Korruptionsaffäre um WM-Vergabe 2006: Kampf der DFB-Granden: Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und sein Vorgänger Theo Zwanziger stehen im Zentrum der Affäre um die WM-Vergabe. Nicht zum ersten Mal liegen sie im Streit.
Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat gestern ein Ermittlungsverfahren gegen Leon Andreasen eingeleitet. Der Fußballprofi spielt für Hannover 96 und soll sich im Bundesligaspiel beim 1. FC Köln am vergangenen Sonntag eines krass sportwidrigen Verhaltens schuldig gemacht haben. Er soll den Ball bewusst mit dem Unterarm ins Tor befördert haben. Nun muss der Kontrollausschuss ran.
Wenn es nur das wäre, beinahe eine Beliebigkeit im normalen Spielbetrieb. In einem anderen Punkt geht es derzeit fast schon um alles für den DFB: um seine Glaubwürdigkeit, sein Ansehen, vor allem um die Zukunft seines ersten Mannes. Zwar streitet Präsident Wolfgang Niersbach die Bestechungsvorwürfe im Zuge der WM 2006 ab. Doch die Ungereimtheiten konnte der frühere Vize-Präsident des WM-Organisationskomitees (OK) 2006 noch nicht zerstreuen. Niersbach bleibt im Schussfeld, wie auch sein Vorgänger als DFB-Präsident, Theo Zwanziger.
Niersbach und Zwanziger unter Druck
Das Verhältnis der beiden gilt seit Jahren als angespannt. Im Dezember 2011 hatte Zwanziger angekündigt, 2013 nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung zu stehen und eventuell 2012 von seinem Amt zurückzutreten, weil er im Verband an Rückhalt verlor. Im März 2012 wurde Niersbach, unter Zwanziger noch Generalsekretär, zum Präsidenten gewählt, was Zwanziger eigentlich verhindern wollte.
Als im Sommer 2012 dann Fifa-Boss Josef Blatter wegen der WM-Vergabe 2022 an Katar zusehends unter Druck geriet, erhob dieser schwere Vorwürfe Richtung Deutschland. Der Schweizer deutete an, die WM 2006 sei vielleicht gekauft. Noch im selben Sommer drängte Zwanziger, immerhin bis 2015 Mitglied des Exekutivkomitees der Fifa, seinen Nachfolger Niersbach, die Vorgänge um die WM-Vergabe 2006 aufzuklären.
Erst am vergangenen Wochenende hat Zwanziger deutliche Zweifel an der internen Aufarbeitung der Korruptionsvorwürfe durch den Verband geäußert. „Soweit vonseiten des DFB dargestellt wird, dass seit Juni 2015 aufgeklärt werde, erscheint nicht unproblematisch, dass dies durch den Kontrollausschuss, der unter der Weisungsbefugnis des in der vorliegenden Sache beteiligten Präsidenten steht, erfolgen soll“, erklärte Zwanziger.
Einer der Knackpunkte ist weiterhin die Verwendung einer 6,7-Millionen-Euro-Zahlung vonseiten des deutschen WM-OK im Jahr 2005 an die Fifa. Zwanziger bezweifelt, dass Niersbach erst in diesem Sommer davon erfahren haben will. Niersbach hatte gerade erklärt, erst im Sommer 2015 von dieser Zahlung „Wind bekommen“ zu haben. Niersbach war seinerzeit geschäftsführender Vizepräsident des WM-OK. Zudem erweckte Niersbachs in der DFB-Erklärung am Freitag den Eindruck, dass eine interne Untersuchung längst liefe sowie der Verband eine externe Wirtschaftsprüfungskanzlei beauftragt habe, um den Verbleib der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung zu klären. Zwanziger bezweifelte dies allein schon deshalb, weil weder Ergebnisse vorlägen noch er dazu befragt worden sei. Dabei war es Zwanziger selbst, der zusammen mit dem OK-Mitglied Horst Schmidt 2005 die Überweisung an die Fifa durchgeführt haben soll. Zwanziger war 2003 als damaliger DFB-Schatzmeister ins WM-OK berufen worden, wo er für Finanzen zuständig war.
Vizepräsident fordert Transparenz in Korruptionsaffäre
Dass die Zweifel bezüglich der DFB-internen Aufarbeitung nicht unbegründet waren, steht inzwischen fest. Denn erst am Freitag, als die Korruptionsvorwürfe den Verband mit öffentlicher Wucht trafen, ist das DFB-Präsidium in einer eilig einberufenen Telefonkonferenz von Niersbach informiert worden. Und erst das Präsidium habe die Untersuchungen eingeleitet. Insofern löste die interne Informationspolitik bei einigen Präsidiumsmitgliedern erhebliche Irritationen aus. Vizepräsident Rainer Koch etwa forderte auf seiner Facebookseite „Transparenz und Klarheit“ vom DFB ein. Ehe er sich äußern könne, müsse er die Ergebnisse dieser Untersuchungen abwarten. Denn: „Ich habe kein eigenes Wissen.“
Und so gerät Niersbach nun auch intern für seine Amtsführung, und hier vor allem für sein Krisenmanagement, in die Kritik. Einzelne Mitglieder des höchsten DFB-Gremiums werfen ihrem Präsidenten eine Alleingangsmentalität vor.
Der DFB dementierte Berichte, dass er prüfe, Strafanzeige gegen seinen frühen Präsidenten Zwanziger wegen Verdachts der Untreue zu stellen. Nach bisherigen Angaben des DFB sollen die 6,7 Millionen Euro für das Kulturprogramm bei der WM 2006 gezahlt worden sein. Doch das angebliche Kulturprogramm hat es bei der WM 2006 nie gegeben, es wurde 2006, noch im Vorfeld des Turniers, abgesagt. Aber warum hat der Einzahler dann nie danach gefragt? Warum erst zehn Jahre später?