sechs Tage lang Geschepper im Velodrom, diesem Koloss unter der Erde verbaut mit mehr Stahl als der Eiffelturm in Paris. Die Sache der Großraumdisko Velodrom während der Sixdays ist nur: Sie wird von Jahr zu Jahr lauter.

Das ist auch der Grund, weshalb ein Verkaufsstand in der Arena immer besser besucht wird. Er ist von der Velomax Hallenbetriebs GmbH, die die Berliner Multifunktionshallen Velodrom und Max-Schmeling-Halle betreibt. In seiner Produktpalette hat der Stand Ohrstöpsel und Ohrschützer in allen möglichen Ausführungen. Erhältlich sind Ein- und Mehrwegohrstöpsel, aber auch schalldämpfende Schützer, die bis zu 22 Euro kosten. Die besten dämpfen den Lärm um knapp 40 Dezibel. Gerade am Familientag am Sonntag würde das Geschäft gut laufen, erzählt ein Verkäufer. Die Eltern wollten zumindest die Ohren ihrer Kinder schützen. „Es wird immer lauter. Nicht nur bei den Sixdays. Auch beim Handball oder Volleyball in der Max-Schmeling-Halle“, sagt er. Dann erzählt er, dass er bei Sportveranstaltungen in der Schmeling-Halle oft ein Messgerät dabei habe. „Das sind dann in der Spitze schon um die 110 Dezibel. Hier bei den Sixdays ist es garantiert lauter.“

Schon 90 Dezibel sind eine Belastung für die Ohren, 110 Dezibel entsprechen dem Lärm einer Kettensäge aus einem Meter Entfernung, 120 dem Lärm eines Flugzeugtriebwerkes.

Währenddessen versucht sich „Mr. 74 Zentimeter“ oder auch „Mr. Oberschenkel“, wie der Hallensprecher den muskelbepackten Sprinter Robert Förstemann abwechselnd ankündigt, daran, seinen eigenen Rundenrekord zu brechen. Der Arena-DJ will ihm helfen und dreht einen Rammstein-Song weit auf. Die Bässe, das Wummern, es geht durch Mark und Bein. Die Zuschauer jubeln.

„Es ist ein erheblicher Lärm. Das Sechstagerennen ist zweifellos einer der lautesten Veranstaltungstypen“, sagt auch Velomax-Geschäftsführer Sebastian Rüß. „Der Lärm ist den Sixdays gewissermaßen immanent.“ Rüß will sich aber nicht vorwerfen lassen, nichts dagegen zu tun. Man halte sich an alle Lärmschutzbestimmungen, sagt er. Diese aber sind vor allem streng, was den Außenlärm betrifft. Für den Innenbereich trifft das nicht zu. Was schon allein deshalb Sinn macht, weil viele Besucher der Sixdays auch wegen der lauten Atmosphäre kommen.

Doch vor dem Lärm, speziell dem Lärm der Trillerpfeifen, warnen Mediziner wie der Leiter der Tinnitus-Klinik im hessischen Bad Arolsen, Professor Gerhard Hesse. „Wenn jemandem auf den dichten Rängen aus nächster Entfernung mit einer Trillerpfeife ins Ohr gepfiffen wird, kann er ein Lärmtrauma bekommen“, sagt er. Die hochfrequenten Töne seien gefährlich. Aber auch die Summe des Geräuschpegels sei schlecht für die Ohren. Er rät daher: „Immer Gehörschutz tragen bei so einer Veranstaltung.“

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