Hertha unterliegt den Bayern: Keine Party in Berlin
Bayern München siegt zwar 2:0 bei Hertha BSC – die Feier zum Gewinn der Meisterschaft muss wegen Dortmunds Sieg aber verschoben werden.
Um kurz vor vier setzte in der roten Kurve des Olympiastadions ein vorfreudiges Grummeln ein. Auf den Anzeigetafeln waren die Wappen vom VfB Stuttgart und Borussia Dortmund erschienen. In den nächsten Augenblicken würden die Fans des FC Bayern München erfahren, ob die Chance, schon an diesem Wochenende ihre 26. deutsche Meisterschaft zu feiern, noch ein bisschen größer werde würde. Ein kurzer Moment der Spannung, dann: 1:0 für Dortmund. Die Münchner erfüllten mit einem glanzlosen 2:0 (0:0) gegen Hertha BSC zwar ihre Pflicht. Mit dem vorzeitigen Titelgewinn schon in Berlin wurde es allerdings nichts, weil auch der BVB gewann.
Hertha leistete ergiebigen Widerstand. „Die Mannschaft hat das sehr gut gemacht“, sagte Trainer Pal Dardai. „Da war mehr drin heute.“ Trotzdem endete das Aufeinandertreffen mit dem Rekordmeister für die Berliner wie immer in den vergangenen sieben Jahren. Seit ihrem letzten Sieg im Februar 2009 haben sie nun alle zehn Spiele gegen die Bayern verloren. Trotzdem ist Hertha dem Europapokal ein kleines Stück näher gekommen. Die Zweifel an der Qualifikation für die Europa League sind allenfalls noch theoretischer Natur. Um sie endgültig zu beseitigen, braucht Hertha aus den letzten drei Saisonspielen nur noch einen Punkt. Das Ziel aber bleibt Platz vier. „Dafür werden wir die letzten Kräfte mobilisieren“, sagte Dardai.
Herthas Trainer hatte nach dem Pokalspiel, halb gewollt, halb erzwungen, mächtig rotiert. Torhüter Rune Jarstein musste wegen einer Beckenprellung passen. So kam Thomas Kraft gegen seinen früheren Klub zum ersten Mal seit sieben Monaten wieder zu einem Bundesligaeinsatz. Bei den Gästen gab es sogar sieben Änderungen im Vergleich zum Pokal-Halbfinale. Aber bei den Münchnern rücken dann eben Thiago und Vidal ins Team, während bei Hertha der gerade 19 Jahre alte Maximilian Mittelstädt erstmals in der Startelf stand und kurz vor dem Schluss auch noch Florian Kohls zu seinem Bundesligadebüt kam.
Herthas Mannschaft zeigte trotz der ungewohnten Besetzung wenig Berührungsängste gegen die großen Namen auf der anderen Seite. Die Berliner spielten in einem 4-1-4-1-System mit Niklas Stark auf der Sechs und Fabian Lustenberger als Innenverteidiger. Sie traten viel mutiger auf als zuletzt gegen Dortmund, attackierten weit vorne und suchten die Chance, die ihnen eigentlich niemand zugetraut hatte. „Das Spiel war unangenehm für uns“, sagte Bayerns Trainer Pep Guardiola, dessen Mannschaft lange den Eindruck erweckte, als wollte sie sich schon für das anstehende Halbfinale in der Champions League gegen Atletico Madrid in der kommenden Woche schonen.
Zu richtigen Chancen kam Hertha im gesamten Spiel nicht
„Am Anfang hat es gut ausgesehen“, sagte Dardai, „es hat nur der letzte Pass gefehlt.“ Zu richtig klaren Chancen kamen die Berliner in der gesamten Begegnung nicht. Neun Torschüsse wies die Statistik am Ende für sie aus; auf das Tor von Manuel Neuer kam kein einziger. Die Bayern wirkten da in ihren raren Momenten in der Offensive deutlich zwingender. Nach knapp zehn Minuten musste Kraft bei einem Distanzschuss von Douglas Costa erstmals eingreifen. Mitte der ersten Hälfte rettete Herthas Torhüter dann gegen Thiago, der sich mit einem Doppelpass in aussichtsreiche Position gebracht hatte. Mehr brachten die Münchner in der ersten Hälfte nicht zuwege.
Dafür begannen sie die zweite Halbzeit mit deutlich mehr Engagement. Gleich mit ihrer ersten Offensivaktion gingen die Gäste in Führung. Die Berliner ließen ausnahmsweise etwas zu große Lücken am eigenen Strafraum – und hatten Pech, dass der Distanzschuss von Arturo Vidal noch am Knie von Niklas Stark landete und von dort unhaltbar für Kraft zum 1:0 für die Münchner im Tor landete. „Es ist bitter für uns, dass das Tor so früh nach Wiederanpfiff gefallen ist“, sagte Innenverteidiger Sebastian Langkamp, „sonst hätten wir vielleicht was mitnehmen können.“
Herthas ursprünglicher Plan war hinfällig, Dardai versuchte mit der Einwechslung von Salomon Kalou noch einmal neuen Schwung ins Spiel seiner Mannschaft zu bringen. Doch was bei den Münchnern vor der Führung noch recht bräsig gewirkt hatte, war nun einfach nur routiniert. Zehn Minuten vor dem Ende sahen die 76.233 Zuschauer dieses insgesamt recht unspektakulären Spiels immerhin noch einen außergewöhnlich spektakulären Moment: Douglas Costa jagte den Ball mit Wucht und Präzision vom rechten Strafraumeck mit links zum 2:0 genau ins Eck. „Ich bin jetzt seit 30 Jahren dabei“, sagte Herthas Manager Michael Preetz. „So ein Tor habe ich noch nie gesehen.“
Folgen Sie der Sportredaktion auf Twitter:
Stefan Hermanns