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Unions Fans dürfen gegen bayern nicht dabei sein.
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Der 1. FC Union sieht seine Heimstärke gefährdet: Kessel ohne Hexen

Es gab gute Gründe zu glauben, Union hätte im eigenen Stadion auch den FC Bayern überraschen können. Ohne Fans lässt sich das nun schwieriger vorstellen.

Am übernächsten Sonntag wird Köpenick zum wichtigsten Ort der Welt, wenn auch nur für 90 Minuten. Millionen Fußball-Verhungerte werden zum Wiederbeginn der Bundesliga den Blick nach Deutschland richten. Und ausgerechnet dann kommt der große FC Bayern in den Osten Berlins.

Eigentlich sollte das Bayern-Spiel für den 1. FC Union das Highlight der ersten Bundesliga-Saison sein. Nun wird es zum Highlight für die ganze Welt, aber in Köpenick selbst ist die Vorfreude getrübt. Denn ausgerechnet diejenigen, für die Köpenick sowieso immer der wichtigste Ort der Welt ist, dürfen nicht dabei sein.

Keiner freut sich auf Geisterspiele, aber für einen Verein wie Union, der vor allem durch seine Fans lebt, sind sie besonders schlecht. „Was Fußball besonders macht, ist der gemeinschaftliche Aspekt, und der ist nun weg“, sagte Verteidiger Neven Subotic am Donnerstag im Interview mit der BBC. Wenige Stunden zuvor hatte es Vereinspräsident Dirk Zingler etwas kürzer gefasst: „Spiele ohne Menschen werden nicht viel Spaß machen“, sagte er.

Um Spaß geht es aber gerade nicht, sondern eher ums Überleben. Wie jeder andere Verantwortliche im deutschen Fußball versuchte Zingler am Donnerstag, die praktischen wirtschaftlichen Vorteile von dem Neustart in den Vordergrund zu rücken. „Das Wichtigste ist für mich, dass wir überhaupt eine Perspektive haben, unseren Spielbetrieb durchzuführen“, sagte er. Mit den Fernsehgeldern kann Union nicht nur das Kurzarbeitergeld seiner Mitarbeiter aufstocken, sondern sich auch den Blick nach vorne wieder erlauben. „Es wird einen Tag nach der Krise geben“, sagte Zingler. Die Pläne für den Stadionumbau und das neue Leistungszentrum sollen nach wie vor umgesetzt werden.

In der Alten Försterei gab es Siege gegen Dortmund, Gladbach und Hertha

Doch der Union-Präsident mahnte auch, dass die TV-Einnahmen nicht alles sind. „Wir leben von unserem Stadionerlebnis“, sagte er und meinte damit nicht nur die Zuschauer- und Catering-Einnahmen, die an jedem Spieltag in die Vereinskassen fließen. Dass Union auch für den sportlichen Erfolg auf seine Fans angewiesen ist, hat sich in dieser Saison noch mal deutlich gezeigt.

Auswärts war Union in dieser Saison bis auf wenige Ausnahmen ein sehr gewöhnlicher Aufsteiger – acht Spiele gingen verloren. In der Alten Försterei ist das anders. Neben den hart erkämpften Siegen über Dortmund, Gladbach und Hertha gab es auch manch furiose Darbietung, die wie zuletzt gegen Bayer Leverkusen in einer Niederlage endete.

Es gab also gute Gründe zu glauben, die Mannschaft von Urs Fischer hätte im eigenen Stadion auch den FC Bayern überraschen können. Ohne Fans lässt sich das nun schwieriger vorstellen. „Unsere Heimspiele haben für uns einen herausragenden Wert. Dass wir das vermissen werden, steht außer Frage“, sagte Zingler.

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Die besondere Stimmung bei Union kommt auch daher, dass immer noch nur die passioniertesten Fans ins Stadion kommen können. Mittlerweile ist die Zahl der Vereinsmitglieder fast doppelt so hoch wie die 22.000, die ins Stadion passen. Wer keine Dauerkarte hat, muss inzwischen im Losverfahren ein Ticket erwerben oder kurz vor dem Anpfiff sein Glück am Bahnhof Köpenick suchen. Die Neu-Unioner und Touristen kommen wegen der Stadionatmosphäre. Ein weiterer Beweis, dass Union vor allem wegen seiner Fans und ihres Rufs erfolgreich ist, als Fußballverein sowie als Unternehmen.

Kein Wunder also, dass Zingler schon jetzt darauf hofft, „die nächste Saison, wenn es irgendwie geht, mit Zuschauern zu beginnen“. Denn ohne die kann sich keiner in Köpenick wirklich mit dem Rest der Fußballwelt freuen. Auch wenn der große FC Bayern kommt.

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