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Die Marathonläuferin Kathrine Switzer (Mitte) nach dem Boston-Marathon.
© Elise Amendola/AP/dpa

Kolumne: So läuft es: Kathrine Switzer machte den Marathon groß

Vor 50 Jahren war sie die erste Frau, die einen Marathon lief. Noch heute ist Kathrine Switzer ein Vorbild - auch für die Männer.

Kathrine Switzer gilt als die erste Frau, die offiziell mit Startnummer je einen Marathon gelaufen ist. Vor 50 Jahren beim Boston Marathon. Am Montag gingen in Boston wieder tausende Frauen an den Start, überall auf der Welt ist das selbstverständlich. Unter ihnen auch die US-Amerikanerin Kathrine Switzer, mit 70 Jahren und der Nummer 261 über dem Trikot. Sie absolvierte die Strecke in 4:36 Stunden und brauchte damit nur 16 Minuten länger als bei ihrem ersten Lauf.

Als Switzer mit der Nummer 261 damals im Jahr 1967 ins Rennen ging, wurde sie vom Renndirektor beinahe von der Strecke gestoßen. „Raus aus meinem Rennen. Zur Hölle mit Dir“, waren seine Worte. Sie meldete sich mit dem Kürzel „K. Switzer, Sycracuse Harriers“ an. Die Organisatoren dachten eher an Kevin oder an einen Ken, niemals jedoch an eine Kathrine.

Mittlerweile 58 Prozent aller US-Läufer weiblich

Beinahe wäre sie aus dem Rennen ausgestiegen, aber „dann war mir klar, dass ich es beenden muss. Und wenn ich es auf allen Vieren tue. Ansonsten würde niemand glauben, dass eine Frau fähig ist, einen Marathon zu laufen“, so beschreibt sie es in ihrem Buch. Mit 4:20 Stunden kam sie ins Ziel – und wurde nachträglich disqualifiziert. Anstatt daran zu zerbrechen, motivierte sie genau diese Tatsache. Und sie beschloss fortan, für die Rechte von Frauen einzutreten. Frauen sind für die Marathonveranstalter heute nicht mehr wegzudenken.

Ohne sie würde es kaum noch solche Veranstaltungen geben, sie wären nicht mehr zu finanzieren. In den USA sind 58 Prozent aller Läufer Frauen. Große Sportunternehmen würden ohne Startnummer 261 nicht existieren. Und ohne Kathrine Switzer wäre ein Marathon, wäre das Laufen auch nicht wirklich sexy. So und auch so. Vor allen Dingen ist mir dieser Tage in beim „Two Oceans Marathon“ in Südafrika wieder eines sehr bewusst geworden: Was sind wir Männer doch ab und an für Testosteron-Monster.

Wir bewaffnen uns mit Trinkflaschen für den Lauf, ein ganzer Gürtel hängt voll davon. Früher haben wir Feuer gemacht, heute haben wir Trinkflaschen. Wir jagen den Frauen davon, geben mächtig Gas, werden nach einiger Zeit lässig eingeholt. Bei dem 56 Kilometer langen Ultramarathon in Kapstadt sah man an den beiden Bergen Chapmans Peak und Constantia schmerzverzerrte Männergesichter. Knallharte Läufer, die diese Berge unbedingt durchlaufen mussten. Um zu zeigen, was sie für harte Kerle sind. Und um am Ende durchgereicht zu werden.

Switzer als Vorbild für Männer

Ich habe bildlich viele 261er Nummern gesehen. Nur ein Oberteil an, eine kurze Hose, sonst nichts. Ich habe viele Kathrine Switzers gesehen, die einfach ihr Rennen gelaufen sind. Die den Blick genossen haben. Als es weh tat, so bei Kilometer 45, war ein leiser Seufzer zu hören, nicht mehr. In den Bergen gingen die 261er ein Stück, um sich viele wichtige Körner für die restlichen Kilometer aufzusparen. Clever. Sie dachten nicht an gute Zeiten, sie liefen sie einfach.

Dieser Tage sagte Kathrine Switzer in einem Interview mit der Berner Zeitung: „Frauen haben durchs Laufen an Selbstwertgefühl gewonnen, einen Sinn dafür bekommen, was sie erreichen können, und sie sind furchtloser geworden. Sie haben realisiert, dass mehr für sie machbar ist, als sie jemals glaubten.“ Wir Männer sollten Nummer 261 öfter zuhören. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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