Handball-WM: Katars Gastarbeiter erster Klasse
Zur Handball-WM kauft Gastgeber Katar kräftig ein: Einen Weltklasse-Trainer, Weltklasse-Spieler - und einen stimmungsvollen Fanblock aus Spanien. Sportlich hat sich das bereits gelohnt.
Im Grunde war die Entscheidung nur logisch. Wer sich den Flughafen von Doha, den Regierungssitz des Emirs oder einfach nur die futuristische Skyline der katarischen Hauptstadt ansieht, der merkt ganz schnell: Im Wüstenstaat am Persischen Golf ist das Beste gerade so gut genug, ganz gleich worum es geht. Abgesehen vielleicht von den Arbeits- und Lebensbedingungen der abertausend Gastarbeiter aus aller Herren Länder, aber das ist eine andere Geschichte.
Insofern musste die Wahl zwangsläufig auf Valero Rivera fallen. Im Februar 2013 hat den spanischen Handball-Trainer ein Anruf erreicht, der sein Leben und die bis dato halbwegs verlässlichen Gesetzmäßigkeiten der Sportart schlagartig aushebeln sollte. Rivera, geboren in Saragossa und mit 13 Jahren nach Barcelona übergesiedelt, hatte die katalanische Metropole sein Leben lang höchstens für Auswärtsspiele und Urlaubsreisen verlassen. Zu aktiven Zeiten spielte er ausschließlich für den FC Barcelona, später übernahm er die erste Mannschaft des Klubs – und führte sie in 23 Dienstjahren zu mehr als 70 nationalen wie internationalen Titeln, unter anderem gewann er sechs Mal die Champions League und machte sich zum statistisch erfolgreichsten Vereinstrainer der Welt. Spätestens mit dem Sieg der von Rivera betreuten spanischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2013 im eigenen Land stieg der 61-Jährige endgültig zum Handball-Nationalhelden auf.
Dann kam der Anruf aus Katar. Der Wüstenstaat hatte 2011 vom Weltverband IHF den Zuschlag für die Ausrichtung der Handball-WM erhalten und suchte nun nach einem Trainer. Weil Handball in Katar im Gegensatz zu populären Sportarten wie Cricket, Kamelreiten oder der Falkenjagd in etwa so viel Tradition besitzt wie Skispringen auf Jamaika, musste das Land Experten aus dem Ausland einkaufen. Ingenieure. Architekten. Statiker. Und Handball-Trainer.
Dem Vernehmen nach soll Riveras Gehalt bei knapp einer Million Euro im Jahr liegen. Außerdem hält sich in Doha das Gerücht, die Siegprämie der katarischen Mannschaft liege bei 100 000 Euro pro Spiel – für Handball-Verhältnisse astronomische Summen. Insofern überrascht es nicht, dass der Erfolgstrainer das Thema Bezahlung ebenso wenig behandeln will wie andere Kontroversen, die mit dem Turnier und seiner Mannschaft im Speziellen zu tun haben. Abgesehen von ein paar wenigen auserlesenen spanischen Journalisten verweigert Rivera Interviewanfragen jedweder Art, und selbst seinen Landsleuten diktiert er bestenfalls belanglose Sätze in die Schreibblöcke.
Siegprämien von 100 000 Euro pro Spiel – für Handball-Verhältnisse astronomische Summen
Sportlich hat sich das bisher bezahlt gemacht: Katar ist mit drei Siegen gegen Brasilien (28:23), Chile (27:20) und Slowenien (31:29) in die WM gestartet – weil Rivera klug genug war, um an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um eine wettbewerbsfähige Mannschaft stellen zu können. Neben einer Reihe junger Katarer und acht eingebürgerten Spielern aus Kuba, Spanien, Frankreich und Nordafrika hat er die womöglich wichtigste Position im Handball mit zwei der Besten ihres Faches besetzt: mit dem montenegrinischen Torhüter Goran Stojanovic und dem Bosnier Danijel Saric, beide 37, die bislang auch überragend gehalten haben. Möglich macht das eine umstrittene Regel, die es Nationalspielern erlaubt, nach drei Jahren ohne Pflichtspiel für ihr Heimatland die Nationalität zu wechseln.
Sogar beim Publikum hat Katar nichts dem Zufall überlassen. Die WM-Organisatoren haben rund 60 Spanier eingeflogen, die nun das Team des Gastgebers lautstark unterstützen. Die Claqueure tragen das Trikot Katars. Immerhin feuern sie mit Trainer Rivera auch einen Landsmann an. Nach Katars Ausscheiden allerdings, verrät einer, wollen sie das spanische Team unterstützen.