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Immer eine Reise wert. Das neue Bauhaus Museum in Weimar.
© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Radkolumne "Abgefahren": Katerstimmung statt Katzensprung

279 Kilometer von Berlin nach Weimar, kein Problem für mich, dachte unser Kolumnist. Doch aus den geplanten acht Stunden Fahrt wurden zwölf.

In der vergangenen Woche stand im Hause Wiedersich ein Kulturausflug an. Meine Kulturbeauftragte hatte Weimar für den Kurztrip als Ziel ausgegeben, also Goethe, Schiller, Anna Amalia Bibliothek, Bauhaus und alles in kompakter Form an drei Tagen. Außerdem sollte auch noch Zeit für einen Spaziergang im Goethepark und die Begutachtung einiger Restaurationsbetriebe sein. Und weil wir möglichst klimaneutral reisen wollten und uns kein Segelschiff dort hinbringen konnte, sollte die Bahn das Verkehrsmittel der Wahl sein. Aber leider nicht für mich.

Die Kulturbeauftragte konfrontierte mich zwei Tage vor Abreise mit der Idee, dass ich doch prima mit dem Rad dort hinfahren könnte. "Es sind nur ungefähr 250 Kilometer. Die Greta Thunberg segelt über das Meer in die USA, da ist die Radtour nach Weimar für dich doch quasi nur ein Katzensprung." Mein Einwand, dass "die Greta" ja wenigstens Begleitung hat, wurde überhört. Nach kurzem Zögern stimmte ich dem Unterfangen zu, was macht man nicht alles zur Klimarettung.

"Nur" 250 Kilometer, das sind bei einem Schnitt von 30 Stundenkilometer "nur" etwas mehr als acht Stunden reine Fahrzeit. Dazu kommen vielleicht noch zwei Kaffeepausen, in neun Stunden von Tür zu Tür, es könnte Schlimmeres geben. Der Abreisetag fiel auf einen Montag, das Motto hieß also "Monday for Future". Wie so oft, ist die Realität etwas anders. Nach eingehender Planung wuchs die Streckenlänge durch die fünf Bundesländer auf "nur" 279 Kilometer. Und so ganz flach würde die Fahrt auch nicht werden. Wird also doch schon mal länger dauern, dachte ich so bei mir.

In Leipzig selbst war ich dann trotz des GPS-Computers ein wenig orientierungslos

Nachdem morgens der Regen aufgehört hatte, gab es kein Zurück mehr. Pünktlich um sechs Uhr machte ich mich mit der aufgehenden Sonne im Rücken auf den Weg. Bis kurz vor Leipzig lag ich ziemlich gut im Zeitplan, sogar der Fährmann über die Elbe bei Pretzsch hatte scheinbar auf mich gewartet. Kurz danach gönnte ich mir in Bad Düben ein anständiges Radfahrer-Frühstück mit zwei Stücken Kuchen, Cola und Cappuccino.

In Leipzig selbst war ich dann trotz des GPS-Computers ein wenig orientierungslos. Statt auf schnellem Asphalt fand ich mich auf Schotterwegen wieder. Als dann noch die nach stundenlanger einsamer Radelei eingeschlafenen Großstadt-Verkehrsreflexe versagten und ich mich selbst zum vorsichtigeren Fahren mahnte, sank die Reisegeschwindigkeit durch die größte sächsische Stadt deutlich. Das wurde erst wieder besser, als es Richtung Saale und Ilm ging. Die verlorene Zeit konnte ich zwar dort nicht mehr aufholen. Doch die Radwege am Fluss entlang entschädigten dafür. Nach gut zwölf Stunden Reisezeit erreichte ich Weimar, die Kulturbeauftragte wartete da schon vier Stunden auf mich.

[Die Radkolumne "Abgefahren" erscheint alle 14 Tage an dieser Stelle. Alles rund ums Fahrrad lesen Sie in unserem Radblog.]

Apropos Weimar, die Stadt ist eine Reise wert. Wenn man den Hinweistafeln an den Häuserwänden Glauben schenken darf, hat dort mindestens kurzzeitig fast jeder wichtige Mensch aus der deutschen Hochkultur gewohnt. Und die Architektur- und Design-Freunde kommen beim neuen Bauhaus-Museum auch voll auf ihre Kosten. Ach so, zurück nach Berlin ging es auch für mich mit der Bahn. Es war Regen vorhergesagt, nass werden will man ja auch nicht.

Michael Wiedersich

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