WM 2014: Keine Vuvuzelas, eine Fliege und gute Stimmung en masse
Unser Kolumnist Philipp Köster vergibt gute Kopfnoten an die Fans der WM in Brasilien. Die Stadionatmosphäre sei einwandfrei, meistens und trotz der gemeinen Dengue-Fliege.
Am Ende dann doch der Tiefschlag. Siebzig Minuten lang hatten sich die Zuschauer beim Spiel Schweiz gegen Ecuador in Brasilia tadellos benommen und fleißig die Mannschaften angefeuert. Dann plötzlich schwappte doch die Welle durchs Stadion, jenes kollektive Händehochreißen, das zuverlässig den Siedepunkt der Stimmung markiert – auf dem Abschlussgottesdienst des evangelischen Kirchentages. Es war dies bisher die einzige Fehlleistung der WM-Zuschauer, die ansonsten überaus zuverlässig ihre Leistung bringen.
Zur positiven Bewertung trägt natürlich bei, dass die Spiele in Brasilien nicht von jenem nervenzersägenden Vuvuzela-Getröte begleitet werden, das uns die komplette WM in Südafrika verleidet hat. Und dafür, dass bei großen Turnieren vornehmlich jene in den Fanblöcken sitzen, die die Teams nur sehr grob an den Trikotfarben auseinanderhalten können, war während der Spiele sogar der eine oder andere Sprechchor zu hören. Mehr erwarten wir ja gar nicht.
Verlässliche Leistungsträger sind wie immer die englischen Anhänger, deren Team zwar gegen Italien verlor, die gleichwohl im sumpfigen Stadion von Manaus beeindruckenden Lärm veranstalteten. Was vielleicht auch daran lag, dass sich die britischen Fans zuvor gegen die allgegenwärtige Hitze und die Dengue-Fliege mit reichlich Alkohol imprägniert hatten. Was dazu geführt hatte, dass auf den von den Engländern reihenweise gemieteten Flussdampfern der eine oder andere vorzeitig über Bord ging und schlagartig ernüchtert wieder an Bord geholt werden musste.
Im deutschen Lager dominiert hingegen wie immer bei Weltmeisterschaften der sogenannte „Neckermann“, der begeisterungsfähige Pauschaltourist mit hohen Erwartungen. Mindestforderung an Löws Truppe: der WM-Titel mit Kantersieg im Finale gegen Brasilien, gerne auch gegen Holland. Italien darf hingegen gerne vorher ausscheiden.
Die Trends der WM
Ein paar neue Trends gibt es natürlich auch, zum Beispiel den zum „Selfie“, einem mit dem Handy geknipsten Selbstporträt vor monumentaler WM-Stadionkulisse. Seht her, wir haben Tickets! Für den Betrachter leider ein zweifelhaftes Vergnügen, weil der Blick auf den Rasen allzu oft durch sanierungsbedürftige Zahnreihen und beeindruckende Sonnenbrände verstellt wird. Alt hingegen ist die beste Methode, um deprimierte Fans nach Niederlagen wieder aufzurichten. Nach dem 1:2 gegen die Elfenbeinküste fing die TV-Kamera eine junge Japanerin mit tränenfeuchten Augen ein. Als diese in ihrer Staatstrauer gewahr wurde, dass sie gerade im Fernsehen war, sprang sie auf und wedelte wild mit den Armen. Da war die Niederlage plötzlich nicht mehr so schlimm. Es fehlte nicht viel und die junge Dame hätte noch eine Welle angezettelt.